Wenn es etwas gibt, das mir den letzten Nerv raubt, dann ist es jenes Gefühl der Unruhe, das mich ergreift, wenn ich an das Saisonfinale unseres VfB Stuttgart denke. Geben sich die meisten noch erstaunlich gelassen, werden doch Stimmen lauter und lauter, die Mannschaft müsse sich wieder auf das besinnen, was sie noch bis vor einigen Wochen ausgezeichnet hat. Ich will mich nicht darauf warten müssen, dass es am Ende irgendwie reicht. Ich will nicht nach Wolfsburg fahren müssen mit dem Gedanken, es ginge doch noch einmal um Alles. Ich will mich nicht fragen müssen, welcher der liegen gelassenen Punkte nun wirklich unser Schicksal besiegelt hat.

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Es mag die übliche Panik sein, stehen wir doch besser da, als manch andere Vereine, die die Abstiegskampf vollends im Griff hat. Noch. Der Zusatz des Wortes „noch“ beweist doch in Wirklichkeit, wie gefährlich unsere Situation wirklich ist, sei man nun Pessimist, Realist oder Optimist. Ich weigere mich zu glauben, dass die Punkte von alleine kommen, ohne dafür etwas zu tun. Ist es eine Frage der Mentalität, des Willens, der Leidenschaft? Ohne jede Frage haben wir in Darmstadt zu wenig davon gesehen, und so werden wir uns weiter fragen müssen, wo die Punkte denn nun herkommen sollen.

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Dieses beklemmende Gefühl, nicht zu wissen, wann, wo und vor allem wie das alles enden wird. Nach all den Jahren des kräftezehrenden Abstiegskampfes, der frustrierenden Lethargie und enttäuschender Willenlosigkeit haben wir es uns doch eigentlich verdient, einmal eine Saison ohne Angst und Schrecken verleben zu dürfen, und sofern das nicht reicht, zumindest die letzten Spieltage ohne die größte Anspannung verbringen zu dürfen. Wenn alles „wie erwartet“ läuft, landet der VfB im grauen Mittelfeld und rettet sich spätestens am vorletzten Spieltag. Doch was ist, wenn nicht?

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Was wäre, wenn…?

Was ist, wenn der VfB fortan alles verliert und die Konkurrenz, die aus immerhin mindestens acht Vereinen in der unteren Tabellenhälfte besteht, alles gewinnt? Was ist, wenn die Punkte nicht mehr nachgeholt werden, die in den letzten Wochen, doch in erster Linie in der Hinrunde sträflichst liegen gelassen worden? Was ist, wenn es auf das letzte entscheidende Spiel am letzten Spieltag in Wolfsburg ankommt, wo man bereits seit neun Jahren auf einen Punktgewinn wartet? Mir wird zu oft nachgesagt, ich denke über Probleme nach, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal existieren. Aber ist es wirklich so, dass ich eine Gefahr sehe, die für viele ganz weit weg scheint?

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Wenn alles gut geht, werden mir Freunde und Bekannte am vorletzten Spieltag nach dem sicheren Klassenerhalt auf die Schulter boxen, mich anlachen und sagen „Siehst du, du und deine Panik“, dann stoßen wir mit einem Bier darauf an und wir sagen, dass in der nächsten Saison alles besser werden soll, ohne große Furcht vor dem Abstieg; einmal eine Spielzeit, die bei den Fans für frühzeitige Entspannung sorgt, das würde uns gefallen. So, wie wir es in den letzten Jahren immer wieder ausgesprochen hatten.

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Erhört wurden unsere stillen und auch lauten Gebete nicht, was nicht heißen soll, die Mannschaft wäre in jedweder Zusammensetzung von Spielern und Trainern nicht in der Lage, sich von der besten Seite zu zeigen. Es gibt Tage, da zeigen sie uns, dass sie es können und vor allem, dass sie es wollen. Und dann gibt es noch solche Tage, an denen du dir an die Stirn fässt und dich zurecht fragst, ob man den Ernst der Lage noch immer nicht verstanden hat. So wie häufig alleine in dieser Spielzeit. So wie in Darmstadt.

