Es wäre ja auch zu schön gewesen. Gerade eben noch schaute ich ungläubig auf die große Anzeigetafel links neben mir und konnte nicht fassen, was ich da sah. 0:2 stand da in riesigen Lettern geschrieben, um mich herum eine ausgelassene Stimmung, wie sie es schon seit ewigen Zeiten nicht mehr gegeben hat. Und doch kam es am Ende anders. Dankbarkeit, zumindest einen Punkt mitzunehmen, sieht anders aus. Den Sieg verschenkt, den man gerade noch auf dem Serviertablett hatte. Das ganz üble Spiel blieb uns erspart, ein weiteres Mal am Ende den Dreier zu verschenken, ist am Ende aber fast noch übler.

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Warum nur immer in den letzten Minuten? Wann lernt es die Mannschaft endlich, in den letzten zehn Zeigerumdrehungen vor Schluss ihre Nerven im Zaum zu halten und alles rauszuhauen, was sich jetzt noch dem Tor von Sven Ulreich nähert. Sie haben es nicht gelernt, wir können nur hoffen, das diese Phase, die sich wie ein roter Faden durch die ganze letzte Rückrunde zog, eines Tages ein Ende hat. Raus aus dem Teufelskreis, aber das ist leichter gesagt als getan.

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Ganz schlimm würde es werden, dessen war ich im Vorfeld ziemlich sicher. Was gab einem auch zum Anlass, positiv gestimmt nach Dortmund zu fahren? Extra einen Tag Urlaub genommen, um 400 Kilometer zu einem Spiel unter der Woche zu fahren, das von vornherein unter keinem guten Stern steht, und um am nächsten Tag wieder ins Büro zu kommen nach nur wenigen Stunden Schlaf, tiefen Augenringen und gezeichnet von einer erwarteten Klatsche. Manchmal tut man eben Dinge aus Liebe. Selbst wenn sie blind ist.

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Erste Konsequenzen: Fredi Bobic musste gehen

Seit einigen Tagen hingen unsere beiden Eintrittskarten an der Magnetpinnwand im Flur. Alles andere als eine Klatsche würde uns verwundern, wer rechnete hier schon im Vorfeld mit einem Punktgewinn? Erinnerungen wurden wach an jenes legendäre Spiel im März 2012, dem ich aufgrund einer selbst auferlegten Zweimonatspause nach der Knie-OP nicht beiwohnen konnte. Einst waren wir auf Europapokalkurs und hatten sechs Spieltage vor Ende bereits mehr Punkte als in der gesamten letzten Saison.

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Anders als heute, als wir als Tabellenletzter angereist waren – ohne Hoffnungen und ohne Ansprüche auf etwas Zählbares. Es sind unruhige Zeiten für den VfB Stuttgart, das wissen wir alle. Die Niederlage gegen Hoffenheim und die anhaltende Harmlosigkeit in dieser noch jungen Saison forderte erste Konsequenzen: Fredi Bobic wurde entlassen. Als wir uns am späten Vormittag mit einem guten Freund auf den Weg machten, bekam man verschiedene Wasserstandsmeldungen zu Ohren – Zur Winterpause? Nach dem Spiel in Dortmund? Oder gar mit sofortiger Wirkung?

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Selbst bei richtigen Entscheidungen schafft es der VfB trotzdem, dumm dazustehen. Zu fünft ging es Richtung Ruhrpott, mit einer Mischung aus entspannt – es gibt ja ohnehin nichts zu holen – und verängstigt – es würde übel werden, dessen war ich mir sicher. Das wird denn gut 3.200 anderen VfBlern ähnlich gegangen sein, die sich auf den Weg gemacht hatten. Ein doch recht guter Schnitt für ein Spiel in der englischen Woche, vergangenes Jahr sahen 8.000 Stuttgarter eine 6:1-Klatsche.

