Und das war der 8. Streich. Es war mein 8. Länderspiel innerhalb der letzten 4 Jahre. Einst hat die Deutsche Nationalmannschaft für ein schnelles (Wieder)Aufleben meiner Begeisterung für den Fußball gesorgt, nachdem sie 10 Jahre still und friedlich schlummerte. Es folgten einige gute und einige schlechte Länderspiele, die bei der Frage um die Gunst meiner Begeisterung gegenüber dem VfB Stuttgart schnell den Kürzeren zogen. Dennoch habe ich einige gute Erinnerungen an Spiele in schwarz-rot-gold.

Mein bis dato letztes Länderspiel war mein “Heimspiel” gegen Liechtenstein im Februar 2009 in Leipzig, ein Spiel was für mich seinerzeit eher mit Frust denn mit Freude verbunden war, obwohl es gewonnen wurde. Danach folgte lange Zeit nichts \” dafür die Dauerkarte beim VfB und etliche Auswärtsspiele. Die Nationalmannschaft stand hinten an, 2010 wurde trotz geplantem Länderspiel in Berlin zum ersten spielfreien Jahr \” der Umzug nach Stuttgart funkte dazwischen.

Und nun war es wieder soweit, die Nationalmannschaft trat zum Testspiel gegen Brasilien an, in unserem erst vor einer Woche eingeweihtem nun endlich fertiggestelltem Stadion. Ausgerüstet mit wenn auch eher schlechten Plätzen in der Untertürkheimer Kurve war die Freude dennoch nicht abzusprechen, stand uns mal ein entspannter Fußballabend bevor, ohne hitzige Aufregung, ohne die Angst, Punkte liegen zu lassen. Eigentlich wollte ich mich nur berieseln lassen \” und regte mich am Ende trotzdem auf.

Ein etwas befremdliches Gefühl. Du siehst nicht überall die selben Gesichter wie jedes Mal, die Trikots, die die Menschen tragen, die deinen Weg kreuzen, sind anders, sie schwenken andere Fahnen und kommen teilweise aus ganz anderen Gegenden. Unser Stadion, fest in der Hand der Nationalmannschaft, das Wort “Heimspiel” traf zwar doppelt hinzu, dennoch mit nur der Hälfte der Begeisterung, die ich sonst nur für den VfB hege.

Wo viele Freunde und Bekannte nicht zu sehen waren, waren dafür alte Bekannte erschienen, unter anderem Marc und Olaf vom Forum tooor.de und Rico, Fanbeauftragter der Sektion Mitteldeutschland (für Fans der Nationalmannschaft in den neuen Bundesländern), ihm hatte ich damals mein Dabeisein beim Viertelfinale gegen Portugal bei der EM 2008 zu verdanken \” mein bisher schönstes Länderspiel. Alles anders wars dann doch nicht, Daniel, Alexej und natürlich Felix machten es wieder ein bisschen heimelig.

Wenige Tage zuvor gewöhnte man sich im Handumdrehen wieder an das Gefühl, durch den Eingang an der Cannstatter Kurve ins Stadion zu kommen, eine Saison Untertürkheimer Kurve waren mehr als genug. Schon wieder dort hin laufen. In meinem Kopf lief wieder die Durchsage ab, die ich so oft in der vergangenen Saison gehört habe: “Bitte beachten Sie, während der Saison 2010/2011 ist der Fritz-Walter-Weg gesperrt. Bitte beachten Sie das Wegleitsystem und folgen den Anweisungen des Sicherheitspersonals. Vielen Dank für Ihr Verständnis.” – unseren Weg kreuzten währenddessen zahlreiche weiße und gelbe Trikots.

Für Felix war es keinesfalls eine neue Perspektive. Im Block 80, Oberrang, für den wir Karten hatten, verbrachte er vergangene Saison und machte immer fleißig tolle Fotos. Auch ich kannte es, vom Tag der offenen Kurve nach dem Heimspiel gegen Wolfsburg, als sich jeder der Lust hatte die Perspektiven in jedem Block der Untertürkheimer Kurve anschauen konnte um sie dann umzumünden auf die Cannstatter Kurve, für die gerade die Bestellphase angelaufen war.

