Zu wissen, dass nichts einem etwas anhaben kann, ist ein tolles Gefühl. Zu wissen, es am letzten Spieltag ausgerechnet gegen Bayern München um nichts mehr geht und mein einfach den Tag genießen kann, allerdings auch. Man hätte die Strapazen einer überaus anstrengenden und enttäuschenden Saison wieder gut machen können indem man den mitgereisten VfB-Fans einen Sieg geschenkt hätte \” dem war leider nicht so, aber wie gesagt: es war ohnehin scheiss egal.
Das letzte Mal, dass ich so entspannt einem Spiel entgegen blickte, war… wenn ich recht überlege, war es das erste Mal, dass es mir fast schon egal war. Soviel zumindest zu meinen Erwartungen VOR dem Anpfiff. Mit Felix, Katrin, Ingrid und Gerd machten wir uns früh morgens auf den Weg ins etwa 200 km entfernte München.
Erste Station: Königlicher Hirschgarten, angeblich der größte Biergarten der Welt mit 8000 Plätzen inmitten eines 150 Jahre alten Baumbestandes. Nach einem leckeren Mittagessen wechselten wir auf den Freisitz, als die Sonne sich am Himmel zeigte und tranken Kaffee während wir beobachtete, wie immer mehr Fußballfans in den Biergarten strömte, offenbar fanden nur wenige VfBler den Weg hier her.
Für unsere Verhältnisse brachen wir erst relativ spät auf, die Uhrzeit völlig aus den Augen verloren machten wir uns knapp über eine Stunde vor Anpfiff auf dem Weg Richtung Arroganz, pardon, Allianz Arena, wo wir beim nahe gelegenen Hornbach Baumarkt parkten und das letzte Stück zu Fuß zurücklegten, als sich vor uns scheinbar in unmittelbarer Nähe das Schlauchbot erhob, es bis dorthin aber ein unwahrscheinlich lang gezogener Fußmarsch wurde.
Die Zeit rannte, und wir mit ihr. Schnell in den Block, für ein Treffen mit meinem Bekannten Josef, einer der wenigen gescheiten Bayern-Fans, langte es vor dem Spiel nicht mehr. Kaum hatten wir uns im Oberrang eingefunden inmitten tausender VfBler, die zeitiger da waren als wir, bezogen wir unsere Plätze.
Eine neue Nachricht auf dem Handy: Ich wurde gesichtet, von Nico aus Wurzen, treuer Blogleser und seines Zeichens natürlich leidenschaftlicher Brustringträger. Grüße an ihn, möge er die ständige Vertretung in Sachsen aufrecht erhalten.
Es wurde geschoben, gequetscht und gedrückt, doch auch wir fanden unsere Plätze, natürlich wie immer in den Reihen der Jungs und Mädels von unserem Fanclub Boys in Red. Man mag über das Münchener Stadion sagen und denken was man will, man kann sich über lächerliche “Fans” aufregen oder einfach nur seine Abneigung kund tun, aber zumindest der Blick aufs Spielfeld war angenehm.
Dann konnte es eigentlich auch bald losgehen mit dem letzten Spiel, was ungeachtet des Ergebnisses den Schlussstrich unter eine Saison ziehen sollte, die wir mit einem blauen Auge in mahnender Erinnerung behalten werden.
Ich gab mir Mühe, mir immer wieder einzureden, dass mich nichts, was ich heute sehen würde, aus der Fassung bringen würde. Dass so manche Mühe durch gewisse unvorhergesehene Vorkommnisse aus der Bahn kommen kann, hätte mir eigentlich klar sein müssen.
Es war nicht immer nur Glück, das uns gerade noch rechtzeitig vorm Abstieg bewahrt hat. Es war vielmehr der Kampf und der Wille, die dazu beigetragen hatten, dass aus einer sauschweren Serie von Finalspielen 3 von 4 Spielen gewonnen werden konnten: Hamburg, Köln und Hannover. Wer hätte das gedacht. Und diesen Willen, das Spiel an sich zu reißen, das sah man auch insbesondere in der 1. Halbzeit in München, eine wohlwollend zu beobachtende Vorstellung unserer Jungs.
Mit einem Auge beim Spiel, mit dem anderen Auge im Gästeblock nach schönen Fotomotiven suchend, doch konnte ich es nicht vermeiden, gelegentlich einen Blick auf den zu werfen, dessen Entscheidung nach München zu wechseln selbst hartgesottenen VfB-Fans schwer im Magen lag. Der, der die Nummer 33 auf dem Trikot trug. Ich bin selbstverständlich nicht nachtragend. Aber ich vergesse nicht. Niemals.
Auf so manches war ich vorbereitet, selbst eine relativ schnelle 5:0-Führung der Bayern wie einst im Dezember hätte mich nicht überrascht, wenngleich es natürlich bitter gewesen wäre. Nein, es waren nicht die Bayern. Es war der VfB, mit Shinji Okazaki und seinem Schuss ins Glück. Nach 24 Minuten stand es 0:1 aus Bayern-Sicht.
