Vier Jahre, acht Monate, vier Wochen und zwei Tage. Die Statistik hatte ich mir genau angesehen, bevor wir uns auf den Weg nach Frankfurt machten. Viel Zeit ist vergangen, seit der VfB zuletzt vier Spiele in Folge gewinnen konnte, und ungeachtet meines sonst so trüben Pessimismusses war ich mir sicher. Was auch immer Jürgen Kramny in dieser Mannschaft bewegt hat, an welchen Stellschrauben er gedreht hat und welche Worte er gefunden hat, die Früchte seiner Arbeit zeigten sich schnell: aus einer Ansammlung einzelner Fußballer wurde ein Team. Leidenschaftlich. Kompromisslos. Effizient.

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Vor einigen Monaten saß ich sonntags an meinem heimischen Rechner, ringte um Worte, es tat weh, darüber zu schreiben, wie das heimische Publikum voller Häme „Oh, wie ist das schön“ gesungen hatte. Und heute? Es ist das Gefühl von Stolz, Zuversicht und neuen Hoffnungen. Alles aufsaugen. Man kann nie wissen, wie lange das Lächeln auf unseren Lippen verbleiben wird, umso mehr versuche ich nun alles mitzunehmen, was geht – sei es das erhabene Gefühl, sich vorerst aus dem Abstiegskampf verabschieden zu dürfen oder gar der zaghaft zuversichtliche Gedanke daran, was uns die nächsten Wochen alles erwarten könnte.

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Zugegeben, ein wenig finde ich es ja bizarr. Gehörte der sonntägliche Frust vor nicht allzulanger Zeit noch zum Wochenende dazu, sind es nun ganz neue Emotionen, mit denen wir zurecht kommen müssen. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich es geahnt habe, wo ich doch sonst mit (schlechten) Vorahnungen ganz vorne mit dabei bin. Niemand von uns hatte diese Zeiten für möglich gehalten. Niemand von uns hätte das erwartet, nicht nachdem, was wir in der Hinrunde erdulden mussten. Und einig sind wir uns trotzdem: genießen wir es, solange es dauert.

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Spürbare Zuversicht

Heute Mittag hatte mich meine Schwägerin gefragt, wie lange ich benötige, um einen Spielbericht zu schreiben. „Kommt ganz drauf an“, antwortete ich, „Wenns gut läuft, um die vier Stunden, meist mehr“. Stille im Raum. Es sind nicht immer die Ergebnisse, die beeinflussen, wie schnell oder wie langsam sich diese Zeilen schreiben lassen, mehr eine Frage der Muße, des Wohlbefindens, der Raumtemperatur, der Lichtverhältnisse – und vor allem der Muße. Klingt bizarr, macht aber unter Umständen viel aus. Heute ist wieder so ein Tag: viele Emotionen, noch mehr zu erzählen, und doch ein völlig wirrer Kopf.

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Beinahe unheimlich war es, wie viel positive (!!) Anspannung im Vorfeld dieser Partie herrschte. Dabei rede ich nicht einmal von der vorsichtigen Euphorie, die die Siege gegen Wolfsburg, Köln und Hamburg ins Ländle gebracht hat, sondern vielmehr von mir selbst. Wo ich sonst den Zeigefinger hebe und zur Vorsicht mahne, das Spiel würde so viel schwieriger werden als das letzte, und im Falle einer Niederlage wäre die gute Stimmung schnell wieder passé, so ertappte ich mich selbst in einer schwachen Phase der Zuversicht.

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Von ganz ungefähr kommt es natürlich nicht, ob man es nun ausspricht oder nicht, aber: man spürt es. Man spürt den neu gewachsenen Zusammenhalt der Mannschaft, man spürt die richtige Motivation durch Jürgen Kramny und man spürt vor allem den absoluten Willen, wo wir zuletzt noch in verzweifelte Gesichter blickten. Man spürt es. Die wohl wichtigste Erkenntnis für mich ist jene, das etwas zusammengewachsen ist, was vermeintlich unkittbar schon früh in der Saison zu Bruch gegangen war.