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Die Ruhe vor dem Sturm

Dicke Regenwolken hingen über dem Ruhrpott, als wir unser Ziel erreicht hatten und sogleich die ersten Imbissstände auf der gegenüberliegenden Straßenseite ansteuerten: „Fünf Bier bitte, wir müssen uns heute unsere Mannschaft schöntrinken“. Und so stoßen wir an, auf das uns die ganz große Blamage erspart bleiben möge. Frisch war es, um die zehn Grad, das kalte Bier in meiner Hand ließ mich nun noch viel mehr frösteln. An uns vorbei strömten zahlreiche Schwarz-Gelbe, die Atmosphäre war ruhig und entspannt.

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Vorbei an einem Schrebergarten und weiteren Imbissständen erreichten wir nach kurzem Fußmarsch Das Westfalenstadion, mit seiner Bundesliga-Kapazität von 80.645 Zuschauern das größte Stadion Deutschlands, erhob sich direkt vor uns, mit den markante gelben Metallstreben an den Ecken des Daches. Die Pforten hatten sich gerade geöffnet, zwei Stunden vor Spielbeginn. Was sollten wir noch groß draußen im Nieselregen ausharren, gleich ging es hinein, dort war es zumindest trocken.

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Minütlich füllten sich die noch weitgehend leeren Ränge und die Uhr tickte herunter. Im Rahmen des Stadionprogrammes spielten zwei Zuschauer auf einer Konsole das neu erschienene FIFA 15 das heutige Spiel schonmal vorab, beim Stand von 1:1 erzielte der Dortmunder kurz vor Schluss noch den 2:1-Siegtreffer. Ob das ein Omen ist? In der ersten Reihe verteilte sich der treue Kern der Cannstatter Kurve und nahm damit billigend in Kauf, nass zu werden. Da wurden Erinnerungen wach an die verregnete Partie einst in Freiburg.

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Lass es schnell vorrüber sein

Noch einmal „You’ll never walk alone“ von der Südtribüne, begleitet von hunderten gezückten Smartphones und Kameras im Gästeblock, und schließlich war es wieder soweit. Meinen Platz hatte ich an einem der Wellenbrecher in der Mitte eingenommen. Hier endete letzte Saison unsere Ungeschlagen-Serie, wir starten einfach eine neue, das hatten wir sogleich festgelegt. Wir hatten ja keine Ahnung, worauf wir uns da eingelassen hatten.

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Ob das große Dortmunder Lazarett dem niedergeschlagenen VfB zum Vorteil gereicht, wird sich in den kommenden 90+ Minuten noch zeigen, doch wie auch bei der halben Kraft der Bayern wird auch das vermutlich gegen uns reichen – so schwer es ist, das aussprechen zu müssen. Mit kleinen Luftballons betraten sie das Feld, schwarze und gelbe für die Dortmunder, weiße und rote für die Stuttgarter.

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Angespannte Gesichter wohin man schaute, auch wenn man nichts erwarten konnte, und auch nicht wollte. Einzig allein die Tatsache, man tut sich gegen die Großen oft leichter, gab einen kleinen Funken Anlass zur Hoffnung, das war es dann aber auch schon. Der Ball rollte. Hoffentlich ist es schnell vorbei. Die Stimmung ließ sich gut an bei den 3.200 Unentwegten, zunächst nur in den vorderen Reihen.

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Überraschender Auftakt

Von den Turbulenzen des Tages zeigte sich die Mannschaft bisher unbeeindruckt, im Gegenteil, nach knapp zehn Minuten durfte man überraschenderweise feststellen, dass sie sich Mühe gaben und die Defensive gut stand. Wenn jetzt nur noch die Offensive ihre Arbeit aufnehmen würde, wären wir dann doch sehr dankbar darum gewesen. Wer hätte etwas gegen ein ermauertes 0:0 einzuwenden gehabt, ich mit Sicherheit nicht. Die Realität würde vermutlich ohnehin anders aussehen, das war definitiv zu befürchten, ungeachtet der Dortmunder Verletztenmisere.

