Der Inbegriff der Zweitklassigkeit. Sandhausen. Lange hatte ich in der Nacht davor noch wach gelegen, habe die Schlafzimmerdecke angestarrt und mir bewusst gemacht, am nächsten Tag nach Sandhausen aufzubrechen. Keinem anderen Gegner haftet dieses unbequeme Gefühl der Zweitklassigkeit mehr an als dem SV Sandhausen, der kleinen 15.000-Einwohner-Stadt im Rhein-Neckar-Kreis, acht Kilometer südlich von Heidelberg. Wer nach Sandhausen muss, ist wirklich abgestiegen und muss sich klar machen, dass einem nichts geschenkt wird. Das alleine machte es auch gefährlich.

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Gut zwei Tage liegt es es nun schon hinter uns, das „Auswärtsspiel“ in Sandhausen, dass eigentlich gar keines gewesen war. Hatte ich vor einigen Wochen beim Testspiel gegen Fürth in Weinstadt-Beutelsbach noch mit zwei Freunden auf den kochend heißen Betonstufen des Benzach-Stadions gesessen und gemeint, nach Sandhausen würden wohl kaum viele Fans kommen, so sah ich mich bald eines besseren belehrt.

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Im Gegenteil, als wäre das Motto „Alle nach Sandhausen“ gewesen nahmen geschätzt rund 7.000 VfBler (die genaue Anzahl lässt sich nicht wirklich bestimmen) die kurze Strecke auf sich und machten es zu einem wahren Heimspiel. Darauf alleine galt es sich schon zu freuen. Aber sonst? So richtig angekommen ist der VfB im Unterhaus noch nicht, spielt manchmal so, als wäre er sich dessen noch nicht ganz bewusst und bietet damit eine Angriffsfläche. Noch mehr Unruhe nach einer Niederlage in Sandhausen kann der Club nun wahrlich nicht gebrauchen.

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Ein kleines bisschen Selbstvertrauen

Immer wieder ist von einem „schwierigen Umfeld“ die Rede. Die Fans seien kritisch, aggressiv und zu erwartungsvoll, würden schnell bruddeln, wenn es nicht gut läuft. In den etwas mehr als sechs Jahren, die ich nun in Stuttgart lebe, habe ich schnell erfahren müssen, wie sehr das Bruddeln in der Natur des Schwaben liegt. Doch gilt das auch für den VfB? Welches „schwierige Umfeld“ ist eigentlich gemeint, wenn das erste Heimspiel gegen St. Pauli ausverkauft ist, 4.000 VfBler in Düsseldorf dabei waren, 3.500 in Homburg und nun um die 7.000 oder mehr in Sandhausen?

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Das Selbstvertrauen hatte man sich eine Woche zuvor im Saarland geholt, doch selbst beim Pokalspiel gegen den Regionalligisten offenbarten sich eklatante Baustellen, die es dringendst zu bearbeiten gilt. Und warum sollte es uns das kämpferische, wenn auch spielerisch limitierte Sandhausen so viel einfacher machen als ein Regionalligist? Für Homburg hatte es wie erwartet gereicht, doch verspürte ich größere Sorgen vor unserem badischen Nachbarn. Ein weiteres Mal sollte mich mein Gefühl nicht trügen.

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In Liga zwei ist alles ein bisschen kleiner, schwieriger, bescheidener und anstrengender – auch für uns Fans. Ein weiter Freitagabend sollte es sein, nicht der erste, nicht der letzte, doch früh genug hatten wir Planungssicherheit und mein Chef meinen Urlaubsantrag. Nach dem Mittag brach ich auf, hatte das Trikot sicher im Rucksack verstaut und eilte zur S-Bahn, die mich nach Weinstadt-Beutelsbach bringen sollte. Viele Touren sind hier gestartet, jede auf ihre Art besonders und schätzenswert. „So, jetzt geht nochmal jeder aufs Klo und dann reiten wir los“.

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Wo geht’s denn nach Sandhausen?