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Gedankenspiele

Ich vermisse das Gefühl nicht, am Ende der Partie mit einem Kloß im Hals im Block zu stehen, wortlos ins Nichts hinaus zu starren, während ich „die Anderen“ feiern sehe und mir selbst die Frage stelle, ob ich mich noch erinnere, wie es sich anfühlt. Diese beklemmende Angst vor dem Abstieg, ein täglicher Begleiter der letzten Jahre. Für diesen Moment müssen wir nicht daran denken, zum ersten Mal seit langer Zeit, doch wir wissen alle, wie schnell sie zurück sein kann, die lähmende Furcht, die blanke Verzweiflung, dass alles, was man liebt und wofür man einsteht, den Bach hinunter geht.

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Unzählige Gedanken schwirrten mir durch den Kopf, als ich auf der Fahrt im Sieben-Sitzer auf der A5 Richtung Frankfurt aus dem Fenster schaute und die Sonne mein Gesicht wärmen ließ. Die Angst, die ich so gut kenne, sie gehörte nicht dazu. Aber warum? Wie konnte ich mir nur so sicher sein? Weil ich etwas in der Mannschaft erkenne, von dem ich nicht geglaubt hätte, dass es nach den schweren Monaten, gar Jahren, noch existieren würde? Ich weiß nicht, was es ist, was sie wachgerüttelt hat, und seien es die Worte des Jürgen Kramny, das Kämpferherz des Kevin Großkreutz oder schlicht und ergreifend die Effektivität, die der VfB nun für sich verzeichnen kann.

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Ich schloss meine Augen und schlief bis kurz vorm Frankfurter Kreuz, fast schon am Ziel der Auswärtsfahrt doch so weit entfernt vom vierten Sieg in Folge. Vor den Toren des Stadions kamen wir zum Stehen und machten uns auf den Weg, optimistisch wie lange nicht mehr. Niemand sollte besser wissen als ich, wie es sich anfühlt, mit Optimismus ins Spiel hinein zu gehen und mit einer bitteren Pleite die Heimreise anzutreten.

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Das Unheil im Oberrang

Viele bekannte Gesichter säumten unseren Weg in den Gästeblock, in dem wir vor anderthalb Jahren beim letzten Auswärtsspiel eine der verrücktesten Partien der letzten Jahre erlebten, die uns aber auch nicht vor dem erneuten Abstiegskampf bewahren konnte. 4:5 war das letzte Mal auf der Anzeigetafel zu lesen, nach Rückstand, Führung, Rückstand und erneuter Führung. Christian Gentner und Martin Harnik trafen doppelt, Timo Werner einmal. Eine wilde Partie mit allen Höhen und Tiefen, die man sich nur vorstellen kann, sie endete mit den höchsten Glücksgefühlen. Wer jetzt Gänsehaut hat, darf sich gewiss sein, nicht alleine zu sein.

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Was war nicht alles befürchtet worden, was mögliche Auseinandersetzungen zwischen Frankfurtern und Stuttgartern betraf. Der Ultras-Block wurde vom DFB für dieses Spiel gesperrt, ein mehr als unüberlegter Schachzug bei einer Partie, die ohnehin als Hochrisikospiel zählt. Irgendwo mussten die Frankfurter aber doch hin, sie würden wohl kaum daheim sitzen und Sky schauen. Vielleicht links vom Gästeblock, rechts davon, oder auf der Haupttribüne? Viel wurde spekuliert, doch was wir vor Ort zur Kenntnis nehmen mussten, war beunruhigend: im Oberrang, einen Steinwurf vom Gästeblock entfernt. Und ja, die Phrase mit dem Steinwurf wählte ich mit voller Absicht.