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Was wäre das bitte für ein wunderbarer Auftakt gewesen, wenn Christian Gentners cleverer Lupfer an der Strafraumgrenze ins Netz gegangen wäre statt knapp daneben…? Gedanken wurden wach an das letzte Gastspiel, einst schoss uns Karim Haggui nach 13 Minuten vor der Südtribüne in Führung, damit begann ein blamables Debakel, das nach 90 Minuten wohlwollend vom Gästeblock mit „Always look on the bright side of life“ quittiert wurde. Die schlimmste Zeit stand uns damals noch bevor.

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Gar nicht so schlecht bisher, gemessen an dem, was vor der Partie zu erwarten war, nicht nur aufgrund der bisher gezeigten Leistungen, sondern auch aufgrund der Unruhe, die in den letzten Tagen herrschte, die Niederlage gegen Hoffenheim hat die Gemüter noch stärker erhitzt und den Stein ins Rollen gebracht, dass es so nicht einfach weitergehen kann. Wo manch andere Außenstehende sagen, es sei am viertel Spieltag noch zu früh für derartige Unruhen, ist es für uns so, als hätte es keine Sommerpause, bzw. Aufarbeitung gegeben.

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Ein 0:0 ermauern? Warum eigentlich nicht?

Das 0:0 honorierte der Gästeblock stimmungsvoll mit lauten Gesängen und kollektivem Hüpfen, es war mitunter schwer, sich zwischen Fotos und Support entscheiden zu müssen, das ist das Los der Fotografen aus der Kurve. Der Rasen war nass, immer wieder rutschten die Spieler aus, verloren die Bälle, auf beiden Seiten. Doch sie gaben sich Mühe, wie auch der mitgereiste Anhang. „Wenn die ganze Kurve tobt, schlägt mein Herz in weiß und rot“, schnell verbreitete sich das neue Lied und wird daheim wie auswärts gerne gesungen.

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Viel Glück war erforderlich, um Shinji Kagawas Schuss noch auf die Latte zu lenken. Um ein Haar waren wir hier dem Rückstand entgangen, ganz knapp vorbei, da fehlte nicht viel. Und während den VfB-Fans der Schrecken in die Glieder gefahren war, wachte der Rest vom Westfalenstadion auf und stieg ein in die Gesänge der Südtribüne. Da war mir g’schwind das Herz in die Hos’ g’rutscht!

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Alle zehn Minuten richtete ich die Kamera auf die Anzeigetafel, könnte ja sein, dass es nicht mehr lange „nur“ 0:0 steht, aktuell wäre das Ergebnis durchaus ein Erfolg. Dass ich diese Meinung nach dem Spiel sogleich wieder revidieren würde, das konnte ja kein Mensch ahnen. Und so schaute ich weiter aufs Spielfeld hinaus, wo sich die erste Halbzeit in Richtung Pause näherte.

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Torlose Halbzeit

Dabei dachte ich eigentlich, wir würden sehr früh schon zurückliegen gegen den scheinbar übermächtigen Gegner. Umso dankbarer war ich, dass es die Mannschaft nach turbulenten Schlussminuten vor der Halbzeitpause unbeschadet in die Kabine geschafft hatte. Tief durchatmen, dann schauen wir mal, was im zweiten Durchgang so passiert. Ob es am Ende reicht, wird man einfach abwarten müssen, ganz gute Ansätze waren zu erkennen, und von denen gab es in den letzten Wochen wahrlich nicht allzu viel.

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Wie auch in der ersten Hälfte nervte mich ein sichtlich angetrunkener Stuttgarter, der geradezu durch den Gästeblock wankte und den Eindruck erweckte, als würde er bald ein Schläfchen auf den dreckigen und versifften Betonstufen machen wollen. Nicht hinschauen, gar nicht beachten, doch konnte er nicht lassen, mich ständig vollzulabern und an meinen Haaren zu ziehen. Wo sind wir denn hier, im Kindergarten?

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Die zweite Halbzeit war gerade angelaufen, die Fahnen und Schals wehten, als der vom BVB ausgeliehene Moritz Leitner zum Eckball vor dem Gästeblock antrat. Eine kurze Ecke, nicht etwa die Hereingabe in den Strafraum, Sandro brüllte neben mir „Was ist das denn schon wieder für eine Scheiße?“, begleitet von einem kurzen und lauten kollektiven Raunen aus unseren Reihen. Komisches Ding, das dürfte von den Borussen gleich geklärt sein, war zu vermuten. Doch sie bekamen den Ball nicht weg.

