Ein Alptraum. Schon nach dem 0:1 war der Tag für mich gelaufen, denn mein größter Alptraum war bereits wahr geworden. Eine halbe Stunde lang kämpften sie, rackerten sie und taten alles, um das 0:1 nicht zustande kommen zu lassen. Es nützte nichts. Die Niederlage nahm dennoch ihren Lauf und wurde dabei mit jedem Gegentor mehr zu einem Stich ins Herz.
Wieder eines dieser Spiele, von denen ich hoffe, sie werden sehr schnell Opfer meiner Verdrängung. Nachdem die Jungs 31 Minuten Paroli bieten konnten, war es dann geschehen: das Führungstor der Gäste, das bei bisher jedem Spiel in dieser Saison bedeutete, dass der VfB dieses Spiel nicht mehr gewinnen konnte. Eine beunruhigende Tatsache, erst recht, wenn man einen gewissen Grad an Aberglaube sein Eigen nennt.
Direkt vor meiner Nase, mitten ins Herz. Das 0:1, und ausgerechnet von ihm. Mario Gomez, der im Mai 2009 den VfB verließ um sich den Status als Stammspieler sowie als Heldenfigur ein für alle Male zu versauen. Jener, der schon nach 2 Wochen in München laut posaunt hatte, er wäre da, wo er immer sein wollte. Wo ihm früher die Herzen der VfB-Fans zuflogen, gebührt ihm jetzt nur eines, und das zurecht: die blanke Abneigung.
Starr vor Schreck stellte ich erstmal den Support völlig ein. Schnell folgten die Gegentore 2 und 3, bis der Halbzeitpfiff ertönte. Eine Abhandlung im Schnellverfahren. Was war da nur los? Eine starke halbe Stunde und es genügen 3 Aktionen, um zu 3 Gegentoren zu führen. Das ist nicht nur ziemlich böld, sondern auch eine Demütigung sondergleichen. Ich brauchte Trost, und zwar jede Menge davon.
In der 49. Minute keimte noch einmal kurz die Hoffnung auf, als Martin Harnik auf 1:3 verkürzte. Christoph neben mir jubelte nicht, er wird geahnt haben, wieso. Keine 3 Minuten später war es erneut Mario Gomez, der das 1:4 erzielte, als wäre es das einfachste der Welt. Dass noch 40 Minuten zu spielen waren, tröstete einen auch nicht unbedingt, im Gegenteil. Es schürte die Sorge vor dem, was da sonst noch kommen würde. Auflösungserscheinungen wurden sichtbar, die Angst vorm Versagen ebenfalls.
Aus Rücksichtnahme auf meine nervlichen Stabilität verzichtete ich darauf, mir das Spiel und/oder die Highlights auf vfbtv anzuschauen. Ich kann es einfach nicht. Es gab wahrlich schon bessere Zeiten als diese hier, doch wann, ja wann kommen diese wieder? Es ging um den blanken Abstiegskampf, doch das, was wir da auf dem Feld sahen, war allenfalls ein Debakel, als hätte die Mannschaft den Ernst der Situation noch nicht begriffen.
Wie in alten Zeiten schien der „Verräter“ Spaß daran gefunden zu haben, im Neckarstadion Tore zu schießen. Wo er beim 0:1 nur dezent gejubelt hatte, war sein Vorhaben der Respektsbekundung beim 1:4 schon längst vergessen. Als Grund gab er später den ebenso fehlenden Respekt der VfB-Fans an und jubelte danach umso mehr. Auch beim 1:5, das er nur 2 Minuten später erzielte. Ein Dreierpack gegen seinen alten Klub, und alles was ihm einfällt, ist: „Ich wollte eigentlich aus Respekt nicht jubeln, aber mir wurde auch keiner entgegen gebracht, also habe ich gejubelt“ – bitte was? Wofür will er denn bitte Respekt von uns ernten?
Mit letzter Kraft stemmte sich die Mannschaft noch gegen die mehr als offensichtliche Klatsche. In der 64. und 70. Minute gelangen noch die Anschlusstreffer zum 3:5 durch Martin Harnik und Christian Gentner, und wenn unser Sturm in den letzten 20 Minuten so effektiv wäre, wie wir es uns wünschen würden, wäre auch ein 5:5 durchaus im Rahmen des Denkbaren gewesen. Aber alles, was wir bekamen, war diese Demütigung. Überrannt, im eigenen Stadion.
Im Gegensatz zu letzter Saison, als der späte Ausgleich gegen Bochum das Fass zum Überlaufen brachte und ich den Aufstand vor den Türen des Stadions noch selbst miterlebte, war ich diesmal schon längst über alle Berge. Von Weitem hörte ich noch laute Parolen, doch drehte ich mich nicht um. Mehrere Hundert Anhänger protestierten erneut gegen die planlose Vereinsführung.
Ja, es gab Zeiten, die schöner waren. Zweifelsohne sind diese Monate die härtesten, die die etwas Jüngeren VfB-Fans erleben. Niemand vermag eine genaue Prognose zu geben, wo der VfB am Ende des 34. Spieltags stehen wird. Fest steht nur eines: bekommen die Herren ihren Allerwertesten nicht hoch und geben alles in der Rückrunde, so wird der 2. Abstieg der Vereinsgeschichte kaum zu verhindern sein.
33 Jahre, gebürtig aus Leipzig, seit 2010 wohnhaft in Stuttgart – Bad Cannstatt. Dauerkartenbesitzerin, Mitglied, ehemalige (Fast-)Allesfahrerin und Fotografin für vfb-bilder.de. Aus Liebe zum VfB Stuttgart berichte ich hier von meinen Erlebnissen – im Stadion und Abseits davon.
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