2.400 ratlose Gesichter. Sehr viel mehr war vom Flutlichtspiel im altehrwürdigen Olympiastadion in der Hauptstadt nicht übrig geblieben. Dass es der VfB häufig einfach nicht besser kann und mit lediglich begrenzten Mitteln arbeiten muss, ist bisher durchaus schon bekannt gewesen, dass er sich ohne jede Not selbst besiegt, gehört zu den wirklich grausamen Dingen dieses Sports. Mein bester Freund meinte nach dem Spiel, er habe sich nach langer Zeit mal wieder richtig aufgeregt, denn ein solches Spiel darfst du nie im Leben verlieren. Recht hat er.

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Die Suche nach Antworten ist mühselig, auch sechs Tage später. Felix und ich kehrten erst am Dienstag Abend von unserem Kurztrip nach Berlin und Leipzig zurück, am Mittwoch fand ich keine Muße zum Aufarbeiten eines enttäuschenden Abends. Nun haben wir bereits Freitag, wir haben Urlaub in dieser Woche vor dem bundesligafreien Länderspielwochenende. Was bleibt ist die Hoffnung, das die Fehler eingestellt werden, bevor es zu spät ist.

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Der Sieg gegen Hannover sorgte nicht nur für große Erleichterung, sondern auch für den fünften Punkt in dieser Saison. Nach dem Pokal-Aus in Bochum prognostizierte ich, es würde bei maximal fünf Punkten bis zur Winterpause bleiben. Ich hoffe so sehr, dass ich am Ende Unrecht habe und noch einige Punkte dazu kommen. Gut sieht es aktuell nicht aus. Umso ärgerlicher, dass man ein vermeintlich sicher geglaubtes Spiel herschenkte und am Ende wieder mit leeren Händen nach Hause fahren musste.

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Erneut am Freitagabend

Als ob ich es geahnt hätte, dass uns die DFL erneut das Freitagsspiel im gut 630 Kilometer aufs Auge drücken würde (dankenswerterweise zumindest an einem Feiertag), buchte ich den Flug bereits direkt zum Erscheinen des Spielplan, noch bevor das erste Bundesligaspiel gespielt wurde. Abflug: Nachmittags. Ein enges Zeitfenster also, um in die Hauptstadt zu kommen, die den Tag der Deutschen Einheit im besonderen Maße zelebrieren wollte. Ob das alles so klappt, wie wir uns das vorgenommen hatten? Würden wir pünktlich ankommen und sogar noch Zeit für einen kleinen Imbiss vor dem Spiel haben?

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Mit einem flauen Gefühl im Magen hoben wir in die Luft ab und waren bereits in weniger als einer Stunde schon gelandet. Nicht etwa in Berlin, sondern – wie alle Jahre wieder – im heimischen Leipzig, unser ganz persönlicher Shuttle-Service wartete bereits aufgeregt in der Halle. Sehr viel hatten meine Eltern nicht von uns, kaum angekommen und abgelegt, wechselte der Autoschlüssel und Fahrzeugschein auch schon den Besitzer, los ging es unverzüglich in Richtung Hauptstadt.

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Teil eins hatte ja schonmal ganz gut geklappt, jetzt blieb nur noch die Hoffnung, es würde staufrei bleiben und wir würden direkt einen akzeptablen Parkplatz ergattern, keine einfache Aufgabe mit dem Wissen, nicht schon etliche Stunden zuvor vor Ort zu sein. Erst kurz vorm Stadion wurde der Verkehr tatsächlich dichter und der nervöse Blick ging sofort zur Armbanduhr, das Atmen wurde schwer. „Keine Panik, mein Schatz, wir schaffen es rechtzeitig“ – Felix versuchte, mich zu besänftigen. Mit mäßigem Erfolg.