Statt unsere Plätze inmitten der schon fast voll besetzten Reihen einzunehmen, bezogen wir lieber Stellung am höchsten Punkt der Kurve, als man niemanden durch Stehen und Herumlaufen die Sicht versperren konnte, denn dahinter saß oder stand keiner mehr. Ganz weit hinten, ganz weit oben, beim VfB ein für mich untragbarer Zustand, bei der Nationalmannschaft durchaus zu verkraften. Ein Blick zurück verrät mir allerdings auch, wie meine Anfänge waren: stets die “günstigsten” Karten für die “Singing Area” hinter dem Tor, immer bei der “Choreographie” mitmachen, immer im “Stimmungskern”, das war meine Welt.

Ich gebe zu, ich hätte es gerne gesehen, wenn Michael Ballack, ehemaliger Kapitän der Nationalmannschaft, hier und heute sein Abschiedsspiel gemacht hätte, nachdem er eher unschön gesagt bekam, man würde nicht mehr mit ihm planen. Irgendwie kann ich ihn auch verstehen, war die Art und Weise von Bundestrainer Jogi Löw doch nicht die feine englische Art. Schade drum, ehrlich. Man hätte es schöner zu Ende bringen können, mit einem gebührenden Rahmen.

Nachwievor konnte ich mich mit dem Gefühl nicht arrangieren, dass es hier nicht der VfB war, der hier seine Tore schießen sollte. Dennoch hoffte ich ein positives Erfolgserlebnis, war es zwar nicht das Heimspiel des VfB, aber dafür das Heimspiel des Claudemir Jeronimo Barreto, den wir alle nur als Cacau kennen. Seine Einwechslung wäre das, was sich die Stuttgarter in IHREM Stadion wünschten, manche sogar noch mehr als unbedingt zu gewinnen. Das ist ja immerhin seit 18 Jahren nicht mehr gegen Brasilien geglückt. Übrigens: es ist zugleich auch das Land, in dem unser Cacau geboren wurde, bevor er 2009 die deutsche Staatsbürgerschaft annahm.

Zum Einlaufen der Mannschaften wurde auch dieses Mal eine große Choreo gezeigt. Standesgemäß wurde bei der Nationalhymne gestanden und mitgesungen, die Akustik kam bis hoch zur letzten Reihe schon recht gut rüber. Dann konnte es auch schon losgehen. Nach dem Anpfiff, der gerade eben noch im tosenden Jubel zelebriert wurde, wich schnell der relativen Stille und die Leute setzten sich auf ihre Plätze. So ist das halt, bei der Nationalmannschaft, erst recht außerhalb der Singing Area.

Die Stimmung im Stadion zeigte sich so, wie ich sie in Erinnerung hatte. Behäbig, langsam, Stoisch. Zur Untertürkheimer Kurve kam kaum ein Fangesang rüber, nur langsam erhob sich das Stadion bei “Steht auf, wenn ihr Deutsche seid” oder “Deutschland, Deutschland!”. Ja, dafür bin ich damals auch mal 500 Kilometer quer durch Deutschland gefahren. Zumindest erfreulich war die Laola-Welle, die einige Male durch das Stadion schwappte, was ich beim VfB zum Beispiel schon lange nicht mehr gesehen habe.

Und das Spiel? Achja, da war ja noch was. Ich will nicht sagen, dass das Spiel vor sich hin plätscherte, aber es passierte zumindest in der 1. Halbzeit nicht viel, was einer Erwähnung wert gewesen wäre. Chancen auf beiden Seiten, doch der Ball wollte noch nicht rein. Meinen Blick ließ ich immer wieder durch die Reihen gleiten und schwätzte mit einem neben mir \” Felix war in der 1. Halbzeit noch ein Stückle weiter unten, da er eine Karte für Block 80A und ich für 80 C hatte.

Die Halbzeitpause verbrachten wir außerhalb des Blocks, unsere Vorfreude war groß, hatten es doch viele für wahrscheinlich gehalten, das Cacau recht bald eingewechselt wird. Direkt zur 2. Halbzeit kam er noch nicht, wir mussten uns gedulden. Richtige Euphorie, wie ich sie einst bei solchen Spielen empfand, konnte ich nicht aufbauen. Ich hatte zunächst nur Kopfschütteln für die emotionslosen Sesselpupser übrig. Beim Fotos machen standen sie zumindest nicht im Weg.