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Was, wenn die Provokationen auf beiden Seiten, die es jahrein, jahraus schon immer gegeben hatte, das Pulverfass hochgehen lassen? Die baulichen Gegebenheiten des Stadions würden es gar möglich machen, aufeinander zu treffen, wenn man denn die Absicht gehabt hätte. Und so schnell wurden die drei Punkte nicht mehr zum wichtigsten Ziel des Tages. Heil rauskommen, idealerweise mit drei Punkten. Dass der schwarze Mob dort oben mit Argusaugen beobachtet wurde, ließ sich zumindest nicht vermeiden.

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Schnappatmung nach 45 Sekunden

Tolles Fußballwetter bei einem Mix zwischen Wärme und kühlem Wind, was die Wahl der richtigen Kleidung recht schwierig gestaltet hatte. Wieder stand ich also hier, hoffnungsvoll wie lange nicht, war gespannt auf eine Begegnung, an dessen Ende sich mit recht hoher Wahrscheinlichkeit der VfB durchgesetzt haben würde, wo doch beide Mannschaften seit geraumer Zeit ungeschlagen waren. Für so viel Kühnheit wollte ich mich beinahe selbst ohrfeigen, doch zog ich es vor, kein Aufsehen zu erregen. Dutzende Fahnen, Doppelhalter, Schals, der Gästeblock erstrahlte in Weiß und Rot. Genauso gefällt mir das. Meiner Kamera übrigens auch.

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Was mir nicht gefiel, war alleine schon die reine Anwesenheit von Alex Meier. Ohne ihn wäre die Eintracht schon längst in die Niederungen des Tabellenkellers abgesackt, ähnliches vermag man jedoch auch über Daniel Didavi zu sagen. Zwei Spieler, die wie eine Lebensversicherung sein können. Unsere Händen sollten wir heben, sagte der Vorschreier, ich tat wie befohlen, wenn ich auch die Kamera in einer Hand hielt. Mit einem Auge beim Stimmungskern des Blocks, mit dem anderen Auge aufs Spielgeschehen gerichtet, sofern es der Augenwinkel erlaubt.

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Handgestoppte 45 Sekunden und die Vorfreude auf den vierten Sieg in Folge wäre früh im Keim erstickt worden, da hatte er sich schon davon gestohlen, der große Mann mit dem Männerdutt. Wenn Przemyslaw Tyton nicht zur Stelle gewesen wäre, wer weiß, ob ich dann heute doch mit einem seligen Lächeln im Gesicht sitzen würde, wohlwissend, dass es gut gegangen war. Eingewöhnungsphase? Fehlanzeige! Beide Mannschaften legten hier gleich los wie die Feuerwehr, ein tolles Spiel für den neutralen Zuschauer und auch für die Fans.

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Die Angst vor dem Phantom

Das Glück war uns hold in diesem Spiel, doch sei es unser gutes Recht nach vielen unglücklichen Situationen. Jeder weiß, dass sich Glück und Pech über eine Saison ausgleichen, wir haben schließlich noch einiges gut vom Auswärtsspiel in München. Es war schwer, in den ersten Minuten auszumachen, in welche Richtung es zuerst kippen würde, als wäre das alles nicht schon eigenartig genug gewesen. Dass wir die Frankfurter Ultras in unmittelbarer Nähe hatten, war eine extrem angespannte und irritierende Situation, wenn man auf der anderen Seite des Spielfelds einen leeren Mittelblock anschaut.

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Gute Stimmung, gutes Spiel – die ersten Minuten ließen uns erahnen, was für ein Tag das werden würde. Vom vogelwilden Durcheinander von vor einigen Monaten, dem hohen Verteidigen und dem Einladen zu unzähligen Kontermöglichkeiten war nichts mehr zu sehen. Sie standen gut gestaffelt, machten die Räume dicht und hatten meist zwei Verteidiger in der Nähe von Alex Meier, ja und selbst die ersten offensiven Aktionen ließen Platz für wohltuende Zuversicht. Das werden viele der geschätzten 3.800 mitgereisten VfBler ähnlich gesehen haben, die sich hier die Seele aus dem Leib geschrien haben.

