“Okay, das wars!” – Und kaum jemand konnte einem widersprechen. Auch am Tag danach lässt es sich schwer greifen, was in Hoffenheim vorgefallen ist. Man möchte fast meinen, man sei sie ja noch gewohnt, die späten Gegentore, mit denen man das Spiel verliert – und trotzdem schocken sie einen wie am ersten Tag. Was vor einigen Wochen und Monaten noch den Pessimisten vorbehalten war, hat mittlerweile weitreichend um sich gegriffen: die Angst vor dem Abstieg hat uns voll und ganz im Griff.

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Gemessen an den erneut dargebotenen “Leistungen” gibt es keinerlei Zweifel mehr daran, wie bitter diese Saison enden wird. Es fällt mir schwer, Worte zu finden – für etwas, das uns ohne Worte zurücklässt. Mit aufgerissenen Augen standen wir da, die Hand vor den Mund gehalten, einige liefen augenblicklich mit einem Kopfschütteln aus dem Block und quetschten sich mühsam an denen vorbei, die wie angewurzelt auf den kalten Betonstufen standen, die den ganzen Körper von unten nach oben auskühlen ließen.

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Es hat mal wieder nicht gereicht. Der VfB hat mal wieder verloren. Und wieder sind wir Fans die Leidtragenden, es ist äußerst zweifelhaft, dass den meisten Spielen in der Mannschaft das Schicksal des Vereins so nahe geht wie uns. Wir werden noch da sein, wenn sie alle längst zu anderen Vereinen entschwunden sind, die ihrem Wunsch nach erfolgreichem und vor allem gut bezahlten Fußball näher kommen als dem, dem der VfB dieser Zeit gleicht: einem Scherbenhaufen.

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Unvermeidlich

Es gibt sie noch, die Optimisten unter uns. Sie glauben unerschrocken an die Hoffnung und an das Wunder, dass der VfB unter Garantie am Ende der Saison brauchen wird, um nicht den harten Gang in die zweite Liga antreten zu müssen. Ob wir noch glauben oder nicht, in einem sind wir uns dennoch sicher: Wenn es soweit kommt und unsere Tage in der Bundesliga bis auf weiteres vorbei sind, es wäre verdient. Es ist nicht diese Saison gewesen, die unser Sargnagel wäre. Es wäre der am längsten andauernde Abstieg einer Bundesligamannschaft.

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Nach Jahren der Misswirtschaft, unglücklicher Kaderplanung und den falschen Personen auf den verantwortlichen Positionen naht nun die saftige Quittung. Ich wurde zuletzt häufiger gefragt, ob ich denn wahrhaftig keinerlei Hoffnung hätte. Meine einzige Hoffnung beschränkt sich darauf, auf ein Wunder zu warten. Doch alleine damit ist es nicht getan. Sollte es am Ende dann doch irgendwie reichen, müssen Konsequenzen gezogen werden. Wie gut die letzten Spielzeiten aufgearbeitet wurden, sehen wir ja. Wer die Ironie findet, darf sie behalten.

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Es ist Sonntag Mittag, ich sitze nun hier und quäle mich geradezu mit diesen Zeilen. Alles andere scheint gerade interessanter zu sein, vom Beobachten sozialer Netzwerke bis hin zum Wohnungsputz. Einer meiner geschätzten Twitter-Follower schrieb gestern Mittag vor der Partie: „Früher so: Geil, Spieltag. Heute so: Scheiße, Spieltag. Zeiten ändern sich, die Liebe zum Verein bleibt aber.“ – damit trifft er den Zeitgeist der leidgeplagten VfB-Fans. Richtige Vorfreude gibt es vor den Spielen kaum noch, es ist eher die Angst vor der nächsten Niederlage.

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Bis zum bitteren Ende

Den 21. Spieltag vor drei Jahren verbrachte ich im Krankenhaus, es war das erste und letzte Heimspiel in den letzten sechs Jahren, das ich verpasst hatte. Der VfB gewann 5:0 gegen die Hertha, am Ende der Saison stand man verdienterweise nach tollen Leistungen auf einem Europa League Platz, Martin Harnik kletterte aufs Podest und stimmte das Europapokal-Lied an. Es waren wahrhaft glückliche Zeiten. Wie schnell der Fall gehen kann, haben wir erlebt.

