Keine leichte Zeit für uns VfB-Fans, das ist wohl an keinem vorbei gegangen. Nach Wochen der Niederlagen und Unentschieden trotz teilweise ziemlich guter Spielanlage wurde es allerhöchste Zeit, das Ruder herum zu reißen. Wer kann da also ein besserer Gegner sein als die Hertha aus Berlin, die zu diesem Zeitpunkt Tabellenschlusslicht ist. Wir standen nicht sehr viel besser da, von Platz 16 aus ist der Weg zurück nach vorne so scheinbar unendlich.

Ein paar aufregende Tage standen mir bevor, mein Programm hat vorgesehen, am Samstag das Heimspiel zu besuchen, am Sonntag nach dem Training zurückzukehren um einen Tag später nach Berlin zu fahren, wo das Flugzeug nach Glasgow, Schottland, starten sollte.

Doch nun lag der Tunnelblick erst einmal auf dem Heimspiel gegen die Hauptstädter. Mit unruhigen Gefühlen ging es morgens um 7 Uhr in aller Herrgottsfrühe los, in Halle holten wir noch André ab. Mein Stammfahrer, seine Frau, sein Kind, André und Torsten aus Weißenfels wollten im Gegensatz zu mir noch bis Montag bleiben und von dort aus direkt nach Schottland aufbrechen.

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Nach den üblichen 4 einhalb Stunden Fahrt kamen wir schon an, ich ließ mich zunächst an der Jugendherberge absetzen, wo ich noch schnell eincheckte und die unumgänglichen 12,50 € Mitgliedsbeitrag und die 22,90 € Übernachtungskosten im 4er Zimmer abdrücken musste. Eben noch das Bett bezogen und alles Unnötige im Schließfach verstaut marschierte ich bergab in Richtung Hauptbahnhof, von wo es auch schon direkt nach Bad Cannstatt gehen sollte – die heilige Strecke zu Fuß, wie so oft in den letzten Wochen und Monaten.

Vorm Stadion traf ich meinen Kumpel Alex, der noch Flyer verteilt hatte, auch Philipp kam auch noch mit dazu, ein kurzes Vorgeplänkel vor dem richtungsweisenden Spiel. Als ich auch noch einen anderen wichtigen Menschen kurz vorm Durchqueren der Eingangstore abgepasst hatte, suchte ich langsam meinen Platz auf und verfolgte wie alle 2 Wochen, wie sich das Stadion langsam füllte.

Einzig und allein mein Kumpel Marc erschien von den “üblichen Verdächtigen” im Tooor.de-Block 37c, alle anderen waren in anderen Stadien unterwegs oder sonstwie verhindert. Die Entscheidung, wo ich die 2. Halbzeit verbringen würde, fiel mir somit ziemlich leicht, zumal Marc in der Begleitung seines kleinen niedlichen Großneffen war. Nach einer Schweigeminute für Nationaltorwart Robert Enke, der am 10.11.2009 den Freitod gewählt hat, konnte es losgehen.

Wie so oft in den letzten Wochen begannen wir wieder ziemlich gut und lieferten eine gute Startphase ab – das alleine reicht jedoch nicht, schmerzlich häufig haben wir das am eigenen Leibe erfahren müssen. Und auch hier gab es keine Ausnahme, brachen unsere Jungs doch wieder langsam ein und wurden nach 45 torlosen Minuten mit zaghaften Pfiffen in die Kabinen geschickt. Möge es doch bitte ordentlich knallen in der Umkleide, auf dass die 2. Halbzeit die Wende bringen würde.

Für mich war es an der Zeit, die Blöcke zu wechseln, gestärkt von einer geteilten Portion Pommes mit Ketchup wurde ich eingeschleust und durfte die zweiten 45 Minuten im Stimmungskern des Neckarstadions erleben. Wo ich daheim in Leipzig schräg angeschaut werde, so bin ich unter diesen Menschen dann doch irgendwie zu Hause, eine von ihnen.

Die Zeit der Ernüchterung war auch an jenem Tag schnell gekommen, kaum fand ich mich ein zum Singen, Hüpfen und Klatschen, vernahm ich das Jubelgeräusch aus der falschen Ecke des Stadions. Rings um mich herum wütende Gesichter, leere Blicke und Tristesse, die jeden Platz im Stadion ausfüllte – vom Gästeblock der Berliner abgesehen, die gerade das 0:1 erzielt haben.

Das kann doch wirklich kaum wahr sein, aber es ist wahr. Solche Geschichten schreibt der Fußball und gesegnet ist der Verein für Bewegungsspiele Stuttgart 1893 e.V. wahrlich nicht in jenen schweren Wochen. In der Hoffnung, zumindest durch unseren Support die Mannschaft nach vorne zu tragen und zum Kämpfen zu animieren, taten wir das, was wir immer mit voller Leidenschaft tun: singen, schreien, anfeuern, bis zur allerletzten Sekunde. Was sich so gut anhört, ist mittlerweile nicht selbstverständlich, denn die Wut und Enttäuschung steigen unübersehbar, die Unzufriedenheit nimmt zu, viele werden bereits jetzt lustlos.

Nur noch 10 Minuten zu spielen, ich habe alles gegeben was ich konnte, sang und schrie mir die Seele aus dem Leib, bis ich husten musste. Die Angst davor, ein weiteres Spiel unnötig zu verlieren, durch Dummheit und Unfähigkeit, machte sich breit und ließ mich daran zweifeln, ob das noch halbwegs gut enden würde. Mit allem Glauben aber den doch noch ersehnten Ausgleich wurden wir dann aber doch noch belohnt, in der 82. Minute erzielte Neuzugang Zdravko Kuzmanovic den Ausgleich. Auch, wenn es viele im Nachgang ungern zugegeben haben, der Jubel war dennoch groß.

In den darauffolgenden Momenten wurde alles, aber auch wirklich alles, was keine Torwarthandschuhe trägt, nach vorne geschickt,  um den Siegtreffer förmlich zu erzwingen. Leider gelang uns das nicht, und um es mit den Worten unseres Noch-Trainers Markus Babbel zu sagen: “Die Chancen wieder nicht in Tore ummünzen können”. Die Chancen. Oder in Wortlaut “Schaaaasen”. Mit dem Abpfiff senkten sich unsere Häupter zu den Klängen von “Steh auf, wenn du am Boden bist“.

Noch vor einigen Wochen glaubte ich, schlimmer als die Heimspiele gegen Köln und Bremen könnte es nicht werden, doch dieses Spiel gegen Berlin war ein neuerlicher Tiefpunkt in der Geschichte dieser bisher derart katastrophalen Saison 2009/2010. Wenn du Hertha nicht schlagen kannst, wen denn dann?

Ein paar letztes Fotos, dann traf ich mich wieder mit Alex, wir gingen etwas Essen und dann Sportschau gucken, bevor wir den Abend gemütlich in einer VfB-Fankneipe ausklingen ließen. Viel Zeit zum Frust schieben gab es nicht, Grund zu den schlimmsten Befürchtungen allerdings schon. Welche Chancen kann man sich im Champions League Spiel in Glasgow ausrechnen, wenn man vor heimischen Publikum eine derart desolate Leistung abliefert? Ich wollte mir diese Frage nicht selbst beantworten – einige Tage später sollten wir klüger sein.

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