Träum ich oder wach ich? Der VfB führte gerade zur Halbzeit mit 4:0 gegen Manchester City, die mit ihren besten Leuten auf dem Platz standen. Was klingt wie ein Traum längst vergangener Tage des internationalen Geschäfts, war in Wahrheit das letzte Testspiel vor dem Saisonauftakt in einer Woche in Kiel. Vier zu Null. Mehrmals in Folge fast abgestiegen, nun watschte man hier den englischen Vizemeister nach allen Regeln der Kunst ab. Nur nicht überbewerten. Gar nicht so leicht, wenn man so viel Spaß hatte wie schon lange nicht mehr.

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Dabei lagen die Hoffnungen auf ein erfolgreiches Testspiel weitgehend brach. „Wenns gut läuft“, meinte ich misstrauisch, „verlieren wir nur mit 1:3. Mal sehen.“ Endlich wieder Fußball im Neckarstadion. Der Ausflug nach Bern war außerordentlich nett gewesen, doch zeigte sich dort die Tatsache, dass die Mannschaft erst seit einer Woche nach dem Urlaub wieder zusammen trainiert. In einer Woche beginnt die Saison mit dem Pokalauftakt in Kiel, was hatten sie also dazu gelernt?

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Die Vorbereitung lief zufriedenstellend, wie man den Medien und einigen Trainingslagerbesuchern entnehmen konnte. Aber reicht das, um nach dem Last-Minute-Klassenerhalt von erfolgreicheren Zeiten zu träumen? Doch was heißt schon träumen? Unsere Hoffnungen gehen allenfalls soweit, nicht wieder bis zum letzten Spieltag zittern zu müssen, so genügsam sind wir im Ländle bereits geworden. Ich würde gerne sagen, eine weitere solche Saison verkrafte ich nicht – doch das sagte ich bereits im Frühsommer 2011.

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Stuttgart international – man reiche uns schonmal den Alkohol!

Nun also gegen Manchester. Für dieses Testspiel wurde das eigentlich für diesen Sonntag anberaumte Opening abgesagt. Was konnte man sich davon Großes erwarten? Niemals sollte man Testspiele überbewerten, eine herbe Niederlage würde aber nicht arg viel Hoffnungen machen auf einen erfolgreichen Saisonauftakt, der uns die ganz große Unruhe am Wasen vorenthalten sollte. Es ist keine Euphorie entstanden unter dem neuen Trainer Alexander Zorniger, doch das Gefühl ist ein anderes als noch vor 12 Monaten, als Armin Veh als Trainer zu uns zurück kehrte. Ein flaues Gefühl, dass sich schon bald bewahrheitet hatte.

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Hunderte pilgerten bereits zur geliebten Spielstätte, die in der zurückliegenden Spielzeit so Oft Schauplatz von Trostlosigkeit und Kummer gewesen war, fünf Monate lang keinen einzigen Heimsieg sehen zu können, hatte große Unruhe in den Verein gebracht. Soll heißen: sie haben einiges wieder gut zu machen. Durch die Massen schlängelten Felix und ich uns durch bis zu unseren angestammten Plätzen in der Kurve, die noch genauso waren, wie wir sie vor 77 Tagen zurück gelassen hatten. Hallo, ihr weiß-roten Treppenstufen. Hallo, du kalte Metallstange. Hallo, ihr immer gleichen Leute. Hallo, du mein geliebtes Neckarstadion.

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Raheem Sterling, Samir Nasri, Vincent Kompany, Jesus Navas und David Silva – mit einer C-Elf waren sie nicht gerade angetreten. Ein paar City-Fans hatten die Reise auf sich genommen, womöglich in Kombination mit einem kleinen, aber feinen kulturellen Touri-Programm, wie wir es ja auch immer zu absolvieren pflegen. Viel zu melden hatte der VfB in diesem Testspiel nicht. Das dachte ich zumindest. Aber nicht lang.

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Furioser Fußball

Wer waren die Jungs in Weiß und Rot, und was haben sie mit der Mannschaft gemacht, mit denen man vor gut zwei einhalb Monaten noch beinahe abgestiegen wäre? Es hatte nicht mehr viel gemein mit den Spielern, die uns um den Verstand brachten, bevor sie gerade noch rechtzeitig Gas gegeben hatten. Es wusste zu gefallen, was wir da sahen. Doch wo war der Haken? Das selbe Problem wie so oft, schön spielen und am Ende doch (kläglich) verlieren? Was war zu erwarten vom „System Zorniger“, dass für den Flügelflitzer Filip Kostic eigentlich eine Rolle im Zentrum vorgesehen hatte? Das war so schön anzusehen, das konnte doch gar nicht echt sein. Oder doch?

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Gerade drehte ich mich noch zu Freundin Isabelle um, die mir mit Katrin zusammen in der luftigen Kurve Gesellschaft leistete, nickte wohlwollend und meinte, wie nett es anzusehen wäre. Da rollte der Ball in Richtung Untertürkheimer Kurve und gut 41.000 Zuschauer rissen jubelnd die Arme nach oben. Na hoppla! Filip Kostic war durchgestartet, mit seiner unnachahmlichen Schnelligkeit, die er erst spät in der Saison hatte durchblitzen lassen, noch heute zählt er zusammen mit Daniel Ginczek zu den besten Transfers, die unter Fredi Bobic gemacht wurden.