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Sehnsucht nach Erleichterung

Drei Minuten im Himmel haben nicht ausgereicht, um uns jene Entspannung zu verschaffen, nach der wir uns so sehr sehnen. Ernüchtert saß ich viele Minuten nach dem Spiel auf einem leeren Plätzchen auf den Betonstufen. Berge von leeren Bierbechern, wohin das Auge reichte. Die vielen Jahre Kult und Legende sah man dem Stadion am Böllenfalltor durchaus an, kaum einer dürfte nicht „Geil!“ gesagt haben, als er Stunden zuvor einen ersten Blick ins weite Rund geworfen hatte. Zurück blieb der Frust und die einhellige Meinung, dass ein Punkt in Darmstadt nicht gut genug ist, um sich selbst schnellstmöglich der letzten Abstiegssorgen zu entledigen.

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Dabei war man frohen Mutes in Richtung Hessen aufgebrochen, wenngleich nicht gänzlich frei vom bekannten schweren Gefühl im Magen, dass sich breit macht, wann immer auch ein Stadionbesuch ansteht, sei es daheim im Neckarstadion oder fernab der Heimat. In den frühen Morgenstunden machten Felix und ich uns auf den Weg nach Weinstadt-Beutelsbach, wo ein weiteres Mal unsere gemeinsame Reise beginnen sollte.

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Noch war nicht alles vorbereitet und während unser guter Freund und Weggefährte Gerd noch die letzten Sachen aus dem Haus holte und Felix noch einmal austreten war, saß ich allein auf dem geöffneten Kofferraum des VW-Transporters, atmete tief durch und lauschte dem morgendlichen Vogelgezwitscher unter der aufgehenden Sonne. Dieses Kribbeln im Bauch, wenn man weiß, das man in Kürze zur Auswärtsfahrt aufbricht, ohne wirklich zu wissen, was einen erwartet. Selbst dann, wenn man vermutet, was einen erwartet.

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Wann ist „viel“ zu viel verlangt?

Die meiste Zeit der Anfahrt verschlief ich fast schon traditionell, träumte von der wiederholten Leistung aus dem Heimspiel gegen Hoffenheim, von tollen Toren, vom euphorischen Applaus des Gästeblocks und vom fast schon sicheren Klassenerhalt. Doch dann wachte ich auf, kurz vor Darmstadt und mit der zurückkehrenden Erkenntnis, welch grausame Statistik doch gegen uns spricht. Von allen bisherigen Heimspielen hatten die Lilien erst eines gewonnen.

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Jedem anderen Fan würde diese Statistik Hoffnung und Zuversicht für die Partie geben. Nicht jedoch, wer den Brustring auf dem Trikot und im Herzen trägt. Würde der VfB wieder seinem Ruf als Aufbaugegner Nummer Eins gerecht werden? Es war anzunehmen. Noch immer trauerte ich dem völlig sinnfrei verlorenen Spiel gegen Hannover nach, wohlwissend, dass wir dies noch bereuen würden.

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Woche für Woche wurmt diese Pleite mehr und mehr, ungeachtet der Tatsache, dass es am Ende nicht das eine entscheidende Zünglein an der Waage wäre, sondern nur das, was uns selbst wohl am meisten weh getan hatte. Zu viel wurde versäumt in der ersten Saisonhälfte, das wissen wir genauso gut wie (hoffentlich) die Mannschaft auch. Ist es denn dann zu viel verlangt, in den letzten paar Spielen so viele Punkte wie möglich zu holen und mit der Leidenschaft zu Werke zu gehen, die bei manchem von uns zwischenzeitlich Europapokal-Gefühle ausgelöst hatte? Niemand verlangt von ihnen, alles zu gewinnen. Doch wir verlangen, dass sie sich bewusst sind, was sie uns und auch sich selbst schuldig sind.

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Die letzte Bastion der Fußballromantiker

Den Mittag verbrachten wir entspannt in der Altstadt von Darmstadt, bei tollem Essen und immer besser werdendem Wetter, denn die angekündigten 20 Grad ließen auf sich warten. Eine alte, nostalgische Straßenbahn brachte uns schließlich am frühen Nachmittag zum alten, nostalgischen Böllenfalltor, gut zwei Stunden bis zum Anpfiff hatten wir noch Zeit – Zeit, die wir schließlich auch brauchten, wie sich noch zeigen sollte. Die Info, wir hätten als Gästefans lieber eine Station vorher aussteigen müssen, kam reichlich spät mit der Erkenntnis, am Eingang der VIP-Tribüne und Medien schlichtweg ein wenig falsch zu sein.

