Langsam und bedächtig lief ich umher, meine Hand streifte über Wände und Türen, ehrfürchtig schaute ich mich um. Kaum einen Ort kenne ich besser als diesen hier, und doch war es so anders, so merkwürdig, so beeindruckend. Gedankenverloren stand ich am Anstoßpunkt im Neckarstadion, starrte auf die vollkommen leere Cannstatter Kurve vor mir, schloss die Augen und atmete tief durch.

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Was sich anhört, wie ein bedeutungsträchtiger Traum, war gar keiner. Am vergangenen Freitag betrat ich das Stadion und stand für den SWR vor der Kamera, ein befremdliches und aufregendes Gefühl für jemanden, der eher hinter der Kamera steht und die Welt durch eine Linse sieht. Vermittelt von meinem besten Freund kam schließlich der SWR auf mich zu, man brauche noch einen weiblichen VfB-Fan, der eine interessante Geschichte zu erzählen hat.

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Aus Angst, es zu vermasseln, wollte ich es eigentlich nicht machen, doch das Wissen, wieviele Jahre meines Lebens ich mich wegen einer Absage geärgert hätte, ließ mich für einen Moment die Angst vergessen und willigte ein, für ein paar Minuten meine Geschichte zu erzählen, das alles für die VfB-Dokumentation “Fußballfieber im Südwesten”, die am 12. Oktober um 20:15 Uhr auf dem SWR ausgestrahlt wird.

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Drehtermin für Kurzentschlossene

Lange Zeit zum Grübeln hatte ich nicht – auf der einen Seite vielleicht ganz gut, sonst hätte ich mich vermutlich im Vorfeld nur irrsinnig verrückt gemacht und hätte zu viel Zeit zum Nachdenken gehabt; auf der anderen Seite bedaure ich diese Tatsache, sickerte doch noch im Laufe des Abends die altbekannte Panik durch, sich womöglich nicht ganz von der Besten Seite gezeigt zu haben.

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Am Donnerstag Mittag erreichte mich der Anruf von SWR-Reporter Jens Ottmann: „Hast du morgen Zeit?“ Oh Gott. Schon morgen? Einen Rückzieher wollte ich nicht machen, auch wenn mich bereits 24 Stunden zuvor die Panik ergriff und ich mir die erwartete Frage „Was soll ich denn erzählen?“ eine nahezu schlaflose Nacht bereitete. Sieben Jahre rauschten an meinem inneren Auge vorbei, als die Uhr gegenüber des Bettes eine Stunde nach der anderen verstreichen ließ.

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Der Tag der Wahrheit war schnell gekommen, ein Blick in den Kleiderschrank und ich breitete fünf VfB-Oberteile vor mir aus – „Ich hab nichts zum Anziehen!“. All meine Gedanken waren nur beim anstehenden Drehtermin, voller Sorge, es zu verpatzen, aber auch voller Vorfreude auf Etwas, von dem man nicht weiß, wie es wird. Der vereinbarte Treffpunkt wahrte stundenlang meine Gänsehaut: Neckarstadion.

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Emotionale Momente

Ein Home-Video, sozusagen. Direkt vom Büro aus brach ich auf in Richtung Treffpunkt vor der Haupttribüne, wo mich ein nettes Team aus Reportern, Kameraleuten sowie Ton- und Licht-Assistenten bereits erwartet hatte. Nach meinem „Hallo“ folgte sogleich ein offenes und ehrliches „Ich bin so nervös!“ – alles andere wäre schlicht gelogen gewesen. „Musst du gar nicht“ versuchte man mein rasendes Herz zu beruhigen.

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Kopf hoch, Bauch rein, mutig sein und es einfach auf mich zukommen lassen. Erste Amtshandlung: der Gang in die VfB-Kabine. Wie war das nochmal, ich solle nicht nervös sein? Langsam lief ich den Gang entlang, links und rechts von mir zahlreiche große Fotos vergangener Tage mit unzähligen Choreographien aus der Cannstatter Kurve. Emotional zu sein musste hier nicht künstlich aufgesetzt werden.

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Ganz neu war das Gefühl ja nicht, in der Kabine zu stehen, bei einem Gewinnspiel für über den VfB zueinander geführten Pärchen gewannen wir eine Stadionführung zum Neckarpark-Fest im September 2011. Seither haben wir zahlreiche Höhen und Tiefen mit dem Verein erlebt, das alles war für einen Moment vergessen, als ich die Trikots mit dem Traditionswappen an ihren Plätzen hängen sah, wieder ergänzt von Fotos, die jene Kurve zeigten, die in jedem Spiel hinter ihnen steht.