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Puuuuh. Einmal kurz den Alex Meier aus den Augen verloren, da stieg er zum Kopfball hoch. Das Herz war in die Hose gerutscht, doch brauchte es nicht lang, wieder bis zum Hals zu schlagen. Wieder war es ein sensationeller Pass von Lukas Rupp, der sich damit den nächsten Scorer-Punkt verdient hatte. Im genau richtigen Moment die Nahtstelle in der Abwehr zu finden, gehört zweifelsohne zu den Dingen, die vor einiger Zeit nicht einfach so geklappt haben. Jetzt klappt es, besser und schöner als je zuvor.

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Mit Glück und Gloria in die Pause

Wie schon gegen Köln war nun auch heute Christian Gentner der Torschütze nach Lukas Rupps Vorlage. Fäuste wurden geballt, das Grinsen wurde breiter und breiter und tausende Blicke gingen hinauf zum Oberrang, selbstverständlich unter Zuhilfenahme des besagten Mittelfingers. Dass kurz darauf ein möglicher Frankfurter Ausgleich wegen Abseits abgepfiffen wurde, tat der guten Stimmung im Gästeblock keinen Abbruch, im Gegenteil. Auch Hannover lag parallel gegen Mainz zurück, viel besser konnte die erste Halbzeit kaum laufen. Dass das eine gehörige Portion Glück mit einschloss, steht nicht zur Debatte.

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Daniel Didavi sah Gelb für ein Foul an der Strafraumgrenze, es gab einen Freistoß in gefährlicher Position. Der VfB klärte, gefolgt von lauten Pfiffen. Eine Fahne verdeckte mir die Sicht, doch die TV-Aufnahmen zeigten: mein Gott hatten wir da Glück gehabt – ohne jeden Zweifel ein klares Handspiel von Christian Gentner, das einen Elfmeter nach sich gezogen hätte. Schiedsrichter Peter Sippel hatte noch nie einen Elfmeter gegen den VfB gepfiffen und dachte nicht daran, an diesem Samstagnachmittag etwas daran zu ändern. Dass es hier auch hätte anders laufen können, dürfte jedem hinlänglich bewusst sein.

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Was für eine aufregende erste Halbzeit! Die Führung für den VfB, ein tolles Stellungsspiel und viele Torchancen, die die Jungs nur noch besser nutzen müssten. Die letzten Sekunden des ersten Durchgangs waren angebrochen, da gab es noch eine letzte Ecke. Filip Kostic zog auf den langen Pfosten, der Kopf von Georg Niedermeier, der artistische Seitfallzieher von Daniel Didavi und schon stand es 0:2. Was war denn hier bitte los? Viele waren bereits draußen an den Imbissständen oder den Toiletten, da drosch er aus kurzer Distanz in die Maschen. Mit jedem Tor tut er uns einen großen Gefallen, doch jedes Tor unserer Nummer Zehn macht ihn nur wertvoller und damit zum sicheren Wechselkandidaten im Sommer.

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Bange Minuten

Wie gut es tat, jetzt auf den Würfel am Stadiondach schauen zu können. Zwei zu Null, das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Voller Zuversicht, dass es gut geht, doch keinesfalls ausgelassen. Das riet ich auch den beiden Jungs direkt vor mir, die die Halbzeitführung schon feierten wie den Sieg nach dem Abpfiff. Dafür habe ich hier in Frankfurt schon zu viel erlebt, um mich über eine Zwei-Tore-Führung freuen zu können. Nicht zuletzt lehrte uns die bittere Erfahrung in Leverkusen wie kaum ein anderes Spiel, dass es erst zu Ende ist, wenn der Abpfiff ertönt, daran konnte auch die zweimalige Zwei-Tore-Führung nichts ändern.