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So liefen wir zurück, weit herum ums Stadion, anderen VfBlern hinterher, durch den Wald, nur um festzustellen, den Falschen gefolgt zu sein. Im Kletterwald, der unter anderem auf der Seite des Gästeeingangs einen Hochseilgarten beherbergte, mussten wir umkehren und weiterlaufen, einer schlechten Ausschilderung sei dank. Immer mehr Weiß-Rote rückten ins Blickfeld, Einsatzkräfte der Polizei mitsamt von Weitem zu sehenden Blaulicht – nach einer Odyssee über Stock und Stein waren wir endlich angekommen.

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Hier zu sein hatte etwas ganz Besonderes. Nicht nur die ungewöhnliche Lage am Waldrand, fernab all der in die Pampa gesetzten Hochglanz-Arenen mit ihren weitreichenden Parkplätzen und dem sterilen Duft der Gleichmäßigkeit. Endlich mal etwas anderes als immer die gleichen Spielstätten, ein besonderer Flair lockte viele nach Darmstadt. Gut 2.200 Schlachtenbummler hatten sich auf den Weg gemacht, bestehend aus motivierten Allesfahrern, neugierigen Nostalgikern, hessischen VfB-Fans und jenen, die zu einem der begehrten Tickets gekommen sind wie die Jungfrau zum Kinde. Sie alle vereinten sich auf den verratzten Betonstufen im Gästebereich.

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Ein ganz besonderer Zauber

Ein erster Blick ins Stadion ließ mich Dankbarkeit empfinden, hier sein zu dürfen. Dass das Stadion am Böllenfalltor ausgedient hat und schon bald durch ein neues Stadion ersetzt wird, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ein wenig erinnert mich das Alles an Rijeka, welch traumhaftes altes Stadion mit seiner 50 Meter hohen Felswand am Strand der Adria, das wir 2013 im Rahmen des Europapokals besuchen konnten, bevor es abgerissen wurde.

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Ob ich um ca. 17:20 Uhr immer noch dankbar sein würde, hier zu sein, das sollte sich erst einmal zeigen, so bezog ich also erst einmal Stellung im mittleren Bereich des Gästeblocks. Mein Blikc schweifte durchs Rund, auf die kleine überdachte Tribüne uns gegenüber, auf die vier Flutlichtmasten an den Seiten, der Ultras-Block mit seiner ungewöhnlichen Stelle auf der Haupttribüne, die Tartanbahn, das alles zu sehen, erfreut das Fußballherz. Ein wenig fühlte es sich an wie die erste Runde im DFB-Pokal, doch es sollte ein verbissenes Duell um den Verbleib in der ersten Liga sein. Doch auch hier galt: Verlieren verboten.

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Die Reihen füllten sich zusehendst, es war angerichtet für unser Spiel am 28. Spieltag. Schon alleine durch das ungewöhnliche Stadion hatte der Moment einen besonderen Zauber inne, hoffentlich gefolgt von einem guten Spiel, das uns VfB-Fans des Nachts besser schlafen lässt. Wir haben seit dem Jahreswechsel das eine oder andere Mal gesehen, zu was sie fähig sind, warum also nicht auch gegen Darmstadt? Auf der Hinfahrt fiel noch der Spruch, dass jede Serie dazu da sei, gebrochen zu werden. Als ob es so einfach wäre.

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Nach hinten nur unterdurchschnittlich

Vierzig Sekunden brauchten die Hausherren bis zum ersten Warnschuss auf das Tor von Przemyslaw Tyton und bestätigte mich in dem Glauben, es würde ein schweres Spiel werden. Was wäre gewesen, wenn Darmstadt früh getroffen hätte? Oder wenn es stattdessen Lukas Rupp gewesen wäre, der zwei Minuten später nicht Christian Mathenia sondern aufs Tor geschossen hätte? Sie behakten sich gewaltig und schon früh hatte ich vermutet, kein 0:0 sehen zu müssen. Früher oder später würde der erste Treffer fallen, die Frage war nur, auf welcher Seite?

