Es wurde nicht die Chaosfahrt, die ich befürchtet hatte. Alles klappte bestens, was besonders erfreulich ist, wenn man bedenkt, dass nur wenige Tage zwischen “Ich weiß noch nicht, ob ich nach Bochum fahr!”, “Ja, ich fahr doch!”, “Wie komm ich da eigentlich hin?” und dem Spiel am Freitag Abend lagen. Ich habe es überlebt und kehrte mit 3 Punkten aus dem Ruhrpott zurück.

Viele Wege führen nach Rom Bochum, doch leider entpuppten sich die wenigsten als brauchbar. Bahn? Seit dem Problem mit der Aschewolke wurden die Preise angezogen. Hinzu wäre ich nach vielen Stunden Fahrt noch einigermaßen gut angekommen, doch zurückzu wäre ich erledigt gewesen. Selbst mit dem Wochenendticket fuhr keine Bahn mehr Richtung Heimat (die echte Heimat, also Leipzig) und auch mit der Gültigkeit bis 3 Uhr wäre das nicht machbar gewesen. Fliegen? So kurzfristig zu teuer. Gerd hätte Spaß daran gehabt, erklärte er mich nach Barcelona doch zum “Flugwunder”. Mietwagen? Stand ebenso im Raum, leider kam die Absage des Mitfahrers wenige Tage zuvor – er wäre der einzige mit Führerschein gewesen.

Letzte Chance: über Mitfahrgelegenheiten geht eigentlich immer etwas, die Rückfahrt war schnell geklärt, übernachten wollte ich in Dortmund bei tooor.de-Freundin Elly. Nur die Hinfahrt bereitete mir Bauchweh, eine direkte Fahrt von Leipzig nach Bochum um die Mittagszeit herum gab es nicht. Somit buchte ich 12:30 Uhr von Leipzig bis Wuppertal, von dort aus wollte ich mit dem Zug weiter über den Bochumer Hauptbahnhof zum Stadion. Der Fahrer erklärte sich aber bereit, mir die Chaosfahrt über Wuppertal zu ersparen und setzte mich bereits am Dortmunder Flughafen raus. Bis dahin verging die Zeit wie im Flug, eine lustige Fahrgemeinschaft: 2 Jungs, 2 Mädels, 1 Meerschweinchen und 1 Spongebob Kissen.

Schönstes Wetter, strahlender Sonnenschein. So wurde ich begrüßt, als ich nach der Übergabe des Fahrpreises von 20 Euro am Flughafen rausgelassen wurde und von dort aus mit dem Bus zum Hauptbahnhof weiterfuhr. Noch hatte ich Zeit, nochmal kurz für kleine Vielfahrer und eben noch die Mannschaft von Borussia Dortmund gesehen, als sie ins Flugzeug Richtung Nürnberg einstiegen, dann konnte es losgehen.


Bochumer Ostkurve

Mit dem Wissen, schneller da zu sein, als ich eingeplant hatte, war ich richtig entspannt, machte es mir in der U-Bahn bequem und war relativ schnell am Hauptbahnhof, wo ich mir noch ein Ticket nach Dortmund lösen musste und in die S-Bahn einstieg zur nächsten Etappe meiner Auswärtsfahrt, die ich alleine hinter mich brachte. Die ersten verdutzten Blicke: “Hööö? Eine Frau, alleine, unterwegs zum Stuttgart-Spiel?” – ja, dessen bin ich mir bewusst. Und ich bin verdammt stolz drauf, eine vielfahrende Brustringträgerin zu sein.

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3 Euro für ein kleines Schließfach sind eine Unverschämtheit, aber das ist ja leider nichts neues, in ganz Deutschland wurden die Preise für kleine Bahnhofsschließfächer um 1 Euro erhöht – Skandal! Nützte aber alles nichts, weder kann ich mit Rucksack in den Gäste-Stehblock, noch mit meiner 1,5-Liter-Wasserflasche, beides allenfalls unter “Unpraktisch” zu verbuchen. Weiter ging es zum Stadion, nur wenige Stationen mit der Straßenbahn, die ich mit der freundlichen Hilfe der ortsansässigen Bochumer schnell gefunden habe. Dass die Orientierung an fremden Orten und ich keine Freunde mehr werden, ist ja auch schon längst nichts Neues mehr.