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Wehmütig denke ich an all die Spiele in dieser Saison zurück, die man mit etwas mehr Mut und Leidenschaft locker hätte gewinnen können, bei weitem waren nicht alle Ergebnisse den schlicht besseren Leistungen des Gegners geschuldet. Auf der eine Seite eine Reihe lustloser Darbietungen, auf der anderen Seite kann man die Anzahl erfolgreicher Erlebnisse wortwörtlich an einer Hand abzählen. Jedes Spiel hofft man insgeheim aufs Neue, dass nun der Schalter umgelegt wird. Vergebens.

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Wem der Glaube daran ausreicht, dass noch alles möglich ist und rechnerisch der Klassenerhalt noch locker drin sein sollte, wird sich möglicherweise schon bald fragen, wie er so naiv sein konnte. Etwas mehr positives Denken würde mir gut tun, meinen viele. Doch wie soll man positives Denken lernen, wenn die negative Realität einen Woche für Woche im Griff hat? Versteht mich nicht falsch, ich will keinesfalls, dass der VfB absteigt. Doch sehe ich das Unheil kommen, wie viele andere mittlerweile auch.

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Ohne Wille kein Erfolg

Die Optimisten eint der Gedanke daran, dass rechnerisch noch nichts verloren ist, dass jedes Spiel bei 0:0 anfängt und dass die Saison erst nach dem 34. Spieltag – oder den Relegationsspielen – vorüber ist. Doch wie sollen Spiele gewonnen werden, wenn hinten 1-2 Fehler ausreichen und vorne nichts mehr getroffen wird? Wie soll der Bock umgestoßen werden, wenn die Leidenschaft auf dem Platz fehlt und nach großen Worten keine Taten folgen? Wie soll der VfB gerettet werden, wenn es vermeintlich keine dümmeren (oder schlechteren) Vereine als uns gibt?

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Wie gut es doch getan hätte, zur Abwechslung mal mit einem Sieg nach Hause zu fahren. Völlig egal wie, einfach nur mit einem richtig schönen Sieg, mit einem Lächeln im Gesicht. Es gab auch in dieser Spielzeit durchaus schon Partien, vor denen ich mir sicher war, die Mannschaft würde sich von ihrer besten Seite zeigen und einen Sieg einfahren, nicht zuletzt für uns Fans, die wir einiges schon durchmachen mussten. Vor dem Heimspiel gegen Schalke war ich mir sicher, 3:1 würde der VfB gewinnen – und lag bereits nach wenigen Sekunden zurück.

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Ich würde gerne hoffen – ich weiß nur nicht, wie. Am Vormittag, kurz vor der Abfahrt, lächelte ich Stammfahrer Gerd an. Er freute sich, denn er hat es zuletzt nur selten gesehen. „Schön, wenn du lachst!“ – „Noch!“ entgegnete ich, als ob ich geahnt hätte, was folgen würde. Zu fünft machten wir uns auf den Weg, unser heutiges Touri-Programm führte uns jedoch nicht an die A6, sondern fürs erste in die Altstadt von Bad Wimpfen.

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Touristisches Programm in Bad Wimpfen

Nahezu alles, was von der Vorfreude auf Auswärtsspiele geblieben ist, sind die häufigen Ausflüge vor dem Spiel, meist auf dem Weg liegende Städte mit historischer Altstadt samt Mittagessen, je nachdem, wie es sich denn anbietet. Hoffenheim war seit dem Aufstieg des Kommerzclubs das kürzeste Auswärtsspiel, was gleichermaßen auch den positiven Effekt hatte, zumindest schnell wieder daheim zu sein. Letzte Saison waren wir beim IKEA in Ludwigsburg frühstücken, dieses Mal sollte die Altstadt von Bad Wimpfen mit dem berühmten blauen Turm das Ziel sein.

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134 Stufen waren es wert, sie in einem engen und baufälligen Treppenhaus hinaufzusteigen: die Begegnung mit der Türmerin Blanca Knodel inklusive spontaner Wohnungsbesichtung waren definitiv das Tageshighlight. Auf etwa 50 Quadratmeter hat sie allen Luxus, den sie braucht, samt Klavier, Whirlpool und einem roten Stubenkater mit weißen Pfoten. Dort oben lebt sie, hat drei Kinder aufgezogen und erzählte allerlei Geschichten über das Leben mit Ausblick über Kraichgau und Neckartal.