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„Wie wird man als Leipzigerin zum VfB-Fan?“

Keine Frage hörte ich öfter als diese. Doch was habe ich geantwortet? Mein Herz raste und mir schossen tausende Gedanken durch den Kopf, vor meinem inneren Auge zog alles vorbei: die WM 2006, die Länderspiele, das erste Auswärtsspiel in Berlin, das erste Heimspiel gegen Hamburg, die erste internationale Reise nach Timisoara, die erste Dauerkarte, die Liebe von Barcelona und der Umzug nach Stuttgart. Was kam aus meinem Mund heraus? Ich befürchte, nur unverständliches Gebrabbel.

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Viele Fragen wurden mir gestellt, Stunden und Tage später stellte ich erst fest, wie gerne ich die eine oder andere von Ihnen vielleicht doch lieber anders beantwortet hätte. Ich mache das gut, sagten mir die Herrschaften, die beim Dreh dabei waren, allesamt sehr freundlich und professionell. Von der Kabine ging es hinaus aufs Feld, durch den Spielertunnel hindurch, direkt auf den Rasen, ungeachtet des „Rasen nicht betreten!“-Schildes.

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Ich kniete mich hin, fühlte die Grashalme zwischen meinen Fingern und lief schließlich langsam weiter bis zum Anstoßpunkt. Magie. Emotion. Anspannung. Da stand ich nun und schaute auf die Kurve vor mir, still schweigend lag sie vor mir und wartete nur darauf, dass wir sie in zwei Wochen wieder mit Leben füllen und aufs Neue hoffen, der VfB würde jenes Spielfeld aus Sieger verlassen, nicht nur für die Tabelle, sondern auch für uns Fans, die wir stets alles geben und auch mal zurückstecken, mehr als uns manchmal lieb ist.

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Zuhause ist, wo das Herz ist

Eine der vielen Fragen an diesem emotionalen Freitagabend war jene, ob es irgendeinen Ort im gesamten Stadion gäbe, wo ich am liebsten interviewt werden möchte. Verschmitzt grinste ich den Kameramann an, nickte und schaute in Richtung Kurve. Zuhause ist es am Schönsten. Kurze Zeit später nahm ich meinen gewohnten Platz ein, unten am ersten Wellenbrecher, dort, wo ich immer stehe, wenn der VfB zum Heimspiel lädt.

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Nach anderthalb Stunden und zahlreichen Fotos, die ich freundlicherweise noch machen durfte, war das Material im Kasten. Im Nachgang wünschte ich mir, man hätte die eine oder andere Szene vielleicht doppelt und dreifach gedreht, nur um sicher zu gehen, dass es auch wirklich gut wird. Schließlich willige ich ja auch nicht jeden Tag ein, mich vor der Kamera zu zeigen, vor einer Bewegtbildkamera erst recht.

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Die letzten Momente in meinem Heimstadion, im verflixten siebten Jahr, seit ich zu dem Verein fand und ihn seither nicht missen möchte. Noch einmal schaute ich mir alles an, prägte mir so viel wie möglich ein, denn so eine Möglichkeit werde ich wahrscheinlich nie wieder haben. Umso mehr grüble ich seitdem, ob das, was am Ende rauskommt, tatsächlich „Ich“ bin.

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Hoffentlich wird’s toll

Ich werde darauf vertrauen müssen, dass Jens Ottmann und Co. ihre Aussage, ich sei super und die ideale Besetzung für die einzige weibliche Rolle in einer 45-minüten Doku gewesen, ernst gemeint hatten und sie das wirklich so gemeint hatten. Die Jungs sind Profis und wissen, was sie tun. Die Sorge davor, es vermasselt zu haben, wird mir keiner nehmen können, ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis.

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Freundlicherweise wurde ich noch ein Stück Richtung Wohnung gefahren, auf dem Beifahrersitz des SWR-Transporters. Das ist ja ein Service! Nur langsam sickerte die Erkenntnis durch, wie krass und emotional dieser Moment für mich war, das merkten auch die Herrschaften zu Beginn des Drehs. Ich vertraue darauf, dass das Drehteam ihre Arbeit gut macht und ich ihnen – und allen anderen, die am 12. Oktober diese Dokumentation sehen – im Gedächtnis bleibe, als eine, die der Liebe wegen nach Stuttgart kam, in mehr als einem Sinne.

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Wer mich also im Fernsehen sehen möchte, schaltet ein:

„Fußballfieber im Südwesten“
am 12. Oktober um 20:15 Uhr auf SWR

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