Fünf Siege in Folge. Souveräne Mannschaftsleistung. Positiver Teamspirit. Motivierter Trainer. Enthusiastische Fans. Immernoch Tabellenführer. Es gab schon schlechtere Zeiten als VfB-Fan. Lange nach Abpfiff stand ich noch auf meiner Betonstufe am ersten Wellenbrecher des Blocks 33, öffnete den Knoten meiner Jacke, die ich darum gebunden hatte und machte mich milde lächelnd auf den Weg nach nach draußen. Ein Lächeln, dass davon zeugt, wie sehr ich versuche, jeden einzelnen Moment in mich aufzusagen, im Bestreben, alles zu konservieren, als sei es für schlechte Zeiten gedacht. Ein Körnchen Wahrheit mag durchaus dabei sein – denn so sehr ich die aktuelle Zeit genieße, zurücklehnen kann und will ich mich nicht. Das sollte keiner von uns.
Vor gar nicht allzu langer Zeit waren all meine Gedanken noch ganz weit weg. Zerfressen von Skepsis stellte ich alles in Frage, was die sportlichen und mentalen Fähigkeit dieser Mannschaft angeht, zweifelte an der Wahrscheinlichkeit, mit dieser Truppe direkt wieder aufzusteigen und vor allem zweifelte ich an mir und an meiner Fähigkeit, wenigstens einmal nach vielen frustrierenden Jahren das Positive zu sehen. Nicht, dass letzteres nun signifikant anders wäre, aber ich bekomme eine leise Vorstellung davon, wie es ist, ein Stück Hoffnung zurückgewonnen zu haben.
„Na wenn selbst Ute das Positive sieht, dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen“ – oft gehört, oft belächelt, aber deswegen nicht weniger oft geglaubt. Ich polarisiere, bin äußerst streitbar in Bezug auf den VfB und wünsche mir dabei aber nichts sehnlicher als genau das, was wir in diesen Tagen erleben dürfen: Zusammenhalt, Hoffnung, Leidenschaft, und sei es nur in der zweiten Liga. Nicht, dass ich mich vor gut einem Jahr nicht ähnlich gefühlt habe, doch ich bin gespannt auf das, was da noch kommt. Zu viele Spiele stehen uns noch bevor, um schon Voraussagen treffen zu können, das dürfte uns allen hinlänglich bewusst sein. Auf der anderen Seite, wer sagt denn, dass es nicht genauso (weitgehend) erfolgreich weitergehen kann wie bisher? Genau. Ich.
Der Feind in meinem Kopf
Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich würde es nicht genießen. Und wie ich das tue, denn zum ersten Mal seit Jahren darf man berechtigterweise hoffen, dass sich der VfB tatsächlich auf einem richtigen Weg befindet, nachdem er immer wieder erst in der Sackgasse merkte, dass er vor drei Straßen falsch abgebogen war und die Zeichen der Zeit nicht früh genug erkannt hatte. Niemand wird mit Gewissheit sagen können, wie es in den nächsten Wochen weiter geht, wer weiß, vielleicht bringt uns eine 0:2-Niederlage gegen Braunschweig wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Beschreien will ich es nicht, doch es wäre die wohl größte und schwerste Hürde für mich, damit umzugehen.
Für gewöhnlich schweigt mein ungutes Bauchgefühl niemals, lange Zeit dachte ich, es würde mich nie im Stich lassen. Doch wie oft hatte ich in den letzten Wochen das Gefühl, eines der Spiele würde mächtig in die Hose gehen? Nun sitze ich hier, einige Tage sind seit dem Heimspiel gegen Kaiserslautern schon vergangen. Fünf Spiele, fünf Siege, fünf mal unbändiger Jubel, fünf mal Hoffnung auf bessere Zeiten und auch fünf mal die Angst, dass alles im nächsten Spiel schon wieder vorbei ist.
Mit diesen Grübeleien und Schwarzmalereien tue ich mir gewiss keinen Gefallen, es wird mich aufreiben und mich noch mehr Nerven kosten. Der Weg zur Gelassenheit ist allerdings unheimlich lang und steinig. Und eben weil ich streitbar bin, stehe ich damit oft ganz alleine. Ausgesucht habe ich mir diese Denkweise nicht, sie will mich nur vor Enttäuschungen bewahren – und davon gab es in den letzten Jahren immerhin eine jede Menge. Warum also nicht die schöne Zeit genießen, das beste hoffen und weiter von dem 21. Mai träumen, wenn um 15:20 Uhr das Spielfeld geentert wird? Weil es rechnerisch genauso schief gehen kann. Auch, wenn euch dieser Gedanke nicht gefällt.