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Nach dem Abstieg (welche Ironie!) reichte die Zeit nur noch für einen Fasnetsküchle auf die Hand, bevor wir unser endgültiges Reiseziel Sinsheim ansteuerten. Später hätten wir nicht fahren dürfen, es staute sich bereits bei der Autobahnausfahrt. Platz zum Parken gabs für uns trotzdem noch reichlich, die meisten der 3.000 Fans im Gästeblock schienen bereits vor Ort zu sein. War ich am Morgen noch dezent positiv aufgeregt, hatte mich nun wieder die Sorge im festen Griff.

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„Sieg oder Abstieg!“

Die Aussagen diverser Bekannter machten es nicht besser: „Wenn wir hier verlieren, steigen wir ab“. Schnell noch eine Rindswurst mit Ketchup und hinein in den Gästeblock, der bereits gut gefüllt war. Wohin mich der Weg auch führt, die Gesichter sind meist die gleichen. Ein freundliches „Hallo, auch hier?“ (Immer!), eine nette Umarmung da. Sie alle sind der Grund, warum wir nach wie vor zusammenstehen – und auch zusammen fallen, wenn der Tag gekommen ist.

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Weiter oben kam ich schließlich zum Stehen, es gab fast keine vernünftigen Plätze mehr, der Gästeblock (gefühlt) praller gefüllt als die letzten Jahre. Neben einem älteren Herrn platzierte ich mich, immer wieder drückten sich teilweise sehr beleibte Personen an mir vorbei drückten mich gegen die Metallstange, die sich unausweichlich gegen mein Rückgrat presste. Hinter dem Stadion zog die Sonne ihre Kreise und knallte uns ins Gesicht, das konnte ja heiter werden heute.

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Noch gab es Applaus für die Mannschaft, nachdem sie sich aufgewärmt hatte. Der Neue, Geoffrey Serey Díe, war ebenfalls mit dabei, er ist vor wenigen Tagen erst zum VfB gewechselt. Noch gab es Hoffnung, sie würden ihr Spiel positiv gestalten. Noch waren wir einigermaßen guter Dinge. Noch. Zählt man die VfB-Fans in den Sitzblöcken neben uns hinzu, waren es sicherlich an die 5.000 Stuttgarter, die sich auf den Katzensprung nach Sinsheim gemacht hatten. An fehlender Stimmung unsererseits sollte es also schonmal nicht liegen.

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Fünftausend Schlachtenbummler

Da mich der Gedanke an das gestrige Spiel auch knapp 24 Stunden später immernoch aufs Tiefste verstört, werde ich darauf verzichten, jeden einzelnen Ballverlust und jeden einzelnen Rückpass zu kommentieren. Mir zumindest die „Highlights“ des Spiels auf vfbtv nochmal anschauen zu „müssen“ ist für mich schon Strafe genug. Mehr Krampf als Kampf, hatten wir uns doch schon mit dem gerechten Remis abgefunden, manche waren bereits schon auf dem Weg zum Auto.

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Wie bitter es manchmal laufen kann, haben wir keinesfalls vergessen, zu frisch noch die Erinnerung an die vergangene Saison und unzählige verlorene Punkte in den letzten zehn Minuten. Sie haben daraus gelernt, sagten sie. Sie würden es besser machen, meinten sie. Sie wollten Gas geben, versprachen sie. Und nichts passierte.

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Vieles auf dem Platz war Stückwerk in der ersten Halbzeit, und auch die Stimmung im Gästeblock war nicht so, wie man es von gut 5.000 Stuttgartern erwarten konnte, doch kein Vorwurf in dem Moment, die Köpfe hängen halt tief. Sehr viel kam von den vorderen Reihen nach oben nicht an, doch man bemühte sich zumindest. Das galt auch für die Mannschaft, die sich im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten zwar bemühten, doch wir wissen ja alle, was ein „stets bemüht“ im Zeugnis bedeutet.