Kaum auf der Autobahn, schon eingeschlafen. Die Hitze setzte mir schon jetzt im geschlossenen Auto zu, ein erster kleiner Vorgeschmack auf das, was folgen würde. Die Sonne brannte auf uns hinab und machte Baden-Württemberg zu einem einzigen großen Backofen. Meine Augen öffnete ich just in dem Moment, als wir die Ausfahrt hinaus fuhren und ich zum ersten Mal in meinem Leben die Ausschilderung Richtung Sandhausen gesehen hatte. Überall waren die Schilder nachträglich angebracht worden, fast so, als gäbe es sie nur für die Gästefans, die sich zum niederklassigen Fußball in den Kraichgau verirren.

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Einmal falsch abgebogen, wie vermutlich viele andere VfB-Fans auch, die noch vor Sperrung des Wohngebiets vor Ort waren und sich auf einmal an einem nicht ausgeschilderten Kreisverkehr wiederfanden und zurück fahren mussten. Mein Kumpel Eric aus Aschersleben hatte mir vor einigen Wochen per WhatsApp das Bild eines verlassenen Schotterplatzes geschickt, auf dem weit und breit nichts mehr zu sehen war als die endlose Weite des Nichts. Gelogen hatte er damit nicht. Willkommen in Sandhausen.

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Die ersten waren wir nicht, doch noch rechtzeitig, bevor der Parkplatz so voll wurde, wie wir ihn am Abend beobachten konnten. Gut in der Zeit war sogar noch ein Scherz drin für die Ordnungskräfte vor Ort: „Wir suchen den Schattenplatz!“ meinte unser Fahrer und guter Freund Gerd zu einem der Männer, der sich daraufhin ganz aufgeregt zu seinem Kollegen fand, der aber genauso wenig eine Antwort hatte. Der dritte Kollege kam dazu und während sich der komplette VW T5-Transporter vor Lachen kugelte, sickerte bei den Herrschaften so langsam die Erkenntnis durch.

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Schwitzen bei der Eingangskontrolle

Ohne Schattenplatz, dafür mit einem Lachen auf den Lippen reihten wir uns ein in eine über den Tag hinweg ewig lang werdende Schlange aus Kennzeichen: S, LB, BB, CW, ES, WN, HN und so weiter. Den ersten Sandhausen-Fan bekamen wir erst lange nach Abpfiff unweit unseres Ausgangs zu Gesicht, der Rest bestand gefühlt komplett aus Weiß-Roten. Wirklich überraschend kam dieser Ansturm für die Gastgeber nicht, gehört der Kraichgau doch noch zu den Ausläufern des VfB-Einzugsgebietes für jene, die sich nicht anderen Clubs angeschlossen haben.

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Später würde man von Gänsehaut sprechen, sowohl bei jenen, die dem als außenstehende Zuschauer beiwohnen durften als auch jene, die ihre Faust für den VfB erhoben haben und alles raus holten, was ihnen in der Schwüle des Freitagabends möglich gewesen war. Ein Kumpel meinte zu Beginn der Karawane vor dem Heimspiel gegen St. Pauli zu mir, in Sandhausen müssten wir so laut werden, dass denen das Blechdach weg fliegt. Wie nahe wir dran waren, sollte ich nun endlich erfahren.

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Die Tore des Hardtwaldtstadions hatten sich gerade geöffnet, da machten sich Felix und ich schon auf den Weg in Richtung Eingangskontrolle, um noch vor den Ultras hindurch zu schlüpfen. Schon auf dem Weg dorthin kamen mir Frauen entgegen, die mir zum Umdrehen rieten, Handtaschen seien nicht erlaubt. Mit mulmigem Gefühl lief ich weiter, meine Kameratasche fest umklammert und das Beste hoffend.

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Willkommen im Backofen

Diskussionen blieben mir bei gut 35 Grad im Schatten nicht erspart, drei Mal kontrolliert, drei Mal kurz vor der Kameraabgabe gestanden. Bis ich schließlich auf der anderen Seite angekommen war, hatte es Nerven gekostet. Darauf erstmal ein kaltes Getränk, nicht ohne zu vernehmen, wie viele sich bei ihrer Ankunft über den Ausschank alkoholfreien Bieres brüskiert hatten. Manche ertragen ein Fußballspiel ohne Alkohol anscheinend nicht und ob dies in Anbetracht der brütenden Hitze eine gute Idee gewesen wäre, steht auch auf einem anderen Blatt.