Da war sie wieder, die Erinnerung an jenes letztes Gastspiel in München, das der VfB mit 2:1 gewann, während ich in Leipzig in meiner ehemaligen Stammkneipe saß. Und die Erinnerung kam nicht allein \” sie hatte die Hoffnung im Schlepptau, dass mir diese Gänsehaut-Momente ebenfalls nach 90 Minuten gegönnt sein mögen.
Doch seit wann läuft es schon so, wie man es sich in den kühnsten Träumen ausmalt. Das Leben ist kein Wunschkonzert, und die Bundesliga erst recht nicht. Das Messer in meiner Brust drehte sich mehrmals um, als der Ausgleich geschluckt werden musste. Bei all dem Schmerz, den ich auch beim Schreiben dieser Worte empfinde, es wird nicht nötig sein, seinen Namen zu nennen \” ihr denkt ihn euch bereits.
Mit einem 1:1 in die Pause zu gehen, war durchaus ein eher unerwartetes Ergebnis. Erfreulich das Tor von Shinji, der lange Zeit brauchte, um zu treffen, und nun schon das 2. Spiel in Folge, für ihn kommt das Ende der Saison ohne jede Frage zu früh. Es belebte das, was ich eigentlich vermeiden wollte: zu große Erwartungen. Doch mit der kurzen Freude abfinden und sich dem Schicksal whrlos ergeben? Nein, wohl kaum. Einfach noch mitnehmen, was geht.
Das Problem war nur: es ging nix mehr. Nach der Pause überließ man weitgehend den Bayern das Spielfeld, ohne groß etwas dagegen setzen zu können. Die Hoffnungen schwanden, doch ein 1:1 zu halten war nach wie vor ein wichtiges Vorhaben. Die Rechnung hatten wir aber ohne die Münchener gemacht, die durch Bastian Schweinsteiger in der 71. Minute das Spiel doch noch drehten. Danach war die Luft raus.
Ich fühlte mich so, wie ich mich immer fühlte, wenn so etwas passierte: niedergeschlagen. Sobald der VfB in Führung geht, habe ich \” verständlicherweise \” die Erwartung, dass man dieses Ergebnis auch hält, bzw. Weiter ausbaut. Der erste Jubel auf unserer Seite reichte aus, um Erwartungen zu wecken. Wäre ich glücklicher gewesen, der VfB wäre nicht in Führung gegangen? Keinesfalls, denn der Jubel im Gästeblock und die darauffolgenden Gesänge der Häme waren es jederzeit wert.
Ein ungewöhnliches Bild. Der VfB verlor soeben ein Spiel. Und niemanden schien das groß fertig zu machen (von meiner minimalen Enttäuschung abgesehen). Alle klatschten und freuten sich, dass es vorbei ist. So sahen das auch die Spieler, die danach in die Kurve kamen und mit uns feierten. Sogar eine Welle wurde zelebriert, wann gab es das zuletzt nach einem Spiel, das nach einer Führung noch aus der Hand gegeben wurde und verloren wurden? Ich bemühte mich redlich, mich lieber zu freuen, dass man sich achtbar aus der Affäre gezogen hat.
Das war es also. Schicht im Schacht, Ende im Gelände. Es war vorbei, wirklich vorbei. Lange blieben wir auch nicht mehr im Block, auf Felix wartete noch die Einlösung seines Gutscheins für eine Wurst und ein Getränk, auf mich wartete hoffentlich noch der Josef, der mir vor gut 4 Monaten, als der VfB bis zum Hals in der Scheisse steckte, ein Nichtabstiegswürstchen beim letzten Spiel in München versprach. Leider wurde daraus nichts mehr, getroffen habe ich ihn nebst Familie dann doch noch, unter den wachsamen Augen der das Stadion verlassenden Münchener Schickeria.
Mit langsamen gemütlichen Schritten trotteten wir zurück, allesamt ziemlich erleichtert, dass wir jetzt diese Saison abhaken können. Die ersten Regentropfen fielen auf uns herab und drohten unserVorhaben “Absacken im Biergarten” zu kippen. Kurz nachdem wir das Parkhaus verlassen haben, brachen die Wolken auf und schütteten eimerweise Regen auf uns herab. Dann also direkt heim, schade, aber was solls.
Auch der Stau, der uns bei der Rückfahrt ein wenig zu schaffen machte, konnte die Stimmung nicht trüben. Freue ich mich jetzt auf die Sommerpause? Oh ja, endlich mal Dinge erledigen, wo man an den vielen Fußball-Wochenenden kaum Zeit hatte. Aber ihr könnt mich ja in 2 Woche nochmal fragen, wenn der Entzug langsam Wirkung zeigt. Mein Aufputschmittel: die Bestätigung für meine neue Dauerkarte. Für immer Cannstatter Kurve!
33 Jahre, gebürtig aus Leipzig, seit 2010 wohnhaft in Stuttgart – Bad Cannstatt. Dauerkartenbesitzerin, Mitglied, ehemalige (Fast-)Allesfahrerin und Fotografin für vfb-bilder.de. Aus Liebe zum VfB Stuttgart berichte ich hier von meinen Erlebnissen – im Stadion und Abseits davon.
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