Es hätte auch anders laufen können. Die Gäste aus meiner alten Heimat hätten in der Nachspielzeit noch das Siegtor machen können. Mario Gomez hätte per Kopf zum womöglich entscheidenden 1:0 treffen können. Wir hätten auf den achten Platz vorrutschen können. Es hätte Elfmeter für den VfB geben können. Ich hätte aber auch stattdessen ein langeweiliges Leben in Leipzig führen können. Wären da nicht die Momente und Entscheidungen gewesen, die mich genau an diesen Punkt gebracht haben. Viel ist passiert seit ich vor fast zwölf Jahren begann, mich für Fußball zu interessieren. So viele Leute, die seitdem mein Leben begleitet haben und noch begleiten. Und dann gibt es noch die Freundschaften, die während schon viel länger als all das.
“Ich habe mir das irgendwie anders vorgestellt” murmelte ich mit betretener Mine in Richtung meines Kumpels Thibault. „Ja, ich auch“ seufzte der junge Belgier aus Gent, dem ich nach seinem ersten Heimspiel gegen Wolfsburg nun zu seinem ersten Auswärtsspiel verhelfen durfte. Eine gute halbe Stunde war das Spiel alt, mein Schädel dröhnte und der VfB lag auswärts beim Tabellenletzten zurück. Es gab schon bessere Momente in dieser Spielzeit. Eine Niederlage konnte man sich in Köln nicht leisten, das wusste jeder der weit über 5.000 VfB-Fans, die sich aus Nah und Fern auf den Weg gemacht hatten. Dass das Grauen der ersten halben Stunde doch noch mit drei Punkten belohnt wurde, hat vermutlich keiner von uns allen so recht verstanden. Und wirklich wohl ist mir mit dieser unerwartet entspannten Tabellenkonstellation auch nicht.
Eigentlich ist das mit dem Fußball gar nicht so schwer. Weniger quatschen, mehr Leidenschaft zeigen. Weniger schwadronieren, mehr Tore machen. Weniger heiße Luft, mehr Punkte. Klingt eigentlich gar nicht so kompliziert, nicht wahr? Doch das eigentlich Schwierige ist es, das Zutrauen in diese Mannschaft, in diesen Verein wiederzufinden. So viel ist kaputt gegangen, der Weg nach unten unaufhaltsam. Ich hatte mich bereits damit abgefunden, mit so etwas ähnlichem wie einer neu gewonnenen Gelassenheit eine emotionale Distanz aufzubauen, weil sich diese Mannschaft offenbar nicht bemühen will. Nun sitze ich wieder hier, am Tag danach, und der VfB hat in den letzten vier Spielen zehn Punkte geholt. Eigentlich ein Grund zur Freude. Wenn da nur nicht diese finsteren Erinnerungen wären. Feels like 2016.
183 Tage waren vergangen, seit die laufende Bundesliga-Saison begonnen hatte. 736 Tage waren vergangen, seit der VfB sein letztes Auswärtsspiel in der Bundesliga gewonnen hatte. 2140 Tage waren vergangen, seit der VfB zum letzten Mal in Augsburg gewonnen hatte. Acht Bundesliga-Auswärtsspiele habe ich diese Saison bereits gesehen, bei den beiden Punktgewinnen in Hannover und Wolfsburg war ich nicht vor Ort. Viele von euch können sich vielleicht nicht vorstellen, wie sich das anfühlt. 6.730 Auswärts-Kilometer 2017/2018, die Pokalspiele noch nicht einmal mit eingerechnet, stets geprägt von Frust, Enttäuschung und Wut.
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