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Spät dran, aber nicht zu spät

Es war schon dunkel, als wir das Olympiastadion erreichten, freie Parkplätze direkt am Straßenrand waren nicht mehr ausfindig zu machen. Wen wundert es auch, anderthalb Stunden vor Anpfiff der Partie. Auf dem selben Parkplatz wie im vergangenen Jahr, auf P07 kamen wir schließlich unter und liefen direkt rüber. Erst einmal hinein in den Block, erst dann konnte ich mich entspannen. Merkwürdig leer präsentierte sich der Gästeblock, was war denn hier los? Die Erklärung folgte recht schnell, die meisten Ultras waren wegen eines Megastaus bei Nürnberg noch immer unterwegs gewesen und trudelten erst nach uns ein.

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Mit Bedauern hielt ich meine kleine Kompaktkamera in der Hand, das Mitnehmen der Spiegelreflex erlaubte man mir hier leider nicht. Bei ohnehin schon schlechten Lichtverhältnissen und den großen Entfernungen würde es mit Sicherheit eine große Herausforderung für Felix und mich, hier viel verwertbares Material zu entwickeln, die Fotografenkollegen werden sicherlich wissen, was ich meine. In der Liste der am Schlechtesten zu fotografierenden Stadien rangiert Bremen übrigens knapp dahinter auf Platz Zwei.

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Auch die aktive Fanszene hatte es mittlerweile geschafft und nahm ihren Platz in den vorderen Reihen ein. Nun wurde es dann doch ganz kuschelig, ganz sicher über meinen Verbleib während des Spiels war ich jedoch nicht. Weiter oben, oder doch lieber unten an der Seite? So wanderte ich zunächst umher, getrieben von dem Willen, das Beste aus der Situation zu machen. Ob die Mannschaft auch das Beste daraus macht? Nach dem Sieg gegen Hannover sollte nachgelegt werden – zumindest sagten sie das vor dem Spiel.

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Das erste Mal

Hoffnungsvolles Warten in den letzten Minuten vor dem Spiel. Die leeren Plätze im Stadion füllten sich, doch ausverkauft war es auch dieses Mal nicht. Der Oberrang über dem Gästeblock ist leer geblieben, vielleicht gar nicht schlecht, die letzten Male mischten sich die einen oder anderen Herthaner unters Volk und provozierten. Mein Angstgegner ist Hertha nicht mehr, zwei Siege konnte man hier einfahren, 2010 und 2013, beide jeweils knapp mit 0:1.

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Hier hat alles angefangen. An jenes Spiel am 18. August 2007 erinnere ich mich noch, als wäre es gestern gewesen. Diese Neugier, diese Faszination, dieses Kribbeln im Bauch, als ich einst das erste Mal bei meinen späteren Freunden und Weggefährten stand, die Hand in den Berliner Himmel streckte und meine Stimme erhob, für den Verein, der mir mittlerweile so unheimlich viel bedeutet.

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Der Spielverlauf von damals ist nach wie vor präsent in meiner Erinnerung. Einer frühen Führung für den VfB folgte ein Elfmeter, der eigentlich keiner war, bis die Partie eine Eigendynamik entwickelte. Mich behielt der Verein als Fan, doch die Punkte blieben einst in Berlin. Wie ähnlich die Geschehnisse dieses Mal ihren Lauf nehmen würden, war fast schon unheimlich.

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„Wer nicht läuft, gelangt nie ans Ziel“

Ahnen konnte ich das nicht, ich hoffte nur eines: auf mindestens einen Zähler, denn damit wäre meine pessimistische Aussage, der VfB würde nicht mehr als fünf Punkte bis zur Winterpause holen, bereits hinfällig. Und wenn sie hinfällig wird, dann vielleicht auch, wir würden als erster Absteiger runter müssen – im Frust nach dem Bochum-Spiel waren viele böse Worte gefallen, es folgten in den nachfolgenden Wochen viele weitere. Und ständig diese Frage, warum man sich das eigentlich antut.