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Vielleicht hätte ich es nicht beschreien dürfen. Kaum war die zweite Halbzeit angebrochen, da wurde es hektisch direkt vor den Augen des Gästeblocks, der stimmungstechnisch ein weiteres Mal alles raushaute. Was sich Kevin Großkreutz wohl dabei dachte, wegen eines offensichtlich ins Aus gehenden Balls die Beine von Carlos Zambrano wegzuholzen, weiß ich nicht. Ich sah nur, wie Peter Sippel angelaufen kam, im Schlepptau eine Horde tobsuchtsartiger Frankfurter. Rudelbildung, Unruhe, Pfiffe, Kevin Großkreutz suchte das Weite, während sich der Referee mit seinem Linienrichter beratschlagte.

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Bange Blicke, alles, bloß kein Rot. Auch hier gab es nur Gelb. Über fehlendes Glück konnten wir uns wahrlich nicht beklagen. Kurze Zeit später musste Przemyslaw Tyton dann doch noch hinter sich greifen. Die Frage nach dem Torschützen der Eintracht könnte man sich genauso gut sparen, natürlich war es Alex Meier, der mehr und mehr ins Blickfeld von Jogi Löw gerät. Das Spiel stand auf der Kippe, denn nun war es die Eintracht, die das Ruder übernahm, unter den ängstlichen Blicken des mitgereisten Anhangs. Nun drückten sie, so unheimlich, dass selbst Christian Gentner den Torwart machen musste und für den geschlagenen Polen auf der Linie klären musste.

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„Da brauch mir keiner mit Georg Niedermeier kommen“

Die souveräne Leichtigkeit des Seins wich der ruhelosen Befürchtung, dass die neuen Mechanismen doch noch nicht alle greifen könnten. Es wurde ein wenig stiller in unseren Reihen. Die blanke Angst war zurückgekehrt und mit ihr die Erinnerung an all jene Partien, die der VfB drückend überlegen war und am Ende als Verlierer den Platz verließ. Nur noch ein Tor Unterschied, und Gnade Gott, wenn hier noch der Ausgleich fällt. Mir wurde augenblicklich flau im Magen und die Farbe in meinem Gesicht glich zunehmend einer Kalkwand. So sehr ich mich vor der Partie optimistisch geben wollte, so große Angst hatte ich jetzt.

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Dass es nur etwas mehr als zehn Minuten waren, die ich mit diesem unguten Gefühl überstehen musste, konnte ich nicht ahnen, wie ich auch den aktuellen „Höhenflug“ nicht ahnen konnte. Für Timo Werner war die Partie zu Ende, er machte Platz für Artem Kravets, unseren Neuzugang aus Kiew, der in der Vorwoche kurz vor Schluss das Siegtor gegen Hamburg schoss und uns erahnen ließ, was wir von ihm erwarten konnten. Filip Kostic stand hier schon zum Freistoß bereit und obwohl ich es nicht darauf angelegte hatte, ich hörte viele Menschen um mich herum sagen: „Der Kravets macht jetzt gleich eine Bude, pass auf“.

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Hoch und weit in den Strafraum hinein, geklärt von den Frankfurtern, doch sie holten sich den Ball wieder. Erneut eine Flanke, hoch und weit in den Strafraum hinein. Daniel Didavi, Artem Kravets und Georg Niedermeier, alle drei stiegen sie hoch zum Kopfball: Und ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das 3:1 steht. Georg Niedermeier stellte den alten Abstand wieder her und hier gab es nun kein Halten mehr. Totenstille auf dem Oberrang, Eskalation im Gästeblock. Vorsorglich beugte ich mich nach vorne, um die Kamera vor der nächsten Bierdusche zu schützen, die mich unmittelbar danach mit voller Breitseite getroffen hatte.

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Einer geht noch

Wir waren uns sicher, dass wir das „Ding“ nach Hause bringen. Und doch wurde es erneut spannend, der gelb vorbelastete Daniel Didavi sah nach einem draufgehaltenen Fuß gegen Carlos Zambrano die zweite Gelbe und musste somit vorzeitig duschen gehen. Im Jubel des 3:1 ging es beinahe unter, dass wir nun über 20 Minuten in Unterzahl spielen mussten. Schweig, mein dummes Herz. Ob es am Hals schlug oder in die Hose rutschte, kann ich nicht einmal mehr genau sagen, ich erinnerte mich nur, wie sich allmählich Schnappatmung einstellte. Hier die Frankfurter mit dem Lattenkracher, da der VfB mit Filip Kostic, der nicht genug Druck hinter den Ball bekam.