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Dass unsere Abwehr nicht die stabilste ist, hatte sich landläufig herumgesprochen, umso mehr Mühe hat da unsere Offensive, die es bedauerlicherweise aller Voraussicht nach im Sommer gänzlich auseinander reißen wird. Was bleiben wird, ist ein bemitleidenswertes Gebilde aus Abwehrspielern, die häufig den Beweis schuldig sind, sich so nennen zu dürfen. An guten Tagen zeigt die Defensive ein allenfalls durchschnittliches Bundesliga-Niveau, an schlechten Tagen… nunja, ihr wisst bereits, was ich meine. Und dass uns der Ausfall, bzw. die Gelbsperre von Georg Niedermeier Kopfzerbrechen bereiten würde, hatten vor einem halben Jahr noch die Wenigsten für möglich gehalten.

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Für ihn spielte Timo Baumgartl, für Florian Klein wurde Daniel Schwaab auf links gezogen und Toni Sunjic rückte ebenfalls in die Innenverteidigung. Ein kritisch beobachtetes Intermezzo, seit Jahren hegt die Fangemeinde den Wunsch, dass endlich eine vernünftige Verteidigung in Stuttgart Einzug erhält, seit Jahren wird versäumt, auf diesen Positionen tätig zu werden, das Ergebnis davon schlägt sich in bis dato 54 Gegentoren nieder. Als Toni Sunjic nach 19 Minuten K.O. ging und ausgewechselt werden musste, schmälerte unsere Sorgen nicht, er kam mit Verdacht auf Gehirnerschütterung ins nächstgelegene Darmstädter Krankenhaus.

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Bitter bestraft

Der wolkenverhangene Himmel riss auf und ließ uns im Laufe der ersten Halbzeit immer mehr die Sonne auf den Kopf scheinen. Immernoch besser als Regen, das wäre wahrlich keine Freude gewesen, erst recht nicht für uns Fotografen. Das Spiel verflachte ein wenig und beschränkte sich auf den reinen Kampf im Mittelfeld, geführt mit durchaus harten Bandagen. Es wäre gelogen, zu sagen, man hätte das so nicht erwarten können, Darmstadt steht für harten Kampf und der VfB für einen Aufbaugegner, den die Lilien sicher gut hätten brauchen können, sehr zu unserem Leidwesen.

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Was in Serey Dié wohl nur gefahren war, als er in der 25. Minute als probates Mittel zum Spielaufbau den Rückpass auf Przemyslaw Tyton wählte? Wie konnte er nur Sandro Wagner übersehen, den man nie nie nie nie nie alleine lassen darf, erst recht nicht, wenn man um die wiederaufgeblühten Abschlussqualitäten des unsympathischen Stürmers weiß? Der Ivorer spielte ihn direkt in seinen Lauf, trocken abgeschlossen zum vielumjubelten Führungstreffer. Kann es einen unnötigeren Rückstand geben?

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Wieder einmal verteilte der VfB Geschenke. Wieder einmal brachte man sich unnötigerweise in eine missliche Lage. Wieder einmal träumte man vor sich her, als mit ganzer Konsequenz zu Werke zu gehen. Viel fehlte Filip Kostic nicht, nur knapp strich der Ball am Tor vorbei, nur wenige Minuten nach dem Rückstand. Die Stimmung in unseren Reihen war ordentlich, aber natürlich wie so oft in den letzten Wochen ausbaufähig. Es war fast so, als übertrage sich die gefühlte Lustlosigkeit der Mannschaft immer mehr auf den mitgereisten Anhang. Wir konnten ja nicht ahnen, was bald folgen sollte.

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Drei Minuten im Himmel

Das Spiel plätscherte ein wenig vor sich hin, viele machten sich bereits auf den Weg zu den Imbissständen und sanitären Anlagen. Sie verpassten Filip Kostics Flanke in der 45. Minute. Sie verpassten Christian Gentners Traumtor ins lanke Eck. Volley. Trocken. Unhaltbar. Wildes Getöse im Gästeblock, es wurde laut, tumultartig stürzten sich die Leute aufeinander, lagen sich schreiend in den Armen und brüllten ihre Freude heraus. Während des Spiels stand ich bei unserem langjährigen Kumpel Andi in der Mitte des Blocks, der mit einem Freund angereist war. Letzterer brach wenige Minuten vor Halbzeitpause auf, noch einmal Bier zu holen, bevor es zu voll werden würde. Wäre er lieber dageblieben.