Grausame Erinnerungen
Sechs Spiele lang war der VfB ungeschlagen, darunter fünf Siege am Stück, bevor einem harmlosen Remis auf Schalke der unscheinbare Genickbruch gegen Hannover folgte. Am Ende abgestiegen als Tabellenvorletzter ist dieser Umstand bis heute noch Grund für viele Grübeleien und Zweifel daran, ob es am Ende alles gut wird, oder eben nicht. Sicher ist die damalige Situation mit dem Kader und dem Trainerteam nicht wirklich zu vergleichen, mit den Gegner in der Liga ohnehin nicht, aber so ganz habe ich es bis heute nicht verstanden: wie konnte es sein, dass man trotz dieser fulminanten Zeit im Frühjahr dennoch direkt absteigt?
Vielleicht täte ich gut daran, die Vergangenheit ruhen zu lassen, mit dem Abstieg abzuschließen und mich auf das zu konzentrieren, was wir dieser Tage erleben dürfen, denn war es nicht sogar der Abstieg, der am Ende die wichtigste Komponente war, um alles in rechte Bahnen zu lenken? Vielleicht täten aber auch andere gut daran, nicht zu vergessen, was vor gut einem Jahr passiert war. Sicher, wie könnte man das jemals so ganz vergessen. Das Bewusstsein dafür zu bewahren, dass nicht alles, was gestern noch gut lief, auch morgen gut laufen muss, ist für die nächsten Wochen vielleicht nicht ganz unwichtig.
Sich heute schon die Sorgen um Morgen zu machen, kann schlimmstenfalls in einem ewigen Gedankenkarussell enden. Das dachte ich mir bereits am frühen Mittag, als ich auf dem Vorplatz vor dem Stadion stand, viele Leute um mich herum wuselten und ich still dastand, den Blick auf mein Smartphone gerichtet. Einmal atmete ich tief durch, steckte das Handy weg und machte mich auf den selben Weg zum Eingang, die selben Körper- und Taschenkontrollen, das selbe lächelnde Gesicht der älteren Dame, die uns hinter den Kartenscannern begrüßt, die selben Treppenstufen, der selbe verliebte Blick ins Stadion. Routine, aber doch irgendwie anders.
Am Ende zählen nur die Punkte
Es war zu erwarten, dass sich viele Lautrer auf den Weg nach Stuttgart gemacht haben, nachdem es ja noch immer in einigen Kreisen eine aktive Fanfreundschaft mit dem FCK gibt, die Entfernung mit knapp 160 Kilometern überschaubar ist und vielleicht als Revange für die Invasion der VfB-Fans, die beim Hinspiel kaum Grenzen kannte. Der Gästeblock war voll, vermutlich auch in den Blöcken daneben, so genau konnte man das aufgrund geteilter Vereinsfarben nicht definieren. Ich wusste nur eins, dass ich gerne darauf verzichten wollte, anhand von Jubelgesten zu sehen, wieviele sich unters heimische Volk gemischt haben.
Warm sollte es werden, hieß es zumindest im Wetterbericht. So ganz sah das noch nicht danach aus, die Sonne kam kaum durch die Wolkendecke, es windete unangenehm, auch wenn es nicht besonders kalt war. Auf die Jacke verzichtete ich dann doch, band sie um den Wellenbrecher und schwätzte wie immer mit meinen Freunden und Bekannten. Irgendwann wird auch mal wieder eine Niederlage des VfB kommen, die Frage stellte sich nur, wann dies der Fall sein wird. Ausgerechnet zuhause, wo man bislang nur zwei Heimspiele vergeigt hat (diese dann aber dafür richtig!)? Oder nächste Woche in Braunschweig? Ich sollte mir nicht so viele Gedanken machen. Schon klar.
Mittlerweile ist uns egal, wie der VfB seine Spiele gewinnt, solange er sie nur gewinnt. Manche waren glücklich, manche waren kämpferisch, manche waren komplett unverdient und nur wenige waren wirklich souverän. Am Ende sind es dann aber die Punkte, die zählen – oder muss ich euch daran erinnern, wie forsch und dominant man zu Beginn der letzten Saison die Heimspiele gegen Köln und Frankfurt anging? Natürlich muss ich niemanden daran erinnern, wir wissen alle noch, was passiert ist, und wie es endete.