Nach nur wenigen Stationen war ich auch schon da, es war noch früh, gerade einmal gegen 6 Uhr Abends. Noch sah ich kaum weiß-rote Trikots und Schals, ein bekanntes Gesicht allerdings schon. Oli, einer meiner treuesten Blog-Fans, begrüßte mich, die Wartezeit bis zum Spiel überbrückte ich also in netter Gesellschaft. Als ich schließlich von hinten umarmt wurde, ging mir das Herz auf: nun war auch mein Felix da. So verging die Zeit bis zum Anpfiff sowieso wie im Fluge. Dann klingelte auch noch mein Telefon: “Ute, wo treibsch du dich rum?” – “Öööh…in Bochum!” – Wünsche für ein gutes Spiel und eine Einladung zur Geburtstagsfeier gabs noch von meinem Stammfahrer Reinhart übermittelt. Dann noch schnell das Ticket übergeben bekommen, schon ging es hinein in den Gäste-Stehblock E1.

Ein paar Treppenstufen hinauf und einen ersten Blick in das Stadion geworfen, was für viele VfB-Fans zur absoluten Extase wurde. Hier gewann der VfB am vorletzten Spieltag der Saison 2006/2007 mit 3:2, als zeitgleich Schalke gegen Dortmund verlor. Am letzten Spieltag gewann der VfB gegen Cottbus und wurde Deutscher Meister. Soviel zur trockenen Theorie, mehr haben ich leider zu dieser Zeit nicht erfahren können. Das war leider vor meiner aktiven VfB-Zeit, doch es ist müßig, zu sagen: “Wäre ich doch nur vorher schon zum VfB gekommen” – wer weiß, ob dann alles so gekommen wäre, wie es jetzt ist. Die Menschen in meinem “neuen” VfB-Leben habe ich durch so viele Zufälle kennengelent, und ich möchte sie nicht mehr missen.

Statt nach unten zum Stimmungskern, wo ich weder etwas gesehen hätte, noch gute Fotos hätte erbeuten können, zog es uns, bzw. mich, Felix und Gerd, nach oben. Weniger Gequetsche, bessere Sicht zum Fotografieren, mehr vom Spiel sehen. Das Gedränge im Gästeblock wurde immer dichter, es wurde langsam voll, schließlich dauerte es nicht mehr lang bis zum Anpfiff.


Liebe Grüße an meine Jungs!

Stressig wurde es, als die Mannschaften unter dem Beifall der 25431 Zuschauer einliefen und die Zeit des Fotografierens für mich begann. Ich wünschte, ich könnte sie schon mein Eigen nennen, eine moderne digitale Spiegelreflexkamera. Aber das ist derzeit eben leider nicht drin, die Fahrt- und Ticketkosten sind auch so schon hoch genug, da gebe ich das Geld lieber dafür aus. Somit gebe ich zumindest alles was ich kann mit meiner mittlerweile in die Jahre gekommenen Canon PowerShot A700, mit 6 MegaPixeln und 6fach optischen Zoom sicher nicht die schlechteste, aber gerade wenn es um größere Entfernungen geht und vor allem bei Dunkelheit werden die Fotos nicht so schön, was sehr bedauerlich ist.

Gespannt beobachtete ich das Geschehen im unteren Teil des Gästeblocks, beteiligte mich am Support so gut es ging, sofern Platz für meine kurzen Arme vorhanden war. Natürlich verfolgte ich auch das Spiel, was den Verlauf annahm, den man ruhigen Gewissens erwarten konnte: massives schwäbisches Übergewicht. Das galt auch für die Unterstützung der Fans, von der Bochumer Ostkurve war so gut wie gar nichts zu vernehmen, abgesehen von einer Schalparade vor dem Spiel. Lediglich bei meiner obligatorischen Nachbetrachtung über vfbtv konnte ich ein paar Fangesänge der Ruhrpottler hören.

Anders als vor einem halben Jahr im Hinspiel, als das späte 1:1 durch den Bochumer Christian Fuchs die Emotionen entfesselt hat, die seit Wochen in Stuttgart brodelten, hatte ich hier keine Bedenken, 0hne Punkte wieder heim zu fahren. Was nach nicht einmal einer Viertelstunde geschah, gab mir recht: ein Angriff des VfB, kurzes Gestocher vor dem Tor des Bochumer Keepers Philipp Heerwagen, und drin war der Ball! Die Führung durch Cacau nach 14 Minuten, ein jubelnder Gästeblock und die schönste Form des Torjubels, die man sich vorstellen kann – was gibt es Tolleres im Leben?

Die Freude war groß, wollten wir doch mit der Brechstange ins europäische Geschäft. Es sind wahrlich die Wochen des VfB, als beste Rückrundenmannschaft lagen wir auch hier wieder vorne. Unendlich weit entfernt schien die Zeit, in der alles aus dem Ruder zu laufen schien. Die Erkenntnis war angekommen, unter anderem in der Reihe hinter mir: “Wir haben den Trainerwechsel definitiv zu spät gemacht!”.