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Vor lediglich 46.312 von 77.166 möglichen Zuschauern betraten die Protagonisten schließlich das Feld. Kein einziger Spieler ist aus der Zeit meines ersten VfB-Spiels übrig geblieben. Lediglich der Trainer ist ein alter Bekannter, Armin Veh war zurückgekehrt. Alle anderen hatten seither entweder das Weite gesucht, hingen die Fußballschuhe an den Nagel oder durften schlichtweg nicht bleiben. In sieben Jahren hat sich so einiges verändert: der Verein, das Anspruchsdenken – und nicht zuletzt auch ich selbst.

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In der Berliner Ostkurve wurde ein Transparent gezeigt, das mir wohl nachhaltig in Erinnerung bleiben wird: „Wer nicht läuft, gelangt nie ans Ziel“. Treffende Worte einer Kurve, mit der die VfB-Fanszene ganz bewusst nichts zu tun haben will. Man mag sich nicht wirklich, das war nie anders und wird auch nie anders sein. Es ist nicht übermittelt worden, wieviele der befreundeten Karlsruher sich auf den Weg gemacht hatten.

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Okay… das war unerwartet!

Der Ball rollte. Die fünfte Spielminute war gerade erst angebrochen, die meisten Zuschauer noch nicht einmal auf ihrem Platz. Den Zweikampf an der Seitenlinie vor der Gegentribüne wertete ich noch nicht einmal sofort als entscheidend, bis auf einmal Florian Klein durch die Mauer gebrochen war und unterwegs war in Richtung Strafraum. Heidanei! Jetzt aber schnell hier, Moritz Leitner war mitgelaufen, zu schnell für die Berliner Abwehr, die noch gar nicht richtig im Spiel angekommen war – genau so wie die meisten Zuschauer auch.

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Im Nachgang betrachtet der wohl schönste Spielzug der letzten Monate. Vedad Ibisevic stand zuletzt wie Falschgeld auf dem Platz herum, seine erste wichtige Aktion nach sehr langer Zeit: ein Hackentrick, mit dem er den Ball durch die Abwehr spitzelte. In einem weiten Bogen rannte der Torschütze zur Bank, herzte alle, die auf ihn zugekommen waren. Viel jubeln konnte ich noch nicht: mit geballter Faust, doch still und leise, mit angespannten Gesichtszügen. Es ist noch zu früh, sich wirklich zu freuen.

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Und schon war es mucksmäuschenstill in der Ostkurve. Das hatten sie sich anders vorgestellt, doch auch für unseren mitgereisten Anhang kam das durchaus überraschend. Ein munterer Auftakt hier! Kein Grund zur Besorgnis für die mitgereisten Schlachtenbummler, aktuell sah es ziemlich gut aus. Eine zweifelsfrei gute Statistik, in allen Belangen war der VfB hier überlegen: Zweikampfwerte, Passgenauigkeit, und natürlich die frühe Führung. Damit lässt sich was anfangen, möchte man meinen.

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Ein Elfmeter, der keiner war

Leider spielte die Hertha mit zwölf Männern. Die Pfiffe waren lauf, als nach 22 Minuten der vermeintlich „Unparteiische“ Deniz Aytekin auf den Punkt gezeigt hatte. Valentin Stocker, an dem auch der VfB dran war (Fredi Bobic jedoch das Angebot an den falschen Berater geschickt hatte), rauschte Carlos Gruezo von hinten in die Beine und stürzte dabei theatralisch zu Boden. Der Ecuadorianer hatte ihn noch nicht einmal von hinten kommen sehen. Dennoch lautete die Folge: Elfmeter.

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Fragende Gesichter auf der einen Seite, erwartungsvoller Jubel auf der anderen. Viel machen konnte Thorsten Kirschbaum nicht, er tauchte rechts runter, während Salomon Kalou nach links schoss. Ein geschenkter Ausgleich. Schon war es das gewesen mit dem Jubel im Gästeblock, ich ahnte gleich, dass es noch zu früh war, vor Freude in die Luft zu Hüpfen. Ich kenne ja meine Pappenheimer, und schon sah ich mich erinnert an das Spiel vor sieben Jahren.

