Nichts halbes, nichts Ganzes. Dieses seltsame, unbestimmte und leicht unbehagliche Gefühl, nicht zu wissen, was man davon halten soll. War das jetzt gut, weil man zumindest einen Punkt gegen einen starken Gegner geholt hat? Oder war das jetzt ärgerlich, weil wir die Punkte so dringend brauchen und diese zwei Punkte am Ende vielleicht fehlen könnten? Ich weiß es auch nicht. Es hätte durchaus dümmer laufen können, wenn wir in der hektischen Schlussphase doch noch das Gegentor bekommen. Aber was wäre hier los gewesen, wenn das Glück am Ende auf unserer Seite gestanden hätte? So bleibt ein durchwachsenes Spiel, bei dem es schwer fällt, eine Tendenz für die nächsten Wochen abzuleiten. Nach der Länderspielpause muss der VfB nach Frankfurt. Gnade uns Gott.
Auf einmal gingen die Lichter aus. Hunderte Fans liefen noch in Richtung Unterführung zum Technikmuseum auf der anderen Seite der A6, als der Stromversorgungswagen mehr oder weniger versehentlich für den Weg die Lampen ausknipste. Irgendwie ironisch, nicht wahr? Mittendrin zwischen mehreren Hoffenheim-Fans, die lachten, schwärmten und einen eher unbeholfenen Derbysieger-Gesang anstimmten. Es gibt wahrlich schönere Momente als diesen. An solchen Tagen ist es nur schwer, Trost zu finden und den Kopf oben zu lassen. Es gab eine Zeit, da hätte mich ein solches Spiel brechen können. Aber das will ich nicht mehr. Zu emotionslos bin ich in dieser Hinsicht geworden und reihe mich ein in eine wachsende Anzahl von Fans, denen es genauso geht.
Es ist noch gar nicht so lange her, da sprach ich von meinem VfB als verunsicherten Aufsteiger, der mit harten Gegebenheiten im Oberhaus überfordert ist. Woche für Woche bruddelte ich vor mich hin, man würde mit dieser Leistung ohnehin direkt wieder absteigen, da man es nicht schafft, sich die nötigen Punkte zur rechten Zeit zu holen. Einige Wochen sind nun vergangen, lediglich ein einziges Bundesligaspiel ist in der Saison 2017/2018 noch übrig und mit einem zufriedenen Lächeln sitze ich nun hier bei einer Tasse Kaffee. Keiner von uns hatte das so je kommen sehen.
Was mache ich eigentlich hier? Warum bin ich nicht im kuschlig warmen Bettchen geblieben? Vor meiner Tastatur steht meine VfB-Tasse und ich nehme einen großen Schluck Kaffee, es ist kurz vor 7 Uhr morgens und in einigen Stunden wird unsere Mannschaft auf den FC Bayern treffen, dabei vermutlich trotz bester Leistung knapp verlieren und das obligatorische Lob des gegnerischen Trainers erhalten. Kaufen können wir uns davon nichts. Nach einer harten Woche im Büro hätte ich an diesem frühen Morgen ohne Zweifel etwas Besseres zu tun, als auf ein Spiel zurückzublicken, das wie so viele andere Auswärtsspiele meinen Frust geschürt hat. Und trotzdem sitze ich hier, wohlwissend, dass ich mich in 24 Stunden nicht wesentlich anders fühlen werde.
Man sollte meinen, es fällt nach solchen Tagen leichter, die richtigen Worte zu finden. Zu erzählen gibt es genug, angefangen von erneuten Zweifeln am Charakter der Mannschaft, über die Hoffnung auf eine Trotzreaktion, bis hin zu den Momenten, die einem die Freudentränen in die Augen treiben. Ohne jeden Zweifel gibt es einiges zu berichten und ich denke nicht, mit ein paar wenigen Seiten auszukommen, was mir nicht einmal gelingt, wenn ich nicht viel schreiben möchte. Das einzige Problem, was ich nun habe: Wo soll ich denn da nur anfangen?
Ob es wohl jemandem aufgefallen wäre, hätte ich einfach an Stelle eines aktuellen Spielberichts meine Worte von letzter Saison verwendet hätte? Bittere Erinnerungen an den Valentinstag 2015, das letzte Gastspiel in Sinsheim endete jäh mit einem Gegentor in der Nachspielzeit. Für viele war klar, dass wir jetzt absteigen würden, zu einem weit späteren Zeitpunkt der Spielzeit als jetzt. Das Wort „Abstiegskampf“ möchte keiner so recht in den Mund nehmen, dabei deuten viele Zeichen darauf hin. Dass wir vor dieser Spielzeit mit ganz anderen Erwartungen, Hoffnungen und Träumen ins Stadion gingen, scheint nun beinahe vergessen.
“Okay, das wars!” – Und kaum jemand konnte einem widersprechen. Auch am Tag danach lässt es sich schwer greifen, was in Hoffenheim vorgefallen ist. Man möchte fast meinen, man sei sie ja noch gewohnt, die späten Gegentore, mit denen man das Spiel verliert – und trotzdem schocken sie einen wie am ersten Tag. Was vor einigen Wochen und Monaten noch den Pessimisten vorbehalten war, hat mittlerweile weitreichend um sich gegriffen: die Angst vor dem Abstieg hat uns voll und ganz im Griff.
Fast schon wehleidig musste ich mich von jenen verabschieden, mit denen ich ein wunderbares Wochenende verleben durften. Lange nachdem das letzte Spiel gespielt, die Pokale übergeben und das Flutlicht in der Halle ausgeschaltet wurde, saßen wir noch in der VIP-Loge zusammen, tranken und aßen noch etwas und formulierten ein erstes Resümmee von zwei beeindruckenden und spannenden Tagen. Für Felix und mich ein absolutes Novum – es war unser erstes Mal im Sindelfinger Glaspalast, und dazu noch ein ganz besonderes Debüt.
Mit leeren Blicken starrte ich auf das Spielfeld hinaus, wie bereits zuvor in dieser Saison, wie bereits zuvor in der letzten Saison, wie bereits zuvor in der Saison vor der letzten Saison. Die tollen Zeiten sind vorbei. Es blieb ruhig in Bad Cannstatt. Jedenfalls fürs Erste. Wirklich überraschend kam es für die wenigsten von uns. Wir wussten, wie groß die Verunsicherung der Mannschaft schon zu diesem Zeitpunkt der Saison ist, es fehlt an Toren, und meist auch, an der Gier nach eben solchen.
Lange hatte ich darauf hingefiebert, in Frankfurt war es schließlich so weit: Zweihundert Fußballspiele lagen hinter mir. Zwei Spiele bin ich bereits schon drüber, zwischenzeitlich sah ich noch das Länderspiel gegen Chile sowie das Heimspiel gegen Braunschweig. Vieles ist hängen geblieben aus den letzten sieben Jahren, seit ich das erste Mal ein Stadion betrat. Keines hat mich so in den Bann gezogen wie mein heimisches Neckarstadion. Ein Blick zurück auf tolle Heimsiege, denkwürdige Auswärtsspiele, Länderspiele, Champions League und Europa League. Ute33 Jahre, gebürtig aus Leipzig, seit 2010 wohnhaft in Stuttgart – Bad Cannstatt. Dauerkartenbesitzerin, Mitglied, ehemalige (Fast-)Allesfahrerin und Fotografin für vfb-bilder.de. Aus Liebe zum VfB Stuttgart berichte ich hier von meinen Erlebnissen – im Stadion und Abseits davon. Mehr über mich
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