Gerade erst hat man sich wieder einigermaßen vom 1:0 beruhigt und schrie die Mannschaft wieder nach vorne, wurde aus den mitgereisten Fans erneut ein weiß-roter Jubelhaufen. Gerade einmal 4 Minuten nach dem 1:0 schoss Ciprian Marica das 2:0, ja was ist denn hier los? Ein traumhafter Pass vom 1:0-Torschützen Cacau, drin war der Ball. Das würden wir uns nicht mehr nehmen lassen, dessen war ich mir bewusst.

Ich genoss einfach den Moment, hier und jetzt im Gäste-Stehblock in Bochum. Zumindest bis mir ein großer Schreck in die Glieder fuhr: Oh verdammt, der Franz! Eben jener gab wieder einen SMS-Ticker in Auftrag, da er selbst das Spiel nicht sehen konnte. Da war der Akku meines Handys dieses Mal noch einigermaßen voll, und dann vergesse ich ihn auch noch, herrje, ich bin ja eine tolle Kumpeline. Das wurde natürlich schnell nachgeholt, ich bin mir sicher, dass er sich über alle Maßen gefreut hat.

Viel passierte nicht wirklich bis zur Halbzeitpause, diese genoss man natürlich umso mehr in vollen Zügen, war die Zeit in Bochum doch nur sehr knapp bemessen. Auf einmal klopfte man mir auf die Schulter und sprach mich an, man hätte meine Fotos bei studiVZ gesehen, als ich damals nach dem letzten Heimspiel der vergangenen Saison gegen Cottbus beim Mannschaftstraining war. Der junge Mann erkannte mich wieder, er stand auf der gegenüberliegenden Seite und machte Fotos, das selbe was ich auch tat.

Weiter ging es mit der 2. Hälfte, wieder wurde gedrängt und gedrückt was das Zeug hielt. Der VfB spielte nun auf die gegenüberliegende Seite des Stadions vor der Bochumer Ostkurve, während Jens Lehmann zum höchstwahrscheinlich vorletzten Auswärtsspiel seiner Torwart-Karriere vorm Gästeblock Stellung bezog.

Wie man eine Partie cool und locker zu Ende spielt, bewiesen unsere Jungs in den letzten 45 Minuten des Spiels, das größtenteils aus Mittelfeldgeplänkel bestand – 2 Euro ins Phrasenschwein. Immer wieder die Hände in die Höhe, Klatschen, Singen, Schreien, alles, was mein schon recht erschöpfter Körper noch hergab. Alles, was zu tun war, war nach 18 Minuten bereits erledigt. Natürlich hätte man sich gewünscht, noch weitere Tore zu schießen um noch etwas für das Torverhältnis zu machen, das am Ende der Saison auch durchaus entscheidend sein kann, doch die Jungs beließen es dabei und ließen den Ball laufen, ohne wirklich zwingend noch einmal offensiv einzugreifen um aus dem 2:0 vielleicht noch ein 3:0 oder 4:0 zu machen.

Einmal wurde es dann doch noch spannend. Oh Gott, mein Herz! Wir holten ihn als Linksverteidiger, Cristian Molinaro, den wir von Juventus Turin ausgeliehen haben. Nicht nur ich hoffe, dass mit ihm verlängert wird, bzw. er fest zu uns ins Ländle wechselt. Beinahe ein Eigentor, als sein höchst zweifelhafter Klärungsversuch nur wenige Zentimeter über die Latte rauschte. Das Adrenalin schoss jedem in die Adern, hätte dieses Tor doch Bochum wieder zurück ins Spiel gebracht und für Verunsicherung sorgen können. Aber dem war ja nicht so, der Ball ging glücklicherweise drüber und wir konnten uns alle wieder beruhigen.

Unter dem Beifall des Gästeblocks ging das Spiel nach 91 Minuten zu Ende. Jubel, Trubel, Heiterkeit, die Welle des Erfolgs hält auch nach jenem Flutlichtspiel am Freitag Abend an. Wir feierten unsere Mannschaft, wir feierten uns, und was schon seit dem 2:0 gesungen wurde, wird immer wahrscheinlicher: “Erste Runde Budapest, zweite Runde Rom, in Kopenhagen schnell ans Telefon, vielleicht nach Rotterdam, vielleicht nach Mailand, vielleicht auch Teneriffa eine Woche Sandstrand….Europapokaaaaaaaal, Europapokaaaaaaal!”