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Mit einer Bratwurst und einem Wasser bewaffnet machte ich es mir erst einmal gemütlich, schaute mich um und beobachtete in den umliegenden Blöcken, wie immer mehr Brustringtrikots gesichtet wurden. Niemand weiß, wieviele es an diesem Tag wirklich waren, denn alleine schon das eigens für den VfB verdoppelte Gästekontingent von 3.500 Karten reichte bei weitem nicht aus. Das lange Warten begann, das bei schwülen Temperaturen unsäglich lang erschien. Nachdem die Ultras im Stadion waren und sich auf beide gegenüberliegenden Blöcke verteilt hatten, suchte ich mir zwangsläufig doch noch einmal einen besseren Platz und harrte der Dinge, denn schon bald konnte es wirklich losgehen.

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Jos Luhukay würde auf jene Spieler zurückgreifen, die bereits eine Woche zuvor in Homburg erfolgreich waren. Ungeachtet jeder personellen hochstilisierten Diskussion insbesondere um Alexandru Maxim steht der spielerische Erfolg über persönliche Befindlichkeiten, über vereinspolitische Diskussionen, über allem. Wir Fans waren bereit und konnten nur hoffen, dass sich die Mannschaft der Schwierigkeit dieses Duell bewusst sein würde, im Hardtwaldstadion scheiterten schon ganz andere ambitionierte Aufstiegsaspiranten.

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Daheim statt Auswärts – mit gut 7.000 VfBlern

Der „Gästebereich“, der mehr oder weniger aus fast dem gesamten Stadion bestand, hatte sich recht schnell eingesungen und machte von vornherein klar, wer hier akustisch und optisch das Sagen hatte – da hatten zwei kleine Sandhäuser Blöcke in der anderen Ecke des Stadions nicht viel dagegen zu setzen. Mit Applaus empfing man die Mannschaften, in der steten Hoffnung, sie würden das Beste zeigen, was sie zu bieten hatte. Aber ob das beim VfB ausreicht, ist eine andere Sache. Das sage ich nicht als Pessimistin, sondern als Realistin, er lang genug befürchtet hatte, man würde eines Tages in Sandhausen statt in Schalke landen.

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Die geballte Lautstärker von gut 7.000 Fans schlug mir um die Ohren und ließ mich meine Nackenhaare aufstellen, während auf dem Platz die Mannschaften bereits das Spiel begonnen hatten. Vielleicht hätte ich es nicht beschreien sollen, dass die ersten Minuten doch relativ deutlich eine Idee davon lieferten, in welche Richtung es gehen sollte: nur in Richtung von Sandhausens Keeper Marco Knaller, dessen Namen ich erst nachlesen und lernen muss, wie so viele in Liga zwei.

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Die ersten Angriffe in Richtung gegnerisches Tor sahen vielversprechend aus, ebbten aber nach wenigen Minuten bereits wieder ab – dabei hätte mir ein hoher Kantersieg einmal richtig gut gefallen. So harrten wir der Dinge und feierten mangels hochkarätiger Chance für den VfB eben uns selbst. Tolle Stimmung am Hardtwald, das gefiel nicht nur den Gelegenheitsfahrern. Da stand ich nun, sang, klatschte und sprang, sofern ich die Kamera nicht gerade in diesem Moment auf ein Motiv fokussiert hab, von denen es auch da wieder reichlich gab.

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„Denen muss das Blechdach wegfliegen!“

Achtzehnhundertdreiundneunzig. Im Takt hüpfte der Block B1, in dem ich am Rand relativ weit oben stand, um einen guten Überblick zu habe. Der Boden vibrierte sehr viel stärker als im Neckarstadion und das Metalldach, das den Block überdeckte, wackelte andächtig. Wie war das nochmal mit dem Bleckdach, das im übertragenen Sinne wegfliegen sollte. Noch bevor der Unparteiische zur Trinkpause pfiff, von denen sich unzählige Fans ebenso angesprochen fühlten, waren zumindest die Fans ihrer Favoritenrolle gerecht geworden.