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Wie ging Jubeln gleich nochmal?

So schnell konnte kein Mensch schauen. Was war passiert? Warum rennen auf einmal alle VfB-Spieler zum Gästeblock? Warum fliegt Bier auf mich? Warum springen und rennen alle umher? Und vor allem: Warum schreien die denn alle so laut um mich herum? Bitte was? Der VfB hat gerade das Führungstor im Westfalenstadion erzielt? Was muss ich gleich nochmal tun? Achja: „JAAAAAAA! SCHEISSE JAAAAAAAAA!“, fest ballte ich meine linke Faust, so sehr, dass sich meine Fingernägel schmerzhaft in die Handfläche bohrten.

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Eine gefühlte Ewigkeit ist es her, dieses Glücksgefühl, dieser Moment, indem du jegliche Contenance vergisst und dich einfach nicht zurückhalten kannst, jene Sekunden, die dir Flügel geben und dich kurz für wenige Augenblicke vergessen lassen, welch harte Zeiten es sind und dir eine kleine Vorstellung von dem zurückgeben, was dich einst dein Herz an diesen Verein hat verlieren lassen.

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Daniel Didavi nutzte die Uneinigkeit im Dortmunder Strafraum aus und sorgte für das zweite Saisontor des VfB. Um mich herum wankte alles freudetrunken, wer hätte das schon erwartet. Doch Moment mal, wie war das gleich nochmal letzte Saison? Im Moment war das egal, und so genossen wir diesen Augenblick, in der Hoffnung, er würde ewig dauern. Ungläubig checkte ich die Bilder auf meiner Kamera, mit dem lachenden Gesicht von Timo Werner auf dem Display, den Blick auf uns Fans gerichtet, fast so, als wolle er mittendrin sein.

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Was war denn hier los?

Ich konnte es nicht glauben. Sie waren nicht nur in Führung gegangen, sondern sie schickten sich auch an, noch einen drauf zu setzen?! Was war denn hier los? Beflügelt vom unerwarteten Tor wuchsen sie über sich hinaus. Warum nicht gleich von Saisonbeginn an so leidenschaftlich und bissig? Sie hatten Unruhe ins Dortmunder Spiel gebracht und damit Türen geöffnet, von denen wir glaubten, sie wären fest verschlossen.

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Der Stimmung im Gästeblock tat dieser Hauch von Aufschwung sichtlich gut. Doch es waren noch einige Minuten zu spielen, nur eine Frage der Zeit, bis Jürgen Klopp reagieren würde und die Schlagzahl erhöht. Das wussten auch die Spieler in den roten Auswärtstrikots, die das einzige taten, was sie in dem Moment tun konnten: das 0:2 erzielen. Ein weiter Pass von Antonio Rüdiger landete über Timo Werner vor den Füßen von Daniel Didavi.

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„Schieeeeeeeeeß!“, 3.200 herzzerreißende Schreie, erwartungsvolle Blicke, banges Warten, eine gefühlte Ewigkeit stand er vor Roman Weidenfeller. Schließlich stürzte ich die Treppe hinab, die Kamera konnte ich gerade noch vor dem Aufprall auf den Boden schützen, schnell rappelte ich mich auf und sah eine erneute rote Jubeltraube. Um mich herum kollektives Ausrasten. Die Zeit schien für einen Moment still zu stehen, ich schaute mich um und dachte: „Das merk’ ich mir!“.

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Ein paar Minuten im Himmel

Unbeschreibliche Szenen in unseren Reihen. Niemand stand mehr still da, von der ersten bis zur letzten Reihe, Arm in Arm, die Stufen vibrierten, wie auch unsere Herzen. Oh Gott, bitte lass diesen Sieg unser sein! Mit Sicherheit war ich nicht die einzige, die nach knapp 70 Minuten leise Ansprüche auf einen Sieg erheben wollte. War das der Knock-Out für die Dortmunder, 20 Minuten vor Schluss? Ich zitterte am ganzen Leib, mein Herz raste, mehr und mehr, mit jeder Minute, die die Uhr auf der Anzeigetafel herunter zählte. Null zu Zwei, selten wäre ein Auswärtssieg so schön gewesen.