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Enormes Pressing, Lauffreudigkeit, sofort auf den ballführenden Gegner draufgehen, schnelles Umschaltspiel und Zug nach vorne. Man konnte gar nicht so recht glauben, was man hier zu Gesicht bekam. Auch in Bern war der VfB in Führung gegangen und kassierte dann doch noch ganze vier Gegentreffer, das eine oder andere Tor würde Manchester mit diesen Spielern sicherlich noch machen. Es sah nur nicht danach aus, als hätten sie Lust dazu. Oder war es vielmehr der Wille des neu erstarkten VfB, die Menschen zu begeistern und es einfach nicht zuzulassen, dass irgendjemand außer ihnen hier das Spiel macht?

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War das wirklich unser VfB?

Immer wieder drauf, immer wieder nach vorne, immer wieder leidenschaftlich, eine in dieser Form doch eher unerwartete Darbietung setzte sich eine Viertelstunde später fort mit Daniel Didavis Treffer zum 2:0, der uns begeisterte. Hier ist ja was los! Ein amüsanter und entspannter Fußballnachmittag, doch in unseren Reihen fehlte etwas. Der aktive Kern der Fankurve, die Ultras, waren nicht erschienen, so würde es noch zwei Wochen dauern, Freunde und Bekannte wieder an alter Wirkungsstätte begrüßen zu dürfen, denn auf das Pokalspiel in Kiel müssen Felix und ich schweren Herzens aus organisatorischen Gründen verzichten.

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Dafür war die Stimmung trotz allem recht gut, ein paar Lieder, Wechselgesänge und wohlwollend positive Atmosphäre machten den Nachmittag zu einer runden Sache. Ob es an dem glänzend aufgelegten VfB lag, der hier einfach mal so Manchester inklusive ihrer namhaften Spieler an die Wand spiele? Ja, ich weiß, nicht überbewerten – doch schlecht war das wahrlich nicht, was wir hier zu sehen bekamen. Meinem Chef wollte ich gerade noch per SMS schreiben, es stünde schon 2:0, da schoss Daniel Ginczek schon das 3:0, nach toller Vorarbeit seines kongenialen Partners Martin Harnik, der uns seit Jahren regelmäßig in den Wahnsinn treibt.

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Man hatte sich noch nicht einmal vom euphorischen 3:0 erholt, da fiel schon das 4:0, wieder Daniel Ginczek, wieder unnachahmlich schön herausgespielt. Das konnte man ja fast nicht glauben. Wir schüttelten unsere Köpfe im Kollektiv, klatschten uns ab und warfen einen ungläubigen Blick auf die Anzeigetafel, auf der in großen Lettern 4:0 geschrieben stand. Gegen Manchester City, dem englischen Vizemeister 2015 und Meister 2014. Mit einem fetten Grinsen ging es in die Halbzeitpause, erst einmal durchatmen und realisieren, was man hier geboten bekam. Dass die Dauerkartenbesitzer für diese Partie zahlen mussten, war trotz allem nicht wirklich in Ordnung.

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Gespannte Blicke in die Zukunft

So schön die erste Halbzeit auch anzusehen war, man konnte erahnen, dass die Mannschaft konditionell noch aufholen muss, denn für 90 Minuten Powerfußball reichte die Kraft einfach noch nicht, ich hoffe sehr, dass es Alexander Zorniger und dem Trainerteam gelingt, noch eine Schippe (oder auch zwei) draufzulegen, bevor es nach Kiel geht. Mir blutet das Herz, dass ich nicht dabei sein kann, das könnt ihr mir glauben. Und ich hoffe sehr, dass es bei weitem nicht die letzte Pokalstation der Saison ist, wie es letzte Saison in Bochum gewesen war.

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Viel würde nicht mehr passieren in der Partie, auch war der Spielfluss durch zahlreiche Wechsel zunichte gemacht worden. Fehler schlichen sich ein, die am Ende zu zwei späten, irrelevanten aber nichtsdestotrotz vermeidbaren Gegentoren durch Kelechi Iheanacho und Edin Dzeko führten. Sei es drum, die erste Hälfte entschädigte für alles. Doch wer weiß, wie das Spiel geendet hätte, wäre die Partie nur zehn Minuten länger gewesen. Den Applaus der 40.122 Zuschauer durften sie sich zurecht abholen, doch wissen wir wohl alle, wie wir es einzuordnen haben.

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Nur ja keine Euphorie – da sind wir uns sicher. So wie sie in der ersten Halbzeit spielten, muss uns für die bevorstehenden ersten Aufgaben nicht Angst und Bange sein, vieles hängt maßgeblich davon ab, wie gegen Kiel und Köln gespielt wird. Doch deute ich die Meinungen nach diesem Testspiel richtig, so ist eine Erkenntnis doch eine der wichtigsten: Aus einem Haufen Spieler ist eine Mannschaft geworden. Ob sie in der Bundesliga bestehen wird, wird die nahe Zukunft zeigen. Sie können begeistern. Wir sind gespannt!

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