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Die Zeit verging und die Hitze schien den Mannschaften zuzusetzen, viel lief nicht mehr zusammen und das Gebruddel insbesondere eines VfB-Fans nur zwei Meter von mir entfernt wurde lauter und lauter, dabei hatte der VfB noch nicht einmal entgegen aller Befürchtungen zurück gelegen. Die erste Halbzeit neigte sich dem Ende und die Pausen zwischen den Angriffen vor dem gegnerischen Tor versuchte ich Felix in dem anderen Block zu entdecken. Keine Chance, bei so vielen Leuten.

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Kennt ihr das, wenn ihr eine Vorahnung habt, bevor etwas passiert? Ich rede hier nicht von Abstiegsszenarien – zumindest jetzt nicht – sondern von Torankündigen. Ist es nicht manchmal verrückt, dass man sich zu seinem Kumpel umdreht, bevor ein Freistoß ausgeführt wird und ihm mit fester Stimme sagt: „So, jetzt, Terodde mit dem Kopf!“ Man hat schon beinahe das „Naja, fast“ auf den Lippen, bevor man doch die Jubelfaust ballt. Irgendwie unerwartet, mit dieser These Recht gehabt zu haben und ausnahmsweise freute ich mich darüber. Ausgerechnet Simon Terodde – und das freute mich so ungemein für ihn. Es wurde aber auch Zeit.

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Ein neuer Heilsbringer?

Da war es also, das erste Tor unseres offensiven Heilsbringers, sehnlichst erwartet, laut gefeiert und im Nachgang via Twitter auf eine ungemein amüsante und liebenswerte Art nachbereitet. Vielleicht hatte es ja gerade hier und jetzt sein müssen, auswärts direkt vor der Nase von brutal vielen VfBlern. Unmöglich zu sagen, ob nun bei ihm der Groschen gefallen ist, aber ich wünsche es ihm sehr, wir alle, denn so überraschend der Wechsel zum VfB für uns Fans war, so sehr hoffen wir, er wird an seine letzte Saison anknüpfen.

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Die meisten, die im Jubel auf den Zaun geklettert waren, waren wieder hinunter gestiegen als kurze Zeit später Jean Zimmer regungslos auf dem Rasen lag, umringt von Mitspielern, Gegenspielern und dem Schiedsrichter. Für ihn war das Spiel vorbei, laut Spielberichten eine Platzwunder, laut seinem Instagram-Profil ein Loch in der Lippe. Boris Tashchy kam für ihn ins Spiel, doch auf einen so frühen Wechsel war Jos Luhukay gewiss nicht eingestellt. Wer weiß, wieviele Kräfte gegen Ende noch schwinden würden.

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Kurz darauf war Pause, ich sank erschöpft auf die Betonstufe unter mir, schlürfte meine 0,2 Liter Capri Sonne aus und fragte mich, ob das reichen würde oder ich mich nach unten, nach draußen durchkämpfen sollte, ohne zu wissen, einen Platz wiederzubekommen, bei dem ich sowohl das Spiel beobachten konnte als auch Fotos der Fans machen konnte. Ich entschied mich, zu bleiben – eine im Nachgang recht dämliche Entscheidung, die auch hätte ins Auge gehen können.

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Kurz vorm Kollaps

Ich will mir nicht ausmalen, wie nah ich in dieser drückenden Schwüle einem Hitzekollaps war, nachdem mir schon zwischendrin flau und schwindlig geworden war. Das Wasser, dass ich an diesem Tag bis vor Anpfiff getrunken hatte, hatte ich schon längst wieder herausgeschwitzt, mir lief die Brühe hinunter, doch war ich damit längst nicht die einzige. Für die meisten Herren der Schöpfung stand das Spiel unter dem Motto „1, 2, 3, Oberkörper frei“, das galt jedoch nicht für uns Mädels.

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Mit der leeren Tüte Capri Sonne wedelte ich mir ein wenig Luft zu, ein lediglich metaphorischer Tropfen auf den heißen Stein. Alles klebte an mir, vom Trikot bis zur Hose, doch nützte es nichts. Wenn schon ein anstrengender Tag im Gästeblock, dann solle uns der VfB wenigstens mit einem Auswärtssieg belohnen. Keine Selbstverständlich, das ließen uns auch die eigentlichen Gastgeber aus Sandhausen spüren. Viel hatte nicht gefehlt bei sich Mitch Langerak verschätzte und die Hausherren zu unserem Glück nur die Querlatte trafen.