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Doch die Rechnung wir ohne den BVB gemacht. Kurze Zeit später kamen sie durch Pierre-Emerick Aubameyang wieder heran, er war einfach zu schnell, das kennen bereits zahlreiche Verteidiger der Bundesliga. Und wo gerade noch die helle Freude war, saß uns nun der Schock in den Gliedern. Dieser Anschluss kam zu früh in dieser Partie, meinte Sandro. Dinge, die ich nicht hören wollte. Aus euphorischer Stimmung wurde banges Warten und der Blick in entsetzte und angespannte Gesichter.

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Vor einigen Jahren noch kein Grund zur Unruhe. Doch in Anbetracht dessen, was hinter uns liegt, ist es vielleicht angebracht, sie Sorgen zu machen. Und das nicht unberechtigt, wie viele Punkte alleine in den letzten Minuten durch die Hände flossen, können wir schon gar nicht mehr zählen. Armin Veh reagierte und brachte eine frische Kraft, Vedad Ibisevic kam für Timo Werner. Revidieren wir mal das Wort „frisch“, denn der Bosnier gab zuletzt wenig Grund zur Freude. Auch Georg Niedermeier kam ins Spiel, für ihn ging Daniel Didavi. Jetzt alles raushauen.

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„Kämpfen und Siegen, niemals aufgeben!“

Es ist müßig, darüber zu philosophieren, was geschehen wäre, wenn Christian Gentner das 1:3 freistehend vor dem Tor gemacht hätte, zu einer Zeit, in der das Spiel garantiert entschieden gewesen wäre. So blieb die Angst vor dem, was kommen könnte. Am Ende der Saison werden wir Bilanz ziehen und auf solche Szenen zu sprechen kommen, in denen man das Schicksal aus eigener Kraft hätte positiv beeinflussen können.

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Nur noch wenige Minuten, mittendrin in der Zeit des Schreckens, die verheerenden letzten zehn Minuten. Es gab Freistoß für die Schwarz-Gelben, ich mochte nicht hinsehen, fast so, als hätte ich es bereits kommen sehen. Da stiegen sie hoch, die Gastgeber, doch was machte da Sven Ulreich. Alte Torhüterweisheit: „Wenn der Torwart raus kommt, dann MUSS er ihn haben“ – und so flog der Schorndorfer unter dem Ball vorbei, Ciro Immobilie markierte den Ausgleich. Wieder in den letzten Minuten.

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Das kann doch nicht wahr sein, bitte nicht schon wieder. Entsetzte Blicke im Gästeblock, provozierende und hämische Gesten von der seitlichen Haupttribüne, die kein trennendes Netz und Schutz vor fliegenden Gegenständen bietet. Aus einem 0:2 und fast schon sicher geglaubten Sieg schenkte der VfB den Dreier her, nun stand es 2:2 und panisch sah ich mich zurückgeworfen zu unserem Heimspiel gegen Dortmund vor 179 Tagen, als Marco Reus nach einer 2:0-Führung für den VfB noch das 2:3 machte.

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Untergetaucht

Was für ein granatenmäßiger Torwartfehler von Sven Ulreich. Die Panik ergriff mich, solche Angst davor, erneut ohne jeglichen Punkt nach Hause zurückzukehren. Dortmund drückte, angepeitscht von der Südtribüne, jetzt wollten sie den Sieg, der eine gute Viertelstunde zuvor noch unmöglich schien. Und der VfB? Der schlug sich mal wieder selber, da machen sie ein richtig gutes Spiel und schenken es her.