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Die zweikampfschwächsten Teams der Liga gaben sich hier ordentlich auf die Socken, es wurde gegrätscht und gefightet, und dennoch zeigte der Schiedsrichter bei der geringsten Nicklichkeit auf den Elfmeterpunkt. Verstehen muss man das natürlich nicht. Es liegt maßgeblich am VfB, wie er mit diesem Rückschlag umgeht.

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War das etwa schon alles?

Die Stimmung bei den mitgereisten Fans ließ sich zunächst gut an in den ersten Minuten, der Ausgleich per Elfmeter hatte uns aber schon früh gezeichnet. Vier Vorschreier, verteilt über den komplette Gästeblock, hatten ihre Mühe, die positiven Gedanken über die ersten Reihen hinaus am Leben zu erhalten. Jetzt nur nicht gleich aufgeben, das galt sowohl für die Spieler auf dem Feld als auch für uns in den Blöcken G1 bis G5.

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Armin Veh wird noch seine liebe Mühe damit haben, der Mannschaft das Selbstvertrauen einzuimpfen, das sie benötigen. Das Herz war ihnen in die Hose gerutscht, von diesem Moment an wirkten sie verunsichert, wie gehemmt, als habe man in den letzten Minuten das Spiel gedreht bekommen und würde ein weiteres Mal so bitter verlieren. Aber warum? Es war doch noch genug Zeit?

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Die Hertha war durch den Ausgleich von ihrer frühen Schockstarre erwacht und übernahm das Zepter, der Pausenpfiff kam einer Erlösung gleich. Hinsetzen, durchschnaufen, ausruhen. Der anstrengende Tag hatte Kraft gekostet, wie gerne ich nun die Führung mit in die Pause genommen hätte. Ich blickte umher, ziellos, es war schwer, genau auszumachen, wie es um die Hoffnung der 2.400 mitgereisten Fans bestellt war. Wir konnten nur den zweiten Durchgang abwarten.

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Ins offene Messer gerannt

Zu Beginn des zweiten Durchgangs, angepeitscht vom Gästeblock, wurden sie mutiger. Es schien so, als habe die Halbzeitansprache des knorrigen Augsburgers geholfen. Da fehlte nicht viel, Timo Werners Kopfball sorgte fast für das 1:2, wenige Minuten nach Wiederanpfiff. Wer glaubte, dass Freitagsspiele stets magere Fußballkost sind, sah hier ein doch recht kurzweiliges Spiel. Der VfB drückte – und wusste auf einmal wieder zu gefallen. Das 1:2 wäre folgerichtig gewesen, mit aggressivem Pressing und einer tollen Reaktion zu Beginn des zweiten Durchgangs.

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Sie wurden mutiger. So mutig, dass sie dabei jegliches Risiko aus den Augen verloren hatten. Allen voran: der völlig übermotivierte Antonio Rüdiger, der meinte, seinen Kollegen einen Bärendienst erweisen zu müssen. Auf dem Weg zum Tor verlor er den Ball und öffnete damit Tür und Tor für den Konter der Hertha. Wenige Sekunden später stand es 2:1 für die Gastgeber, wieder war es Salomon Kalou. Man konnte es nicht glauben. Der VfB war doch gerade noch am Drücker gewesen, und nun?

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Kurz darauf verließ der Doppeltorschütze das Feld, er sollte ohnehin ausgewechselt werden. Was für eine bittere Pille für die mitgereisten Stuttgarter. In Null Komma Nix hatten sich die Seiten gedreht, nun waren die Berliner am Drücker und drängten auf ein weiteres Tor. Beim VfB ging schlussendlich erstmal nichts mehr, die gleiche Situation wie nach dem Ausgleich per Elfmeter: wie das Kaninchen vor der Schlange.