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Wirklich neu war der Gedanke nicht: „Ich überlebe dieses Spiel nicht“, vor gut anderthalb Jahren erging es mir ähnlich im ständig Hin- und Her zwischen Führung und Rückstand. Die letzten 20 Minuten wurden zur Tortour, es würde mit Sicherheit hart werden, die Führung über die Zeit zu retten. Wir waren nicht nur einer weniger, sondern hatten es auch noch mit Alex Meier zu tun. Die Mannschaft brauchte uns jetzt mehr denn je, und wir waren für sie da, wie wir es immer waren. Immer lauter, immer weiter, immer mehr, auf dass es der vierte Sieg in Folge werden würde.

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Vielleicht haben sie es ja gehört. Sie wollten es sich nicht nehmen lassen und rannten immer wieder an, unter anderem über Artem Kravets, der vom ebenfalls gelb vorbelasteten Carlos Zambrano im vollen Lauf gelegt wurde – Elfmeter! Filip Kostic wollte seinen ersten Strafstoß für den VfB verwandeln, kalt und trocken links unten ins Eck. Als der Ball im Netz einschlug, sah ich erst einmal nichts mehr. Nur wild umherspringende und kreischende Menschen, überall flog das Bier durch die Luft.

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Siegesgewiss dem Abpfiff entgegen

Unzählige Menschen verloren im Jubel den Boden unter ihren Füßen und lagen kreuz und quer auf den Treppenstufen verteilt. Wenn man es nicht besser wüsste, man würde mutmaßen, man sei im Bürgerkrieg gelandet. Nichts dergleichen. Das hier war nur Freude in Reinform. An der Anzeigetafel konnte ich mich nicht sattsehen. Die Sonne war untergegangen und tauchte den Frankfurter Himmel in ein angenehmes Blau, alle paar Minuten flog ein Flugzeug übers Stadiondach. Und wieder ertönte es, das „Oh, wie ist das schön“, das noch auf hämische Art und Weise vor 77 Tagen den absoluten Tiefpunkt der Saison darstellte.

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Dass Artem Kravets beinahe noch das 5:1 machte, nahmen wir mit breitem Lächeln zur Kenntnis. Überall hatte ich Gänsehaut, vom bereits schmerzenden Fuß bis in die biergetränkten Haarspitzen. Es mag vermessen klingen, aber solche Momente sind für die Ewigkeit. Nicht aufgrund der Überlegenheit, oder des sich andeutenden vierten Sieges in Folge, nein, weil sie einfach gewisse Emotionen in unsere Köpfe brennen, an die wir uns noch nach Monaten und Jahren zurück erinnern, lächelnd, kopfnickend und mit dem Gefühl, wie sehr man diesen einen Moment ausgekostet hat.

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In den letzten Wochen gab es das eine oder andere Spiel, das uns bis in die Nachspielzeit hinein zittern ließ. Nun schauten wir auf die Anzeigetafel, auf der das 4:2 geschrieben stand. Ich musste innerlich und äußerlich grinsen wie ein Honigkuchenpferd und dachte mir, es könne mir jetzt schlechter gehen. Daran vermochte auch das späte Tor von Szabolcs Huszti nur wenig ändern, wenngleich noch nicht bekannt war, wieviel Nachspielzeit Peter Sippel mit oben drauf geben würde. Sehr viel länger hätte das Spiel nicht gehen dürfen, doch noch sahen wir dem Abpfiff weitgehend gelassen entgegen.