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Aus dem Nichts in Rückstand

Sehr viel lief nicht zusammen, doch als wirklich schlecht würde ich die Partie nicht bezeichnen. Sie war selbstredend defensiv ausgelegt, weniger aufs Toreschießen bedacht. Und doch hatten sie ein paar Möglichkeiten, aus denen durchaus etwas hätte werden können, mit ein wenig mehr Ruhe oder auch, ein wenig überlegter statt völlig panisch und überhastet. So wird das natürlich nichts mit dem Toreschießen.

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Da machte es Roberto Firmino vor 29.309 Zuschauern schon besser, er nutzte das Tohuwabohu im Stuttgarter Strafraum aus und schoss aus der zweiten Reihe zum 1:0 ein. Diese entsetzlich grässliche Tormelodie, dieses nervige Publikum, doch vor allem, dieser Schmerz in meinem Herz. Alles, was man sich vorgenommen hatte, über den Haufen geworfen. Wieder mal einem Rückstand hinterher rennen, gegen die Hoffenheimer, die denkbar schlecht in die Rückrunde gestartet sind. Da sind wir wieder, der Aufbaugegner VfB Stuttgart!

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Ein wenig aus dem Nichts kam es zustande. Wie auch das, was nur neun Minuten später folgen würde. Sieben Tore in sechs Spielen hatte der VfB hier erzielt, ich kann mich an kein einziges erinnern, dass so glücklich zustande kam wie dieses. Das erste Bundesligator von Gotoku Sakai, wenige Minuten vor der Halbzeitpause. Abgefälscht und unhaltbar, doch welch glückselige Fügung für uns mitgereiste Fans. Der Patient lebt noch!

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Spielniveau gleich null

Sehr viel Bewegung herrschte in der Halbzeitpause nicht, vermutlich war es die Befürchtung der Meisten, nicht wieder an seinen Platz zu kommen, es war verdammt voll hier. Gab es bisher jede Saison noch ausreichend Platz, ich musste mir die Treppe nie mit einem vor mir stehenden Fan teilen, drängten sich alle auf engstem Raum. Weiter oben waren die Reihen leer, hier unten bekam man kaum Luft.

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Und weil sich niemand an mir vorbei drücken wollte, nahm ich mir die Zeit, wandt mein Gesicht gen Sonne und schloss für ein paar Minuten die Augen und ließ mich wärmen, während durch die kalten Betonstufen die Kälte durch mich kroch. Sehr viel besser wurde die Partie im zweiten Durchgang nicht, im Gegenteil – das Niveau sank in den Keller. Viele Ballverluste, viele Fehlpässe, viele Fouls, viele Unterbrechungen.

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Viel anzubieten hatte der VfB nach vorne nichts, Martin Harnik war erneut von der Rolle, auch die viel bepfiffene Einwechslung von Vedad Ibisevic brachte kein wirkliches Feuer hinein. Da trafen die Hausherren eine wesentliche Entscheidung, nämlich die, mehr fürs Spiel zu tun, als es der VfB tat. Zahlreiche Ecken und Schüsse aufs Tor ließen mich Böses ahnen, dass früher oder später einer doch reingeht.

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Die Angst vorm Tor

Die Partie wurde etwas offener, doch Hoffenheim dem Tor stets etwas näher als unsere eigenen Spieler. Der Blick auf die Anzeigetafel machte mich unruhig, so gerne ich ein aktuelles 1:1 auch genommen hätte. Seinen Kredit bei den Fans endgültig verspielt hatte Moritz Leitner, der nach 70 Minuten unmotiviert im Schneckentempo vom Platz schlurfte, fast so, als würde es uneinholbar 3:1 für den VfB stehen. Später versuchte er es mit einem Krampf zu erklären, doch wissen wir alle, dass dieses bockige Kleinkind einfach nur stinkig war, für Alexandru Maxim den Platz verlassen zu müssen.

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Für die letzten knapp fünf Minuten kam unser Neuzugang Serey Dié für Martin Harnik ins Spiel und fügte sich gleich ein mit einem Foul. Wir wissen alle, dass ein bisschen mehr Aggressivität dem VfB gut tun würde. Panisch biss ich auf meinen langen Fingernägeln herum, brachte kaum noch ein Wort heraus, abgesehen von ein paar gelegentlichen lauten Ausrufen: „Laaaaaaaauuuuuf, beweg deinen Aaaaaaaaarsch!“.