„Diszipliniert“ ist das neue Langweilig
Die schwerste Hürde für unsere Mannschaft würde sein, die Pfälzer Abwehr zu knacken, erst 20 Gegentore in 21 Spielen, fünf Treffer weniger, als Mitch Langerak hinnehmen musste, das ganze bei 18 Punkten und 12 Tabellenplätzen Unterschied. Es würde mir egal sein, solange zumindest das eine Tor fällt, das dem VfB zu den nächsten drei Punkten im Aufstiegsrennen verhilft, denn obwohl Hannover am Tag zuvor Punkte gelassen hat, sie hängen uns noch immer im Nacken. Anzunehmen, dass wenn gegen Kaiserslautern Tore fallen, es vermutlich nicht viele sind und es schwer werden wird, diese zu machen. Zumindest was das angeht sollte ich Recht behalten.
Daran dass Mittagszeit Fußballzeit ist, konnte sich bislang noch keiner von uns gewöhnen, ein Umstand, den wir auch gerne im Mai hinter uns lassen wollen. Ein wenig schläfrig kam die Kurve daher, als der Unparteiische Sven Jablonski das Spiel freigegeben hatte. Konnte ich zwar keine besonders große Lautstärke der Kurve vernehmen, dafür verstand ich unsere Vorschreier auf dem Podest an diesem Mittag umso besser, die Lautsprecher am Übergang von Block 34 zu 33 funktionierten erstmals seit gefühlten Jahren. Das konnte die meisten jedoch trotzdem nicht aus dem Mittagsschlaf erwecken.
Als furiosen Auftakt konnte man die ersten 20 Minuten der Partie nur schwerlich bezeichnen, da kam relativ wenig produktives, sowohl auf dem Platz als auch auf den Rängen, ein Umstand, an dem man bereits arbeitet, wie in dem traditionell ausgegebenen Cannstatter Blättle zu lesen war. Selbst im Ticker war anscheinend zu lesen, dass sich in der ersten Hälfte der ersten Halbzeit das Geschehen weitgehend im Mittelfeld abspielte, ein Eindruck, der soweit stimmte und mich mehr der Kurve widmen ließ. Etwas mehr Zielwasser bei Josip Brekalo, etwas weniger Rücklage bei Takuma Asano, vielleicht hätte man den Dosenöffner früher finden können.
Ein zähes Geduldsspiel
Bisher stand die Defensive in der ersten Halbzeit ziemlich gut, auf der anderen Seite waren für Simon Terodde und Co. kein wirkliches Durchkommen zu verzeichnen. Das einzige, was mir für einen Moment wirklich Sorgen bereitete, war das blutverschmierte Trikot unseres angehenden Torschützenkönigs – bei einem Kopfball in der Luft stieß er mit dem Kopf eines Lautrer zusammen, eine Verletzung mit Folgen für ihn, aber auch nicht ohne Folgen für unsere zahlreich erschienenen Gäste aus der Pfalz.
Was für ein zähes Spiel, sie kamen einfach nicht hindurch, beobachtet von einer Kurve, die gefühlt ein wenig ungeduldig wurde. Wer will es uns denn auch verdenken, schließlich schläft die Konkurrenz nicht und das Polster sollte bis zu den letzten beiden Spieltagen schon noch ausreichend groß sein, um es nicht wieder Paderborn-mäßig auf die letzte entscheidende Partie ankommen zu lassen. Ich schreibe diese Worte und schon ist sie wieder da, die Gänsehaut, die ich seit jenem schicksalhaften Tag im Mai vor zwei Jahren nie vergessen habe – was aber nicht bedeutet, dass ich diese Erinnerung nicht gerne durch eine noch schönere überholen lassen möchte.
Verwöhnt von der schnellen Wucht unserer derzeitigen Offensive waren wir es nun schon lange nicht mehr gewohnt, so lange auf die Folter gespannt zu werden. Eine gute Stunde dauerte es, bis ich die Jubelhand erhob und alle Hände voll zu tun hatte, sowohl meiner eigenen Freude als auch der Fotos gleichermaßen gerecht zu werden. Vor der Cannstatter Kurve sehe ich für gewöhnlich nur selten, wie sich der Ball auf den Weg ins Netz macht, ausschlaggebend war wie so häufig die Reaktion der anderen.
Eat. Sleep. Insua-Flanke. Terodde-Tor. Repeat.