Gejubelt werden durfte dann sogar auch noch, als vor der Cannstatter Kurve auf Elfmeter für Deutschland entschieden wurde. Bastian Schweinsteiger verwandelte sicher. Nach wie vor “Schwarz und Weiß”, die selbe Tormelodie seit Jahren. Doch wer im Glashaus sitzt, sollte zugeben, sich selbst an die Torhymne des eigenen Vereins ebenso gewöhnt zu haben.

Nur 6 Minuten später erhöhte Dortmunder Mario Götze, der nach diesem Spiel als gottähnliche Gestalt geadelt werden würde, auf 2:0. Super, gutes Ergebnis, wenns dabei bleibt. Jetzt noch Cacau einwechseln und alles ist gut. Denkste! Alles ging ganz schnell, wiederrum kurz darauf gab es wieder Elfmeter, diesmal für Brasilien. Auch Robinho verwandelte sicher, es stand nur noch 2:1. Zehn Minuten vor Schluss machte der Leverkusener André Schürrle auf 3:1, den Sieg wollte man sich nicht mehr von der Schippe nehmen lassen.

Statt lauter Fangesänger vernahm man in der 2. Halbzeit \” vom Torjubel abgesehen \” eigentlich nur eines: “Caaacauuuu, ohoooooo”, ein sehr bekanntes Lied für jene, die sich gelegentlich bis oft im Neckarstadion aufhalten. Er machte sich warm und wurde von den Fans gefordert. Immer wieder schaute er zur Bank und hoffte auf das Signal zur Einwechslung. Von Löw kam kein Handzeichen.

Während Brasilien dann doch noch das 3:2 machte, wurde mein Frust größer und das Fluchen lauter. Wie konnte er nur? Sicherlich kann man dem Bundestrainer nicht vorschreiben, wenn er einladen und wen er spielen lassen soll, wen er einwechseln oder auswechseln soll \” dennoch erscheint es doch nicht unmöglich, einen Spieler bei seinem Heimspiel in seinem Stadion gegen sein Geburtsland zumindest 20 Minuten zu gönnen. Erst recht wenn man bedenkt, das man in Freundschaftsspielen nahezu beliebig oft wechseln kann.

Traurig trotteten die Einwechselspieler zur Bank. Pfiffe wurden laut, Cacau war einer von ihnen. Wenige Minuten vor Schluss wurde noch Simon Rolfes eingewechselt. Und als keiner mehr damit rechnete, durfte sich Cacau seine Trainingsjacke ausziehen und für 3 Minuten aufs Feld. Oh, wow! Danke Jogi, wie nett von dir. Überaus rücksichtsvoll!

Und somit überstieg der Ärger über Cacaus zu späte Einwechslung über die Freude über den 3:2-Sieg \” wie eingangs geschrieben dem ersten seit 18 Jahren. Dennoch versuchte ich mich dennoch am erfreulichen Ergebnis zu erfreuen, es gelang nicht komplett. Denke ich zurück, sehe ich lange Gesichter nur bei Niederlagen und nicht zu bremsende Freude selbst bei Testspielsiegen. Es hat sich einiges verändert in den letzten Jahren.

Direkt nach dem Abpfiff verließen wir den Block und liefen schnellen Schrittes nach Hause. Für das arbeitende Volk war eine Anstoßuhrzeit von 20:45 Uhr unter der Woche einfach nicht wirklich günstig. Viele taten es uns gleich, auf die Ehrenrunde haben wir verzichtet. Mit schweren Beinen noch die vielen Passanten überholen zu müssen, trieb einen glatt die Krämpfe in die Waden, doch der Wunsch nach der schnellen Heimkehr war trotz des historischen Sieges größer. Immerhin mussten wir am nächsten Tag wieder zurück an den Arbeitsplatz.

Schnell noch die Bilder rübergezogen und gesichtet, dann fielen wir auch schon ins Bett. Was bleibt hängen vom Testspiel gegen Brasilien? Endlich mal wieder ein Länderspiel gesehen zu haben, das erste zu dem ich zu Fuß hinlaufen konnte (das schaffte ich damals nicht einmal in Leipzig), ein anderes Publikum, andere Spieler, anderer Gegner. Alles war anders als sonst. Erfolgreich war es in jedem Falle, doch kann es mir nicht mehr die selben Glücksmomente im Fußball geben wie einst. Das ist dann wohl nur nur dem VfB vorbehalten.

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