Am gestrigen Tage habe ich feierlich meine 2. Saison in Angriff genommen. 1 Jahr ist vergangen, seit ich mein erstes Spiel gesehen habe, tolle Spiele, schlechte Spiele, aber immer mit 100% Leidenschaft dabei. Es wurde allerhöchste Zeit, dass es wieder los geht.
Die erste Station der neuen Saison 2008/2009 führte mich zur 1. Runde des DFB-Pokals in den hohen Norden nach Lüneburg, 55 Kilometer südöstlich von Hamburg. Gemeinsam mit meinem mittlerweile Stamm-Fahrer aus Grimma, der mir auf der Hinfahrt das “Du” angeboten hat (er ist immerhin auch nicht mehr der Jüngste) ging es Mittags los, das Wetter auf dem Weg dorthin verhieß schon nichts Gutes. Immer wieder regnete es, fast anderthalb Stunden ohne Unterlass. Den Wetterbericht kannte ich, hoffte nur inständig, das er nicht zu 100% zutrifft und uns zumindest für jene 90 Minuten – ich war optimistisch, das Spiel in 90 Minuten über die Bühne zu schaukeln – ein halbwegs gutes Wetter an jenem Sonntag Nachmittag bescheren würde.
Hochgradig nervös machte mich die Angst, zu spät anzukommen. Wohlwissend, das man mit Stehplatzkarten besser ganz früh im Stadion ist, kamen wir erst eine Dreiviertelstunde vor Anpfiff im Stadion Wilschenbruch in Lüneburg an, wo sich mir ein befürchtetes Bild bot: die richtigen Stehplätze waren schon total überfüllt, auch die Tribüne bot nicht mehr wirklich etwas gutes, so stellte ich mich auf den Zwischengang der Tribüne, selbstverständlich im Gästeblock, der gut gefüllt war mit “Kollegen”: Weiß und Rot wohin das Auge reicht (inklusive einem guten Dutzend gesichteten Gomez-Trikots innerhalb der ersten 10 Minuten im Stadion).
Auf dem Platz machten sich die Mannschaften bereits warm, welches ich gespannt beobachtete, auch um zu prüfen, wie clever es war, mich dorthin zu stellen, wo ich letztenendes den Rest des Spieles stand. Zum Geburtstag im Juni bekam ich von meinen Kollegen ein selbst bedrucktes Gomez-Shirt geschenkt, welches ich zu diesem Spiel das erste Mal trug. Auch wenn es kein Original-Trikot war, ich freute mich riesig über das weiße Polo-Shirt mit VfB-Wappen vorne drauf und einem Rückenaufdruck bestehend aus dem heiligen Namen Gomez, dem Aufdruck Stuttgart und der Zahl 33, wie sie genau so auf dem Trikot der letzten Saison war (diese Saison sehen die Rückenaufdrucke etwas anders aus).
Der Blick nach oben konnte mir nicht mehr anbieten als einen stark bedeckten Himmel, die Temperaturen waren noch angemessen. Es wird keinen gestört haben, der im Stadion war, und das waren nicht wenige. Ein ausverkauftes Stadion wird Lüneburg schon lange nicht mehr erlebt haben – und ich bin sicher: das werden sie so schnell auch nicht wieder. Beherzt genoss ich die Mannschaftsaufstellung, die wie mir scheint nicht dafür vorgesehen war, dass die Gästefans die Nachnamen zurufen, der Stadionsprecher sprach aber so langsam, das uns ja quasi nichts anderes übrig blieb.
Endlich konnte es losgehen! Als die Mannschaften den Rasen betraten, brach ein kollektiver Jubel von allen Seiten, nicht zuletzt von der weiß-roten Wand aus. Hunderte von Luftballons in den Farben Blau, Rot und Weiß erhoben sich in den von dunkel werdenden Wolken empor. Mit steigendem Puls wartete ich auf den Anpfiff, der mein erstes DFB-Pokal-Spiel einläuten sollte.
Selbstverständlich verfolgte ich per Ticker die DFB-Pokalspiele am Vortag, als unter anderem Werder Bremen und Borussia Mönchengladbach mit 9:3 und 8:1 siegten, demnach dürfte es bei uns ja nicht allzu lange dauern, bis ein Tor fällt. Und so war es dann auch – ich sah es ganz genau, auch wenn ich meinen Hals und meine Zehenspitzen dazu nach allen Regeln der Kunst verlängern musste. Auf der anderen Seite des Spielfelds köpfte Neuzugang Martin Lanig in einer flüssigen Bewegung nach einer Flanke von Neu-Kapitän Thomas Hitzlsperger zum 1:0 aus VfB-Sicht ein. So geht es gut los und kann, wenn es nach den Gästefans geht, die ganze Zeit so weitergehen.
Das Spiel wurde zum Selbstläufer, auch wenn Lüneburg schon so manche Chance hatte, was sich in lauter werdenen Applaus wiederspiegelte, der immer energischer wurde, je näher die Lüneburger in Richtung des sonst relativ arbeitslosen Neuzugangs Jens Lehmann kamen. Nach einer aus meiner Sicht ewig wirkender Pause von 15 torlosen Minuten zappelte der Ball in der 27. Minute wieder im Netz der Lüneburger, Roberto Hilbert traf.