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Es verdichtet sich der Eindruck, dass der VfB seinen Fans gegenüber nur Grausames zustande bringt, entweder grausame Leistungen oder grausam bittere Enttäuschungen in den Schlussminuten. Die Nachspielzeit wurde angezeigt, vier Minuten gab es obendrauf – jeder durfte selbst interpretieren, ob damit die Chance besteht, den Sieg zu erringen, andere wiederum hatten Angst, das damit auch der eine Punkte verloren geht.

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Sekunden noch, ein Schuss von Lukasz Piszczek kratzte Antonio Rüdiger noch von der Linie, das wäre das 3:2 für den BVB gewesen. Kurz vorm Herzinfarkt. Dann war es vorbei. Blickt man gesamt auf 90 Minuten, gemessen an den Kräfteverhältnissen und der Anzahl an Chancen, ein durchaus verdientes Unentschieden. Doch wir kennen das ja schon: „Aber gemessen am Spielverlauf…“ – ja, durchaus.

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Gemessen am Spielverlauf

Applaus gab es zurecht, doch die Enttäuschung über den sicher geglaubten Sieg war riesengroß, das erkannte ich auch an den einem oder anderen aus den Reihen des aktiven Kerns, der die Hände hochhob und mit der rechten Hand drei Finger hob. Drei Punkte hätten es doch sein können, wenn nicht sogar müssen. Da tröstete es auch kaum, dass man im Vorfeld eine Klatsche erwartet hatte, jenseits der vier Tore Unterschied.

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Als der größte Teil der 3.200 Schlachtenbummler abgewandert war, machten auch wir uns auf den Weg – man hätte vielleicht besser im Vorfeld miteinander abgestimmt, wann und wo man sich nach der Partie trifft. Die lädierte Achillessehne brannte, als wir schnellen Schrittes zum Auto eilten, wo die drei bereits eine Weile gewartet hatten. Noch viel mehr als die Frage, ob das jetzt ein gewonnener oder zwei verlorene Punkte waren, war die Frage: Wie bearbeite ich jetzt meine Bilder?

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Auf der Rückbank, eingepfercht und eng, ist definitiv kein Platz. Felix nahm den hinteren Platz aufopferungsvoll ein, so dass ich auf dem Beifahrersitz mein Equipment auspackte und die Bilder bearbeiten konnte. Und während die Rückbank teilweise schon geschlafen hatten, plauderte ich mit unserem guten Kumpel über Gott und die Welt, oder anders: über den VfB und die Welt, die er aus meinem Leben gemacht hat.

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Weiter warten

Das Wetter blieb ungemütlich, eine kurze Pause mit Kaffee und Cola sollte reichen, über Burgstall und Weinstadt-Strümpfelbach erreichten wir unser Zuhause um kurz nach drei Uhr in der Nacht. Felix hatte für den kommenden Tag Urlaub eingereicht – ich leider nicht, mehr gab ein größeres Projekt in der Woche nicht her. Fertig geworden war ich nicht, die letzten Bilder folgten am nächsten Morgen, bevor ich spät Nachmittags im Büro aufschlug.

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Ich solle zufrieden sein, hat mein Chef gesagt. Es hätten auch null Punkte sein können, wenn Antonio Rüdiger nicht zur Stelle gewesen wäre. Doch wirklich zufrieden war ich nicht, wie hätte ich es je sein können, wenn man 20 Minuten vor Schluss mit 0:2 auswärts in Führung liegt? Wieviel dieser Punkt am Ende wert war, wird sich erst noch zeigen. Doch muss man die kämpferische Leistung anerkennen, das hatte man – trotz des erneut späten Gegentors – lange nicht mehr vom VfB gesehen.

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Fredi Bobic gebührt ein gewisser Teil des Misserfolgs der vergangenen Jahre, wir dürfen gespannt sein, was nun passiert. Ein Überraschungssieg in Dortmund wäre ein erster Schritt aus der Krise gewesen, ob die Zeiten jetzt ruhiger werden, werden die nächsten Wochen zeigen. Zum Zeitpunkt dieser Zeilen steht das Heimspiel gegen Hannover unmittelbar bevor. Drei Punkte wären ja schonmal schön. Ich mein ja nur.

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