Minuten später standen wir immernoch Arm in Arm im Gäste-Stehblock, der sich rasch leerte, wie auch der ganze Rest des Stadions. Zurück blieben glückliche Schwaben (und solche, die es noch werden wollen) sowie geknickte Bochumer, für die der Abstieg der “Unabsteigbaren” immer näher rückt wie ein grausamer Abgrund. Auch für uns wurde es dann aber langsam Zeit, der letzte gemeinsame Weg führte zu den Fanbussen, die einige Minuten zu Fuß vom Stadion entfernt geparkt hatten.

So schön der Tag auch war, das Abschiednehmen von meinem Felix war die Hölle. Doch das ließ sich eben nicht vermeiden, konnte ich doch nicht einfach mit in diesen Bus einsteigen. Der Weg zurück wurde schweren Herzens nochmal für Fotos genutzt, eines der besten Panorama-Fotos bei Auswärtsfahrten entstand, Flutlichtmasten haben schon etwas Tolles, so nostaligisch, so traditionslastig.

Die meisten VfB-Fans waren mit den Fanbussen da, die ihren Weg seit einigen Minuten in Richtung Stuttgart angetreten haben. Von allen anderen waren viele privat mit dem Auto da und ebenfalls auf dem Heimweg, der Rest verschwand schon mit den letzten Straßenbahnen. Da blieb mir nichts anderes übrig, als der gefühlt einzige VfB-Fan in einer vollgestopften Straßenbahn zu sein. Blöde Sprüche ala “Ein bisschen weiß, ein bisschen rot…” blieben natürlich nicht aus, doch ich suchte mir einen Sitzplatz ganz im hinteren Eck der Bahn und wurde dann in Ruhe gelassen, ist eine allein reisende Frau doch eher eine Seltenheit und nicht unbedingt ein Zielpunkt der Aggression – nein, nicht einmal im Ruhrpott.

Mich führte mein einsamer Weg zum Dortmunder Hauptbahnhof, nachdem ich am Schließfach meine Sachen abgeholt hatte. In 15 Minuten würde die S-Bahn abfahren plus 5 Minuten Verspätung, also etwa 10 Minuten vor Mitternacht. Für mich war das okay, aber zeitgleich erreichte mich eine SMS meiner Freundin Elly, bei der ich in Dortmund übernachten wollte: die letzte Bahn vom Dortmunder Hauptbahnhof bis zu ihr nach Hause würde 0:15 Uhr fahren, was unter Umständen knapp geworden wäre. Doch sie erklärte sich sofort bereit, mich dort mit dem Auto abzuholen, was dann auch gut klappte. Raus aus dem Zug und schnell waren wir schon am Auto.

Nach nur wenigen Minuten Fahrt bezog ich Quartier und bettete mich nach einem kleinen Mitternachtsimbiss zur Ruhe. Schön durchgeschlafen bis halb 11, leckeres Frühstück und am frühen Nachmittag ging es zum Hauptbahnhof, wo ich von meiner Mitfahrgelegenheit abgeholt wurde. Eine entspannte Fahrt im Smart “four four”, einem Fünf-Sitzer mit Panorama-Dach und genug Beinfreiheit für die kleine Vielfahrerin auf dem Rücksitz. Abgesetzt in Meusdorf gings dann mit der Straßenbahn weiter, natürlich wieder nicht ohne die verdutzten Blicke. Aber was tut man nicht alles aus Leidenschaft.

Ein überaus souveräner Auftritt war das heute, bei weitem nicht das attraktivste VfB-Spiel aller Zeiten, aber 3 Punkte sind 3 Punkte, die werden wir brauchen wenn es darum geht, am Ende der Saison noch irgendwie ins internationale Geschäft zu kommen. Hand hoch, wer daran fest geglaubt hatte nach dieser Hinrunde. Für mich war es ein weiteres siegreiches Auswärtsspiel, meine Angst, ich würde in der Bundesliga auswärts nur Pech bringen, hat sich bereits in Köln zerschlagen. Ebenso freute ich mich, die Bilder am nächsten Tag bei vfb-bilder.de präsentieren zu können, seit wenigen Tagen bin ich als offizielle Fotografin unterwegs und werd mein bestes tun.

An der Stelle ein Gruß an tooor.de-Kumpel Daniel, der mit Alex darum gewettet hatte, dass der VfB nicht mehr ins internationale Geschäft kommt. Ich bin ja mal gespannt, wer am Ende die Nase vorne hat und dem anderen einen Kasten Wulle-Bier spendieren muss.

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