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Bitte lieber Fußballgott, wenn du uns schon nicht das zweite Tor gönnst, dann lass diese Partie wenigstens mit einem Unentschieden enden. Er zeigte sich, der Fußballgott, wenige Sekunden vor Schluss, streckte uns den Stinkefinger ins Gesicht und sagte „Nö, is’ nich“. Die späten Tore kennen wir ja noch von vergangener Saison. Nicht auszudenken, wie früh wir hätten gerettet sein können, oder anders, wie viel hoffnungsvoller die abgelaufene Spielzeit ohne diese bitteren Gegentore hätte sonst sein können.

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Schockstarre

Drei Minuten gab Schiedsrichter Tobias Welz obendrauf, der VfB bemühte grade den letzten Spielaufbau der Partie. Timo Baumgartl, der sich binnen weniger Wochen zum regelmäßig bestem Spieler auf dem Platz gemausert hat, passte auf Oriol Romeu, der im Sommer zu Chelsea zurückkehren wird. Ein mehr als unglücklicher Pass, kombiniert mit dem indiskutablen Zweikampfverhalten des Verteidigers und wir sahen Hoffenheims letzten Angriff nach vorn. Er hatte ihnen gereicht.

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Sebastian Rudy trug sieben Jahre lang das Trikot mit dem Brustring, von der Jugend bis hin zum Profigeschäft. Er war eines der Opfer der desaströsten Transferpolitik der letzten Jahre, er war weder der erste noch der letzte Spieler, der vom VfB nach Hoffenheim wechselte. Und weil der Fußball manchmal eben eine durchtriebene Hure ist, schoss auch er das entscheidende 2:1 in der Nachspielzeit. Unser schönstes Hobby wird manchmal zum schlimmsten Schmerz.

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Jeder, aber wirklich absolut jeder, stand unter Schock. Ein weiteres Mal plärrte die Tormelodie durch die blechernen Lautsprecherboxen des Stadions, wir angewurzelt standen wir da. Das gibt’s doch gar nicht. Grausamer kannst du ein Spiel nicht verlieren. Wer nicht sofort das Weite gesucht hatte, ließ seine Wut nach Abpfiff an der Mannschaft aus, die nach wenigen Metern auf dem Weg zum Gästeblock wieder kehrt machen musste. Nicht einen hatte ich jetzt noch klatschen sehen, im Gegensatz zur wohlwollenden Reaktion nach dem Spiel gegen die Bayern.

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Der Boden der Tatsachen

Lange blieb ich noch alleine im Block stehen, mit mir vereinzelt noch einige andere, die nicht in der Lage waren, auch nur einen einzigen Muskel zu rühren. Der Schock saß tief. Nur langsam und mit massiven Schmerzen in den Beinen und vor allem an der Achillessehne quälte ich mich die Stufen hinunter. Trösten lassen wollte ich mich nicht, Mitleid wollte ich nicht. Kein Wort, kein Blickkontakt, gar nichts. Ich wollte nur noch weg. Weg von Sinsheim, weg vom VfB, weg von all dem, das mir so viel Kummer bereitet.

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Seit Wochen und Monaten weiß keiner so recht, wie es weiter gehen soll. Als letzte verließen wir zur Dämmerung den Gästebusparkplatz und fuhren von dannen, den Laptop hatte ich bereits auf dem Schoß. Für die Sichtung und erste Bearbeitungen reichte die Entfernung von knapp 80 Kilometern, doch hinderten mich vielmehr die angeregten Diskussionen im Bus an einer konzentrierten Arbeit.

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Ja, es tut weh. Ja, es scheint ausweglos. Und doch ist es nur Fußball. So wollte man mir jedenfalls weiß machen. Doch richtig annehmen kann ich das nicht. Zu groß die Verbundenheit und die Identifikation. Damit auf eine vernünftige Art und Weise umzugehen, wird mein bisher schwerster Kampf sein. Gerd sagte mir, man könnte es ohnehin nicht aufhalten, wenn es soweit kommt. Und genau das ängstigt mich zusehends. Der VfB muss raus aus dem Abstiegssumpf. Dass nun ausgerechnet Dortmund kommt, macht es nicht einfacher. Im Gegenteil.

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