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Sie ließen uns warten, länger als uns lieb sein konnte. Die Luft schien raus, die Hitze zu groß, die Ideen zu limitiert, und so machte das Warten auf das zweite und womöglich vorentscheidende Tor weit weniger Spaß, als hier im Block zu stehen und die Mannschaften nach Leibeskräften nach vorne zu schreien. Gebannt schaute ich und war stets mit der Kamera zur Stelle, als sie sich auf die Reise machten zum Sandhausener Strafraum.

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Im richtigen Moment

Viele von euch kennen das eine Bild von mir aus dem Heimspiel gegen Wolfsburg kurz vor Weihnachten 2015, als der ein halbes Jahr später dorthin abgewanderte Daniel Didavi vor der Untertürkheimer Kurve einen Haken schlug und in einem weiten Bogen den Ball in den Winkel drosch. Genau in jenem Moment drückte ich ab, als Diego Benaglio wusste, er käme mit seinen Fingerspitzen nicht mehr dran, die Bühne war frei für zwei tolle Monate, trotz des letztendlichen Abstiegs. Vielleicht habe ich ein Gefühl für solche Momente. Vielleicht ist es aber auch einfach nur Zufall.

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Eine gefühlte Ewigkeit hatten sie jedoch gebraucht für diesen Moment, als Berkay Özcan auf der rechten Seite den Zweikampf gewann, an seinem Gegenspieler vorbei zog und die Flanke in die zweite Reihe des Strafraums schlug, wo Christian Gentner einmal mehr genau richtig stand. In diesem Moment drückte ich ab, ein lang gestreckter Keeper, hinter dessen Torwarthandschuhen man noch die Umrisse des Balles erkennt, der sich zu diesem Zeitpunkt schon hinter ihm im Netz befand.

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Das 2:0 gab nicht nur etwas mehr Sicherheit und Selbstvertrauen, es setzte auch neue Kräfte im Gästeblock frei, obwohl ich dachte, dass dies gar nicht mehr möglich sei. Als ginge es um Alles, um den Aufstieg, den Klassenerhalt, die Meisterschaft, es war enorm laut, dabei stand ich nicht einmal direkt im aktiven Kern. Solche Momente genieße ich mit einem seligen Lächeln, doch setzten mir die Temperaturen nachwievor enorm zu.

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Kraft von außen

Nur eines würde an diesem Abend noch schöner sein als der Schlusspfiff zum Auswärtssieg, auf die Dusche daheim freute ich mich schon jetzt, sei sie nun um Mitternacht oder zwei Stunden später. Bis dahin müsste sich der VfB aber noch zusammenreißen, doch wer könnte einem die Hoffnungen besser ruinieren als Toni Sunjic? Ich mag eigentlich nichts schlechtes über Spieler sagen, die den Brustring auf dem Trikot tragen, er mag ein netter und engagierter Kerl sein, doch war das Tor durch Andrew Wooten nicht das erste, dass er in den letzten 12 Monaten, die er bei uns ist, verschuldet hatte.

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Wir führten nachwievor mit einem Tor, das Problem war nur, dass eine Viertelstunde mitunter unendlich lang sein kann, wenn du den Anschluss hinnehmen musstest, und sie erscheint viel zu kurz, wenn du den Ausgleich machen musst. Die Theorie, der VfB hätte hintenraus mehr Kraftreserven als ein Zweitligist, der seit Jahren in der Liga ums Überleben kämpft, hatte sich bisher nicht bewahrheitet. Und die „Bollahitz“, angefeuert durch den Anschluss schien uns zu lähmen und Sandhausen Kraft zu geben. Oh oh. Ich ahne Schlimmes. Schon wieder.

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Auf die letzte Viertelstunde hätte ich gerne verzichtet. Nichts wollte mehr gelingen, sie gewannen keine Zweikämpfe mehr, hechelten ihren Gegenspielern hinterher und hatten ihre liebe Mühe, die aufeinmal frischer wirkenden Sandhausener in Schach zu halten. Vor meinem inneren Auge sah ich es schon, das 2:2 und gar noch Schlimmeres. Die Kräfte schwanden minütlich, also taten wir Fans das einzige, was wir in diesem Moment tun konnten und gaben ihnen mit unserem Support die Kraft, die sie gelassen hatten.