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Viel zu lockere Zügel

Das musste man erst einmal verdauen. Wo war die unmittelbare Reaktion? Es wurde zunehmend ruhiger unter den mitgereisten, die vor, neben und hinter mir im Block standen. Würde man hier nun doch noch irgendwie ein Unentschieden mitnehmen, man hätte es mit Kusshand genommen. Manche hatten bereits die grauen Sitzschalen herunter geklappt und hatten sich enttäuscht niedergelassen, als würden sie keinen Sinn mehr darin sehen, für den VfB die Faust zu erheben.

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Weitere folgten, als ein weiterer Ballverlust zum Konter und damit dem 3:1 durch Roy Beerens führte. Alles ging so schnell, gerade war der Ball noch bei Martin Harnik, nun führte die Hertha gut eine Viertelstunde vor Schluss mit zwei Toren. War das hier zu fassen? Manche von uns wirkten wie versteinert, andere wiederum ließen ihrem Ärger freie Luft. Auf der anderen Seite feierte nun die Berliner Ostkurve und bat jeden zu hüpfen, der kein Schwabe war.

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Zentimeter fehlten kurz darauf Vedad Ibisevic, nur knapp strich der Ball am Pfosten vorbei. Er hatte sich zumindest bemüht in dieser kurzweiligen Partie, das konnte man ihm dieses Mal nicht einmal absprechen. Unweigerlich dachte ich an den warmen Augusttag vor sieben Jahren, als die Partie exakt den gleichen Verlauf genommen hatte. Der VfB hatte es in der Hand, entschied sich dann aber, die Zügel locker zu lassen. Ein schwerer Fehler, das sollten sie eigentlich besser wissen.

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Verzweifeltes Anrennen

Nur noch wenige Minuten. Die meisten hatten das Spiel bereits verloren geglaubt und abgehakt, die ersten Zuschauer beider Lager machten sich auf den Weg nach draußen. Sie verpassten das Eigentor von Sandro Wagner, welches uns dann doch noch einmal kurz hoffen ließ. Jubel brannte auf, geht hier vielleicht doch noch etwas? Wie wäre es denn, wenn es mal der VfB ist, der am Ende eine Partie dreht und doch noch gewinnt? Was wäre dann hier los?

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Mit letzter Kraft warfen sie alles nach vorne, jetzt noch irgendwie die Murmel über die Linie drücken, ob es nun noch ein Punkt wird oder sogar drei Punkte, es wäre ein Sieg der Moral. Auch der mitgereiste Anhang warf noch einmal alles nach vorn, alle Fahnen, alle Schals, alle Doppelhalter, alles wurde noch einmal ausgepackt und in die Luft gestreckt. Schreien, Singen, Klatschen, alles geben für ein kleines Wunder am Ende.

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Jedes Anrennen scheiterte spätestens beim Torwart, drei Minuten gab es am Ende noch oben drauf. Die Hände zum Gebet gefaltet, oh Fußballgott, bitte, beschere uns dieses Mal auch mal das Wunder der letzten Minuten. Wir VfB-Fans haben genug durchgemacht, es wäre mal an der Zeit gewesen, etwas wieder zurück zu bekommen. Wir flehten und hofften vergebens. Um 22:20 Uhr pfiff Deniz Aytekin die Partie ab und ließ uns ein weiteres Mal verstummen.

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Nichts zu holen

Ratlos schaute ich in den Berliner Nachthimmel und starrte schließlich eine halbe Ewigkeit auf die Anzeigetafel über der Gegentribüne. 3:2. Nach 0:1. Das Leben ist so ungerecht, der Fußball ist so ungerecht. Und wenn wir uns auf den Kopf stellen, wir können es trotz aller Leidenschaft und Liebe zu diesem Verein nicht ändern, dass er sich ein weiteres Mal geradezu selbst geschlagen hat. Ohnmächtig stehst du schlussendlich daneben und versuchst zu verstehen, was da gerade eben passiert ist.