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Drei Minuten Nachspielzeit in der ersten Hälfte, bedingt durch die Verletzungspause von Toni Sunjic, nun galt es nur, diesen Ausgleich in die Pause mitzunehmen. Der erneute Spielaufbau lief über Serey Dié, der erneut Filip Kostic ins Spiel brachte. Gedacht war der Ball für Artem Kravets, der jedoch gedoppelt wurde und nur zurückköpfen konnte, direkt auf den Fuß von Lukas Rupp. So schnell konnte man nicht einmal schauen, da war der Ball im Tor. Was war denn hier los? Völlig überhitzt schrie ich, so laut ich nur konnte, von oben flog das Bier in einem hohen Bogen auf mich hinab, eine unfreiwillige Abkühlung der besonderen Art.

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Der schnell folgende Halbzeitpfiff ging im Geschrei der 2.200 VfB-Fans unter. So wirklich fassen konnte ich es nicht, verschreie ich doch viel zu oft das drohende Ende, wann immer der Rückstand hinzunehmen ist und ich mir nicht vorstellen kann, wie der VfB diese Partie noch zu drehen gedenkt. Sie haben mir gezeigt, dass sie es können. Und auch heute zeigten sie es mir, bei strahlendem Sonnenschein an der letzten Heimstätte für Fußballromantiker.

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Nur Jammern auf hohem Niveau?

Wieder einmal überraschte der VfB. Doch es zeigt auch: zu keiner Zeit sind sie wirklich berechenbar, was den Spielausgang betrifft – weder in die eine noch in die andere Richtung. Wann immer ich sagte, der VfB würde nach einem Rückstand nicht mehr zurückkommen können, was ja lange Zeit auch so war, belehrten sie mich eines besseren. Wann immer man dachte, es brenne nix mehr an, verblüfften sie ebenfalls. Es war ein gefährliches Spiel, dass sie spielten, gegen gefährliche Darmstädter in einer denkbar gefährlichen Tabellensituation.

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Für manch andere Vereine, wie Hannover, Frankfurt oder Augsburg, mag das Jammern auf hohem Niveau sein, aber ich kenne ja meine Pappenheimer leider zu gut. Wäre das 1:3 gefallen, wer weiß, ob sich die Hausherren davon noch einmal hätten erholen können. So blieb es nur unfreiwillig spannend, was den neutralen Zuschauer erfreute, mich jedoch meine Fingernägel herunterkauen ließ. Kurz nach Wiederanpfiff pfiff Felix Zwayer einen Freistoß vor den Augen des Gästeblocks, denkbar angespannt die Stimmung, drohte sie gar zu kippen, als Peter Niemeyer nahezu ungedeckt zum Ausgleich köpfte.

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Wieder ging es viel zu einfach, wieder wäre es leicht vermeidbar gewesen. Hätte jemand Peter Niemeyer zustellen, ihm den Laufweg abschneiden und den Ball wegköpfen müssen? Ja, allerdings. Hätte Przemyslaw Tyton herauslaufen müssen, um den Ball wegzufausten oder ihn gar zu fangen? Ja, auch das. Hätte man es vermeiden können, wieder den unsäglichen Darmstädter Jubel über sich ergehen lassen zu müssen? Ja, definitiv. So viel Scheiße kann man sich nicht ausdenken.

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Eine Frage des eigenen Anspruchs

Wir Fans können viel schwätzen, sind wir es doch gar nicht, die da auf dem Platz stehen. Von vielem meinen wir, dass wir es besser wissen. Doch ist anzunehmen, dass es die Mannschaft eigentlich auch hätte besser wissen müssen. Nun hatten wir wieder den Salat. Wieder war alles auf Anfang gestellt, als hätte es die brauschenden drei Minuten kurz vor der Halbzeitpause nie gegeben. Wie schön es doch gewesen wäre, hätten Christian Gentner und Lukas Rupp nicht in Minute 45 und 45+3 getroffen, sondern in Minute 90 und 90+3 – es wäre genau das gewesen, was den Lilien so oft zum Verhängnis wurde.

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Der Anhang des Aufbaugegners musste nun damit leben und hoffen, es würde ein gutes Ende nehmen. Doch bringt uns die Hoffnung alleine etwas? Abgesehen vom schnellen Doppelschlag vor dem Seitenwechsel blieb der VfB die Antwort schuldig, die richtigen Konsequenzen aus den liegen gelassenen Punkten der letzten Wochen zu ziehen. Wo war sie hin, die entfesselte Spielfreude von der Partie gegen Hoffenheim? Wo war er hin, der harte Kampf aus dem Spiel gegen die Hertha? Wo war es hin, das nötige Glück aus der Begegnung gegen Hamburg?