Wer konnte das Tor denn schießen außer unser Simon Terodde? Und wer konnte dafür besser auflegen als Emiliano Insua? „Eat. Sleep. Insua-Flanke. Terodde-Tor. Repeat.“, das Shirt dazu könnt ihr euch hier bei Kick-S bestellen, die Erlöse gehen komplett an die Aktion VfB Fairplay. Zehn Minuten später war die Partie für ihn vorbei. Der besondere Treppenwitz der Geschichte: zu diesem Zeitpunkt war das Nasenbein unseres Stürmers gebrochen und wie es der Zufall so wollte, servierte man ihm den Ball auf den Fuß. Artisitisch wie eh und je, da will mal noch einer sagen, unser Team sei nicht eingespielt.
So sehr sie uns diesmal auch warten ließen, so ganz überraschend fiel das Tor dann aber auch nicht. Mit mehr Zug zum gegnerischen Strafraum und mit einer entsprechenden Wut im Bauch, nachdem alle Versuche davor fehlgeschlagen hatten. In solchen Momenten schwingt ein gewisser Stolz auf meine Mannschaft mit, wenngleich ich nicht verheimlichen will, dass jede komfortable Ausgangsposition an der Tabellenspitze schneller vorbei sein kann, als einem lieb ist. Wollen wir das mal nicht hoffen.
Die Stimmung wurde etwas besser, doch zu neuen Sphären wird man sich vielleicht erst aufschwingen können, wenn der KSC zum Derby anreist. Der VfB machte das unterdessen gut, ließ wenig bis gar nichts zu, auch wenn sich das bei einer nervös machenden Führung von nur einem einzigen Tor im Stadion selbst ein wenig anders anfühlte. Hinten stabil und vorne geduldig und fleißig, ganz anders als so manches andere Bundesliga-Jahr, das hinter uns liegt. Und dennoch ist da die immerwährende Sorge: was, wenn dem Gegner ein einziger Torschuss reicht?
Deckel drauf
Gut zehn Minuten noch, die Schlussphase hatte bereits begonnen. Ohne jede Frage, ich hätte es ihm in diesem Augenblick so unglaublich gegönnt, wenn er getroffen hätte, so wie ich es ihm jedes Mal gönne, wenn er ein paar Minuten auf dem Platz stehen darf. Noch muss sich Daniel Ginczek in Geduld üben, doch wehe den Gegnern, wenn sowohl er als auch Simon Terodde gleichzeitig fit und gierig sind, nicht auszudenken, was dann los wäre. Und ja, ich bin mir dessen bewusst, dass die Saison noch ebenso lang ist wie es die Leidenszeit unseres Retters von 2015 war. Ich will nur sagen, dass ich darüber nachdenke. Und es ist ein schöner Gedanke, das muss ich zugeben.
Immernoch nur ein Tor Vorsprung. Ich schien gefühlt die Einzige zu sein, die… ach, lassen wir das, ich war bestimmt die Einzige. Mit dem zweiten Tor wäre vieles einfacher, nicht nur alle Ängste wären wie weggeblasen und würde Tür und Tor für eine weitere Runde des Meisterlieds öffnen, auch die Tordifferenz macht am Ende der Saison vielleicht doch noch etwas aus, und die ist momentan, vorsichtig gesagt, noch ausbaufähig. Für die letzten zehn Minuten kam Berkay Özcan ins Spiel und ein weiteres Mal offenbarte sich das feine Wechselgespür unseres Hannes Wolf.
Sträflichst hatten sie den Jungen alleine gelassen, ein kurzer Pass von Daniel Ginczek in den riesigen freien Raum vor dem Tor, ein kleiner Haken und perfekt war der endgültige Heimsieg. Nun konnte auch ich mich entspannen und genoss unheimlich diese wohlbekannten Klänge, die uns in den vergangenen Wochen sehr viel Freude bereitet haben. Es werden noch harte Wochen bis zum Mai, nicht zuletzt wegen des Montagsspiels gegen den direkten Konkurrenten aus Braunschweig. Wohlgesonnen, zufrieden und lächelnd liefen wir nach Hause – ohne zu Wissen, dass diese wunderbare Ruhe, die wir genießen durften, bald ein jähes Ende haben würde.