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Unnötig und dumm, besser kann man vermutlich nicht das Zustandekommen der Gegentore bezeichnen. Fahrlässig und enttäuschend, besser kann man vermutlich nicht das beschreiben, was nach dem Ausgleich folgte. Ratlos und verzweifelt, besser kann ich vermutlich nicht einmal mich selbst beschreiben. Solche gebrauchten Tage beschert einen der Fußball immer wieder, in welcher Häufigkeit jedoch ist wahrlich beängstigend.

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Vergangene Saison feierten die Jungs mit uns noch auf der blauen Tartanbahn, heute kamen sie nicht einmal mehr über die Bande, um sich für die wohlwollende Unterstützung zu bedanken. Dabei kam ihnen ein Applaus zu gute, nachdem mir gar nicht so recht gewesen war. Da führst du, mal wieder, und doch…?! Wie so oft.

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Betretene Gesichter

Der Block leerte sich zügig, nahezu wortlos packte die Fanszene ihre sieben Sachen zusammen und lief zu den Bussen, die sie in einer mehrstündigen Fahrt durch die Nacht wieder ins Ländle bringen sollte. Einige Blicke tauschte ich von weitem aus mit Freunden und Bekannten, ich erntete nicht mehr als ein wortloses Schulterzucken und der traurige Blick aus leeren Augen. Es beschrieb die Situation ganz gut, keiner vermochte wirklich auszusprechen, was man hiervon halten sollte.

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Frustriert sank ich auf einem der grauen Klappsitze am Gang zusammen und schaute ins Leere. Wie so häufig brauchte es erst den Rausschmeißtrupp des Ordnungsdienstes, uns den Weg aus dem Block zu zeigen. „Würden Sie dann bitte das Stadion verlassen?“ sprach einer von ihnen in tiefer Stimme zu mir, ich schaute ihn an und dachte „Würden Sie dann bitte mal die Fresse halten?“. Ich schwieg, und machte mich gesenkten Hauptes auf den Weg, gemeinsam mit Freunden waren wir die letzten im Gästebereich.

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Es war kühl geworden. Auf dem Weg nach draußen trat ich gegen plattgetretene Plastikbecher, die Hände tief in den Jackentaschen vergraben. Auf Höhe der Bahnstation trennten sich die Wege, Felix und ich liefen zurück zu Parkplatz P07, auch dort gehörten wir zu den letzten. Langsam fuhren die Busse mit Geleitschutz an uns vorbei, ich mag mir kaum vorstellen, wie es ist, jetzt eine stundenlange und frustrierende Heimfahrt vor mir zu haben.

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Willkommene Länderspielpause

Einen Blick warfen wir ihnen noch zu, „Kommet gut hoim“, setzten uns in das Auto mit Leipziger Kennzeichen und fuhren von dannen. Knapp zwei Stunden später erreichten wir die Wohnung meiner Eltern, die beide noch wach gewesen waren. Mein Vater fragte mich „Ja was war denn das jetzt schon wieder für ein Mist?“ und schmunzelte. Ich antwortete genau so, wie meine Freunde mir geantwortet hatten. Schulterzucken.

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Am nächsten Morgen erst war ich fertig mit den Fotos, stellte sie online und widmete mich dem angenehmeren Teil unseres Kurztrips: Zeit mit der Familie verbringen, alte Freunde besuchen, und in der schönen Altstadt spazieren gehen. Eine angenehme Ablenkung nach dem neuerlichen Frust in der Hauptstadt, die mich auch nach unserer Rückkehr noch mehrere Tage lähmen sollte und mir jegliche Muße raubte, einen Spielbericht zu schreiben.

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Vor uns steht nun ein Länderspielwochenende. Ebenfalls eine willkommende Abwechslung, sind es doch die einzigen Wochenenden, die tatsächlich uns, und nur uns, gehören. Kein Fußball, keine Fotos, kein Stress, keine Spielberichte – und vor allem auch: kein Frust. Niemand weiß, was vor uns liegt, nach der Pause folgt das Heimspiel gegen Leverkusen. Ich habe Angst. Vor weiteren Niederlagen. Vor dem erneuten Abstiegskampf. Und auch vor Stefan Kießling.

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