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Immer wieder brachten sie sich selbst in kritische Situationen, als die Partie in der zweiten Halbzeit ihren Lauf nahm. Wie auch weite Strecken in der ersten Halbzeit verfiel der VfB in eine erneute Lethargie, als gäben sie sich mit dem Unentschieden zufrieden. Anscheinend waren wir Fans die einzigen, denen es nicht gut genug war. Wie tief sollen wir unsere Ansprüche denn schrauben, wenn ein Remis gegen einen direkten Konkurrenten als ausreichend erachtet wird, wenn die Spiele gegen Bayern, Dortmund und Wolfsburg noch ausstehen?

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Haarscharf an der Niederlage vorbeigeschrammt

Die letzten Minuten waren angebrochen. Die Lilien wussten, dass sie viele Partien in den letzten Minuten aus den Händen zu geben vermochten, doch wusste das auch der VfB? Es schien wie eine verkehrte Welt, denn es war nicht der VfB, der zu einem letzten Sturmlauf aufbrach, es waren die Gastgeber in den blauen Trikots, angefeuert von ihrem eigenen Anhang, der die Sensation schon schnuppern konnte. Minütlich wurde ich immer nervöser, nicht in der Lage, an ein zumindest halbwegs positives Ende dieser Partie zu glauben. Und ich spürte auch: ich war damit bei weitem nicht allein.

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Alle Dämme wären gebrauchen bei den Fans, deren Mannschaft hier das dritte Tor erzielen würde. Das Problem war nur: Darmstadt war hier leider offenbar näher dran als wir. Ein beklemmender Gedanke, dieses erschreckende Gefühl der drohenden Niederlage. Noch stand das 2:2 auf der Anzeigetafel am anderen Ende des Stadions. So sehr ich gerade noch den Siegtreffer des VfB herbei sehnte, so sehr fürchtete ich mich davor, dass wir doch noch den einen entscheidenden Gegentreffer kassieren. Wer immer auch als nächstes treffen würde, der würde das Spiel mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen.

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Gut sieben Minuten waren auf der Uhr noch übrig, sieben Minuten, in denen noch viel passieren konnte. Es gab Ecke für die Hausherren, gefolgt von einem Kopfball an den Pfosten, doch bekam man den Ball nicht weg. Ich sah das Spielgerät schon im Tor liegen und gut 15.500 Darmstädter jubeln. Nein. Nein. NEIN! Laut schrie ich die Verzweiflung hinaus, als könnten sie mich hören. Im Fußball wird viel erzählt von hundertprozentigen Chancen, von tausendprozentigen Möglichkeiten, doch unter welcher Kategorie lief das?

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Alles, nur das nicht

Den Nachschuss von Peter Niemeyer klärte Przemyslaw Tyton in höchster Not, er ditschte oben noch auf der Latte auf und rollte übers Netz nach hinten ins Toraus. Unfassbar. Mein Herz raste, das Adrenalin schoss durch meine Adern. Tief durchatmen, ganz ganz tief. Nicht wenige Darmstädter Fans werden wohl sagen, es sei der Fehlschuss zum Abstieg gewesen, sollte es am Ende dieser Spielzeit nicht zum Klassenerhalt reichen. Ein paar Minuten waren noch immer übrig.

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Gemessen am Verlauf der Partie und der Riesenmöglichkeit der Gastgeber, wäre dieser Punkt wohl irgendwie in Ordnung, doch weigere ich mich vehement, mich damit wirklich zufrieden geben. Was wäre nur mit mehr Konsequenz, mehr Willen und mehr Leidenschaft möglich gewesen? Darmstadt ist unberechenbar und spielte weite Teile der Hinrunde über dem Niveau, was man vor der Saison von ihnen erwartet hatte, doch ist dies Grund genug, weniger als drei Punkte vom Böllenfalltor zu entführen? Wohl kaum.

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Ein paar wenige Minuten noch. Alles, nur jetzt keine Niederlage mehr. Doch nur ein 2:2 mitnehmen? Wie soll das in dieser knappen Tabellenkonstellation reichen? Zu viele Vereine liegen nah beieinander, zu viel Gefahr geht von der Enge in der unteren Tabellenhälfte aus, zu viel kann da noch schief gehen. Zugegeben, es müsste schon einiges gegen uns laufen, um uns doch noch auf und unter den Relegationsplatz rutschen zu lassen, doch bin ich der Meinung, wir sollten gewarnt sein. Das gilt auch für die Mannschaft, doch die gab sich lieber mit dem Remis zufrieden, statt sich selbst zu hinterfragen, wie man sich den Dreier noch hatte nehmen lassen können.