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Nur Ergebnisse sind alternativlos

Nägelkauend schauderte es mir vor dem, was ich sah, gleichermaßen angetan von dem, was ich hörte, diese bizarre Mischung bei gefühlten 50 Grad und 200% Luftfeuchtigkeit, so unecht, anstrengend und doch elektrisierend. Bitte lass es am Ende irgendwie reichen, bitte lass uns mit einem Sieg dieses Wochenende genießen, bitte lass uns in dem Glauben, dass wir Fans für den Funken und die letzte Kraft sorgen können. Bitte. Und dann pfiff er ab.

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Noch einmal gingen die Jubelfäuste nach oben, gleichermaßen vollgeschwitzte Menschen fielen sich in die Arme, jetzt machte es ja schließlich auch keinen Unterschied mehr, man triefte komplett. Spielerisch eine weitere weitgehend unterirdische Leistung, dessen dürften wir alle uns sicher sein. Ihren Applaus bekamen sie trotzdem, ja selbst vom dem lautstarken Bruddler zwei Meter von mir entfernt, der auf einmal seinen Daumen gehoben hatte, als die Mannschaft in unsere Richtung gelaufen kam.

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Vor den Blöcken B1 und B2 war ihre Reise noch nicht zu Ende, auf sie wartete eine Ehrenrunde durchs fast komplette Hardtwaldstadion, die VfBler waren überall gewesen. Es war knapp an jenem Tag, überden Ausgleich in der Nachspielzeit hätte man sich nicht beschweren dürfen. Vor einem Jahr applaudierten wir ihnen auch, mit einem gequälten Lächeln und den Worten, dass die Ergebnisse ja noch kommen würden. Man spielte attraktiv, aufbrausend, überlegend, doch ohne Punkte. Wenn uns eine spielerisch wenig attraktive, aber dafür erfolgreiche Spielweise in die erste Liga zurück bringt, war dann wirklich alles schlecht?

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Dieser Weg wird kein leichter sein

Sehr schnell hatten sich die Blöcke geleert, während ich ein weiteres Mal lange dageblieben war und mich mit meinen Freunden und Felix traditionell vom Ordnungsdienst nach draußen geleiten ließ. Schnell noch zur Toilette, kaltes Wasser über die Kopf geschüttet und mir einem Lächeln den Weg zum Parkplatz angetreten. An manchen Tagen stellst du fest, dass die Situationen, vor denen du die meiste Angst hattest (eben das Zweitligaspiel in Sandhausen), mitunter die meiste Freude bereiten können. Ein Stück näher am Ziel, das dennoch weit entfernt ist.

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Stillstand auf dem Parkplatz, nichts geht mehr. Ein mobiler Flutlichtmasten leuchtete den Schotterplatz aus, gefüllt von unzähligen Autos, Transportern, in der Ferne standen die ersten Busse abfahrbereit, doch ohne sich zu bewegen. Ein spontanes vfb-bilder.de-Fotografentreffen bei mittlerweile angenehm erträglichen Temperaturen, der verzweifelte Versuch einer Wassereinnahmeregulierung und ein zwei Kekse Prinzenrolle. Das reichte mir fürs erste, um glücklich zu sein.

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Wir sind angekommen in der zweiten Liga. Es wird einige Zeit noch brauchen, bis wir Fans uns an die Anstoßzeiten gewöhnt haben und auch die spielerische Härte der Zweitklassigkeit wird unserer noch keineswegs gefestigen Mannschaft noch gewaltig zusetzen, doch bleibt uns nur übrig, darauf zu hoffen, dass es am Ende irgendwie reicht. Seltsamerweise klingt das so wie die letzten Jahre, als man hoffte, es reicht. Und schon jetzt sehne ich nichts mehr herbei als einen guten Ausgang am 21. Mai 2017. Bis dahin wird es ein steiniger Weg, doch wenn wir stolpern, dürfen wir nie vergessen, dass wir immer einander haben. Immer.

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