Wer keine Probleme hat, der macht sich welche
Wenige Stunden zuvor saß ich noch mit liebgewonnenen Freunden im Ackermanns, wir freuten uns über die jüngsten Erfolge, amüsierten uns über den KSC, der gerade mit 0:5 verloren hatte, genossen gutes Essen und Trinken, hatten Spaß und waren uns einig, dass wir diese Zeiten so lange genießen wollen, wie sie auch andern mögen. Gut zwei Stunden endete es fürs erste: was als „Kevin Großkreutz’ körperliche Auseinandersetzung“ am Stuttgarter Wilhelmsplatz begann, entwickelte sich im Lauf der Woche zu einer ekelhaften Presseschmiere, die keinerlei Anstand kannte.
War es zunächst der Twitter-Stammtisch am Montag, der mich davon abhielt, meine Gedanken zum Heimspiel gegen Kaiserslautern niederzuschreiben, gefolgt von einigen Überstunden und fehlender Zeit, wurde es zum Ende der Woche die mentale Unfähigkeit, einen klaren Gedanken zu fassen. Drei Seiten dieses Spielberichts sind entstanden, bevor sich der Verein gezwungen sah, drastische Mittel zu erfreifen. So drastisch, dass es uns nur eines vermuten lässt: dass mehr vorgefallen ist, als wir alle wissen. Bei dieser Geschichte gibt es nur Verlierer. Kevin Großkreutz, der den Boden unter den Füßen verloren hat. Der Verein, der mit dieser Entscheidung alles andere als glücklich sein dürfte. Und die Fans, die ihn für seine Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit geliebt haben.
Es steht mir nicht zu, zu beurteilen, was genau dazu führte, dass der VfB keinen anderen Ausweg gesehen haben muss. Ich kann nicht einschätzen, ob nicht eine Geldstrafe samt Suspendierung ausgereicht hätte für einen aufrichtigen Mann, der uns im Moment der größten Trauer die Treue bewiesen hat, im Gegensatz zu manch anderen Spielern, die das Weite gesucht haben. Ohne Frage, ein sportlich herber Verlust ist unsere Nummer 19 nicht. Und dennoch lässt er uns mit vielen Fragen und einer gewissen Leere zurück. Und wir können nichts anderes tun als die Hoffnung daran zu haben, dass uns die Unruhe, die jetzt herrscht, nicht den Aufstieg kostet.
Ein offener Brief an Kevin Großkreutz
Lieber Kevin,
du wirst diese Zeilen vermutlich niemals zu Gesicht bekommen. Du hast gerade ganz andere Dinge im Kopf, soviel ist sicher. Keiner von uns weiß genau, was in jener Nacht vorgefallen ist, die nun in derart unglücklichen Umständen enden mussten. In deinem Leben hast du die eine oder andere falsche Entscheidung getroffen – aber wer hat das nicht? Wir werden wohl nie erfahren, was vorgefallen war. Wir wissen nicht, welche Gerüchte wahr sind. Wir wissen nur, dass die Tränen, die du vergossen hast, ehrlich und wahrhaftig sind. Fassungslos saß ich gestern Mittag im Büro am Rechner, hatte Kopfhörer auf und verfolgte die Pressekonferenz, von der ich bis zum Schluss hoffte, sie würde nur deine Geldstrafe und Suspendierung publik machen. Uns steht nicht zu, darüber zu urteilen, ob es gerecht ist oder nicht, das wirst du selbst vermutlich am besten wissen. Keiner von uns wollte, dass es so endet. Wir wollten mit dir und 200.000 anderen Verrückten im Sommer den Aufstieg feiern und auch noch Jahre später mit Stolz behaupten, einen echten Typen in unseren Reihen gehabt zu haben. So viele Fragen werden unbeantwortet bleiben, so viele Dinge unerledigt. Ich wünsche dir von Herzen, dass du daran wächst, bei deiner kleinen Familie zur nötigen Ruhe kommst und du trotz allem positiv in die Zukunft blicken kannst. Wir werden dir nie vergessen können, dass du uns treu geblieben bist und ich hätte mir gewünscht, dass diese Geschichte anders ausgegangen wäre. Du warst immer ein aufrechter Typ. Du wirst auch ein weiteres Mal wieder aufstehen, da bin ich mir sicher.
Mit einem Kloß im Hals,
Ute
33 Jahre, gebürtig aus Leipzig, seit 2010 wohnhaft in Stuttgart – Bad Cannstatt. Dauerkartenbesitzerin, Mitglied, ehemalige (Fast-)Allesfahrerin und Fotografin für vfb-bilder.de. Aus Liebe zum VfB Stuttgart berichte ich hier von meinen Erlebnissen – im Stadion und Abseits davon.
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