Vom Hocker gerissen hat mich die 1. Halbzeit keinesfalls. 2:0 führen ist okay, ich glaubte auch nicht, das wir uns das wieder wegnehmen lassen konnten, aber eines oder vielmehr einer machte mir zusehendst Sorgen. Mein Mario vergab fast ein halbes Dutzend hochkarätiger Chancen. Böse Zungen sagten: War da nicht irgendwas mit Deutschland gegen Österreich? Doch was tut der treue Fan? Er glaubt an seine Spieler, an seine Mannschaft, die einem in die Wiege gelegt worden ist oder – wie in meinem Fall – man sie sich auserkoren hat, aus Gründen, die so oft hochgezogene Augenbrauen hervorgerufen haben und so oft ein Schmunzeln verursachten. Es ist nun dennoch MEINE Mannschaft. Und ich glaube. Und in diesem Moment glaube ich an weitere Tore, unter anderem von den bisher etwas unglücklichen Mario.
Ich wünschte mir eine gute, bessere 2. Halbzeit – und wurde belohnt. Während ich weiter meine Fotos schoss, was nun erheblich einfacher war, spielte der VfB ja nun schließlich auf das andere Tor genau vor meinen Augen. Clevere Spielzüge, kurze Pässe und gute Chancen, die zumeist lediglich an einer aufopferungsvoll kämpfenden Lüneburger Mannschaft scheiterten, kompensierten auch das Gefühl: “Wann fällt endlich das nächste Tor?”.
Das Warten und Hoffen lohnte sich. Eine Stunde hat es gedauert, bis der Ball den Weg von seinem Fuß endlich im Tornetz beendete: Mario markierte in der 57. und 78. Minute das 3:0 und 4:0. Balsam für seine geschundene Seele, ein dankbares Bonbon für die zahlreich mitgereisten Fans aus ganz Deutschland – und nicht zuletzt Grund für mein erneutes Dauergrinsen. Er kann es also doch noch, der Mario.
Gerne hätte ich noch mehr Tore gesehen, aber die Erkenntnisse aus dem Spiel genügen für einen beruhigten Start in die neue Bundesliga-Spielzeit, welche am kommenden Wochenende startet. Das letzte Tor fiel in der 83. Minute, es schienen nicht wenige davon auszugehen, dass es unser Serdar Tasci, der diesjährige Nationalmannschafts-Aspirant, erzielt hat. Auf meinen Fotos dokumentierte ich sein fröhliches Lachen, als er von Thomas Hitzlsperger und Manuel Fischer geherzt wurde. Es stellte sich allerdings als Eigentor heraus, der Lüneburger tippte den Ball unter Bedrängnis von einem nahezu an ihm klebenden Serdar Tasci über die Linie, womit auch der junge Lüneburger Keeper nicht gerechnet hatte. Ein Eigentor zum 5:0 wollte er sicherlich nicht über sich ergehen lassen.
Leider verschwand die Mannschaft nach dem prächtig gefeierten Schlusspfiff in der Kabine, ohne noch einmal zu den Fans zu kommen. Ich verzeihe es ihnen, denn sämtliche Lüneburger Zuschauer stürmten sofort das Spielfeld, ich befürchtete zunächst einen Tumult, etwas derartiges hatte ich bisher nämlich auch noch nicht erlebt. Gern hätte ich den Jungs noch einmal auf wieder gesehen gesagt. Nicht zuletzt wegen meinem im Kopf bereits durchgespielten Szenario, Mario am Zaun um ein Autogramm zu bitten, natürlich auf schon bereiteten Fotos von ihm. Vorbereitung ist alles.
Jonas, ein Bekannter und guter Freund aus dem Fußballforum, der die ganze Zeit auf einem der Stehplätze direkt rings um das Spielfeld äußerst sichtbehindert verharrte, kam nach dem Spiel zum Gästeblock gedackelt, wo ich ihn herzlich begrüßte. Viel Zeit zum Plaudern hatten wir nicht, ihm stand eine 7-stündige Autofahrt zurück nach Hause ins Schwabenland bevor. Und auch mein Fahrer, den ich nun offiziell duzen durfte, wollte langsam los. So war gerade noch Zeit für ein letztes Panoramafoto vom Stadion und auf ging es zu einer langen Autofahrt zurück nach Leipzig.
Meine Premiere im DFB-Pokal, ein positives wenn auch nicht überschwängliches Fazit. Es hätte auch anders kommen können, bin aber derart froh über die vielen Tore, über die Tatsache, das Mario wieder getroffen hat und ich mich nun wieder der Gewissheit hingeben kann: Ich bin komplett fußballverrückt. Welches Mädel fährt in ihrer zweiten Saison als Fan eines Vereins hunderte von Kilometern für ein Spiel, das man sowieso gewinnen musste. Antwort: eines, das für ihre Hobbies bis ans Ende der Welt gehen würde – denn Begeisterung ist alles.
33 Jahre, gebürtig aus Leipzig, seit 2010 wohnhaft in Stuttgart – Bad Cannstatt. Dauerkartenbesitzerin, Mitglied, ehemalige (Fast-)Allesfahrerin und Fotografin für vfb-bilder.de. Aus Liebe zum VfB Stuttgart berichte ich hier von meinen Erlebnissen – im Stadion und Abseits davon.
Mehr über mich
Neueste Kommentare