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Ein paar wenige sorgenvolle Minuten

Drei Minuten galt es zu überstehen, der Gästeblock feierte schon und sang „Der VfB ist wieder da“, ein Lied, dass ich nach den Erfahrungen vom Abstiegskampf 2010/2011 nie wieder hatte singen wollen. Sie schienen uns noch einmal ärgern zu wollen, die Frankfurter, was wäre es hier für eine verrückte Geschichte gewesen, wenn die Eintracht hier nach einem 1:4 noch 4:4 spielt? Sekunden vor dem Ende bekam ich dann doch noch etwas Panik, denn die Hausherren schienen mir ein wenig zu oft am Ball. Macht jetzt bloß keinen Scheiß, Jungs, hört ihr?

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Mit dem letzten weiten Abschlag von Przemyslaw Tyton war es überstanden, am Anstoßpunkt stehend pfiff Peter Sippel das Spiel ab, das für den VfB zwar Glück in Sachen Nicht-Elfmeter bedeutete, doch am Ende auch in der Höhe aufgrund der besseren Mannschaftsleistung und verbisseneren Konsequenz in Ordnung ging. Dass es außerdem noch eine Rechnung aus dem Hinspiel zu begleichen galt, stand außerhalb jeder Diskussion. Damals das Harakiri-artige Anrennen nach vorne, ein mehr als unglücklicher Torhüter der den Elfmeter verursachte, enttäuschte Fans. Heute war alles anders. Heute war alles besser. Und keiner wusste so recht, wie das möglich sein konnte.

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Schon viele Meter, bevor sie den Gästeblock erreichten, gingen unsere Hände nach oben, applaudierend, gestikulierend, voller Stolz und Euphorie, die Freude ins Gesicht geschrieben. Es macht wieder Spaß, VfB-Fan zu sein. Das haben wir uns immerhin verdient nach all den Monaten, in denen es keinen Spaß machte, im Gegenteil. Wie gut sie tut, die Welle zwischen Mannschaft und Fans, die wieder als Eines erscheinen. Geschafft ist noch lange nichts und jede erhabene Arroganz ist fehl am Platze, doch mit jedem Erfolgserlebnis wird nicht nur die Stimmung besser, auch erstickt sie die Abstiegsangst mit dem Kissen des Erfolgs.

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So darf es weitergehen

Alle Jahre wieder ist es in Frankfurt das gleiche Spiel: mit einer Blocksperre werden die Gästefans von den Heimfans getrennt, unter Berücksichtigung der Sondersituation mit dem Oberrang erschien diese Maßnahme noch sinnvoller. Im Umlauf vor dem Gästeblock wurde gesungen, gefeiert, geredet, gelacht, in den Augen meiner Mitmenschen sah ich die Hoffnung, die zurückgekehrt ist. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sich der Tross, der mit dem Fanzug angereist war, wieder in Bewegung setzte, doch unser Weg führte uns in eine andere Richtung.

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Zurück zum Gästeparkplatz, vorbei an den Bussen, zwischen denen Bengalos gezündet wurden, über Pfützen und Schlamm, an finster dreinblickenden Frankfurtern vorbei. Uns kümmerte es nicht, wir waren neutral angezogen, in Frankfurt gilt diese Vorsichtsmaßnahme nur umso mehr. Es war schon längst dunkel geworden, als wir am Auto angekommen unsere Jacken in den Kofferraum warfen und ich mein Laptoptasche herauszog. Niemand zwingt mich dazu, das zu tun, was ich tue – und doch tue ich es gern. Hart ist es trotzdem, das könnt ihr euch sicherlich vorstellen.

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Es war eine ruhige Fahrt, anders als so viele andere in dieser Saison, in denen wir laut diskutierten, ob diese Auswärtsniederlage nun einfach nur unglücklich oder untragbar gewesen sei, und gegen wen der VfB denn noch gewinnen wollte. Vor einigen Monaten vermochte ich diese Frage nicht zu beantworten. Heute sieht das ganz anders aus. Ich sehe einen VfB, der sich selbst gefunden hat und eine Fangemeinde, die mit so viel Liebe dabei ist, dass die Freude wieder zurück ist. Und getreu den Worten der Sportfreunde Stiller: „Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist.“

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