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Auf Konfrontation

Nach zwei Minuten Nachspielzeit erklärte Felix Zwayer die Partie für beendet und löste damit kollektives Raunen aus, sowohl bei allen Blau-Weißen als auch bei allen Weiß-Roten. „Was nun?“ schien man sich zu fragen. Ein paar wenige applaudierten, ein paar wenige schimpften, der Großteil starrte beinahe emotionslos aufs Spielfeld. Wir wussten alle, dass dieses Unentschieden nicht gut genug war, auch nicht unter Berücksichtigung des beinahe gefallenen Siegtreffers der Lilien. Uns allen dürfte der restliche Saisonspielplan vor dem inneren Auge stehen und uns bewusst werden lassen, dass es nur wenige Punkte sein dürften, die wir halbwegs realisitisch betrachtet in dieser Spielzeit noch einplanen können. Das Verständnis dafür scheint das Team wohl aber nicht zu haben.

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Sie waren sich kaum einer Schuld bewusst, als sie zum Gästeblock trabten. Weit vor der Bande blieben sie stehen, wie in schlimmsten Zeiten, als sie es nicht wagten, auch nur näher als bis zur Strafraumgrenze an den wütenden Pöbel heranzutreten, der genug gesehen und die Schnauze gestrichen voll hatte. Wie konnte das nur passieren in den letzten Wochen, dass man seine so gute Ausgangsposition so gewissenlos aufs Spiel setzt?

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Ich weiß nicht, was Christian Gentner den Ultras in den ersten Reihen geantwortet hatte, als sie ihn herzitiert hatten. Er stieg als erster über die Bande, es folgten Daniel Schwaab und Martin Harnik, die dienstältesten Spieler. Ich kann mir nur vage vorstellen, was gesprochen wurde, sinngemäß höchstwahrscheinlich Worte des Wachrüttelns, die flehentliche Bitte um leidenschaftliches Kämpfen, bevor man eines Tages aufwacht und feststellt, dass es zu spät ist.

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Was am Ende übrig bleibt

Lange blieb ich noch stehen, als sich der Block um mich herum schon längst geleert hatte. Ernüchtert setzte ich mich hin, verabschiedete vorbeigehende Freunde und Bekannte und fragte mich, wie es nun weitergehen würde. Es braucht nicht viel, um zu wissen, dass die nächsten Wochen kaum Punkte einbringen würden. Woche für Woche ärgert es mich mehr und mehr, dass man drei sichere Punkte gegen Hannover liegen gelassen hatte, Hannovers einziger Sieg unter Thomas Schaaf, alle anderen zehn Spiele wurden verloren. Zu welchem Zweck, stehen sie doch ohnehin schon als fast sicherer Absteiger fest.

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Es war Zeit, aufzubrechen, mit einem Punkt im Gepäck, der sich kaum besser anfühlte, als wären es null gewesen. Wir ließen die verratzten Betonstufen und die alten Flutlichtmasten hinter uns und machten uns auf den Weg nach Hause, geplagt von der ewigen Frage, ob es am Ende doch noch reicht. Unsere Ausgangsposition könnte schlimmer sein, doch könnten wir schon jetzt das Saisonfinale entspannter angehen, hätte man gegen Hannover gewonnen, vielleicht auch gegen Ingolstadt, und ein Unentschieden gegen Leverkusen.

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Was bleibt also vom Spiel, das mir den ersten Sonnenbrand des Jahres 2016 beschert hat? Die Gewissheit, dass es noch eng werden könnte zum Saisonende. Könnte, nicht muss, ich treffe diese Wortwahl ganz bewusst. Weit weniger bewusst wähle ich die Angst vor dem Abstieg, die noch immer allgegenwärtig ist. Ich erinnere mich einfach noch zu gut an die herzzerreißenden Minuten in Paderborn, als dass ich vergessen könnte, wie es sich angefühlt hat, wenn es auf das eine letzte Spiel ankommt. Niemals wieder. Bitte nicht.

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