Welch unglaubliche Erfolgssträhne der deutschen Nationalmannschaft! Die Siegesserie geht weiter und auch am Mittwoch Abend hat man sich nicht von sehr starken Rumänen aus dem Konzept bringen lassen. 3:1 lautet das Ergebnis, welches ich live im Kölner Stadion miterleben durfte. Mit dabei: supernette neue Leute vom Forum www.tooor.de, die das ganze unvergesslich gemacht haben.
Auch dieses Spiel war natürlich nicht zum Zunge schnalzen schön, keineswegs. Von der ersten Halbzeit ganz zu schweigen – da ging ja gar nichts, weder spieltechnisch noch stimmungstechnisch. Aber in der Halbzeitpause wurde ein Schalter umgelegt und unsere Jungs drehten richtig auf – starke Leistung, ein Spiel so zu drehen.
Aber ich kehre vorerst zurück an den Punkt, wo die Geschichte vom Spiel ihren Anfang nahm: an der U-Bahn-Station am Kölner Hauptbahnhof. Wie ich dorthin kam, erzähle ich euch später. Der Tagesabschnitt „Fußballspiel“ begann wenig rühmlich mit dem Fahren in die falsche U-Bahn-Richtung. „Wooops“ dachten meine Begleitung Sabine alias makaay10 und Ich, als wir unser Maleur bemerkten. Also gleich wieder ausgestiegen und in die andere Richtung gefahren, dort kam die Bahn auch ziemlich schnell und wir fuhren diesmal in die richtige Richtung.
Ich glaube, am Heumarkt stiegen 4,5 junge Kerle ein, die ebenfalls auf dem Weg zum Stadion waren, während wir ja unverkennbar mit Trikots auch dahin wollten. Es handelte sich wohl um Kölner, aber keiner von ihnen schien schon seit langem zu wissen, das im Rheinenergie-Stadion ein Spiel der deutschen Mannschaft stattfindet. Jedenfalls hatten sie keine Tickets – und offensichtlich auch keinen Plan. Weder vom Ticketkauf noch vom richtigen Lesen des Liniennetzplans des KVB (Kölner Verkehrsverbund) – 3 Stationen hintereinander sagte der Eine, wir seien nächste Station da. Vollidiot, hehe.
Dort angekommen erhob sich das Rheinenergie-Stadion neben der Bahnhaltestelle. Auf dem Weg dorthin erspähten wir bereits das DFB-Fanzelt und den DFB-Bus. Kurz geguckt und dann gings gleich mal hinters Stadion, dort war der für 16:00 Uhr vereinbarte Treffpunkt an der Gaffelbude. Auf der Nordseite, an der wir vorbeimussten, erspähten wir einen großen Bus und einen Menschenauflauf. „Das werden doch wohl nicht die Jungs sein…oder etwa doch?“. Grinsend legten wir einen Zahn zu und erkannten dann aber doch, das es nur die Kapelle war. Pech gehabt. Hinterm Stadion an der Südtribüne fanden wir zu unserer Überraschung eine gähnende Leere vor. Nur eine kleine Grillbude war da, unmöglich, das die gemeint war.
Also den Frank alias Kartenfahnder alias Fahndi angerufen und gefragt, wo wir hinmüssen. Er meinte nur noch, das die Frage wohl eher nicht „Ist die Gaffelbude schon in Betrieb?“ sondern eher „Existiert die Gaffelbude schon?“ hätte heißen müssen. Um 4 Uhr nachmittags war jene nämlich noch nicht aufgebaut und Frank lotste uns zum nahe gelegenen Biergarten, wo auch bereits der Tooorler Ruhrpott gewartet hat. Später kamen auch Berezin und HumanMuelltonn dazu. Und ja: auch Leute mit solchen komischen Namen sind tatsächlich meine neue Forenfamilie.
Die Minuten verstrichen bei lustigen Gesprächen und wir wollten langsam aufbrechen. Die Gaffelbude wurde bereits aufgebaut, teilten uns die letzten beiden dazugekommenen Jungs. Also gings auch direkt dorthin, wo wir nach und nach immer mehr Tooorler wurden. Wer wann und mit wem erschienen ist, weiß ich jetzt auch nicht mehr so genau, aber ich habe mich riesig gefreut, alle kennenzulernen, denn ich kannte an diesem Tag vorher keinen einzigen.
Ich habe im Internet gelesen, das es am DFB-Fanbus kostenloses Schminken gibt. Zuletzt hab ich das in der Grundschule gemacht, aber dieses Mal musste das sein. Im Rucksack schleppte ich zwar meine eigene Wasserfarben-Schminke mit mir herum, aber wenn das „professionell“ gemacht wird, schadets auch nicht. Und so bat ich Sabine, mich dorthin zu begleiten – sie selbst wollte sich allerdings nicht schminken lassen. Es schien ihr unglaublich wichtig zu sein, vor dem Schminken noch einen Begegnungsschal zu kaufen, welcher für sie bei jedem Spiel absolute Pflicht ist. Vor uns in der nicht gerade kleinen Schlange am Schminktisch war gerade ein junger Kerl an der Reihe, der mir als „Schweini für Arme“ in Erinnerung bleiben wird. Er hielt zwar mit seinem kompletten Gesichtspainting lange die ganze Reihe auf, aber er genoss etliche neugierige Blicke, denn er war unserem Bastian „Schweini“ Schweinsteiger wie aus dem Gesicht geschnitten – der Gesichtsausdruck, das dümmliche Grinsen, die Frisur (nicht mehr auf topaktuellem Stand. Der echte Schweini trägt nun Silberblond!) und überhaupt.
Ich bewegte mich nur langsam in Richtung Schminktisch. Da bimmelte auf einmal mein Handy. Im DFB-Bus wurde lautstark übers Mikrofon moderiert, ich kann da unmöglich rangehen. „Raumplaner“ stand auf dem Display, der nette junge Mann, dem ich mein Ticket für dieses Spiel und das Spiel gegen Tschechien verdanke. Ich bat Sabine, mich kurz zu vertreten und so ging ich doch ran. „Wo bist du denn, ich seh dich nicht“ brabbelte ich orientierungslos und neben dem DFB-Bus um die eigene Achse drehend ins Telefon. Auf einmal sagte er am Telefon „Ah, ich hab dich!“, ich drehte mich um und ein von vielen Fotos bekanntes Gesicht kam mir grinsend entgegegen. Der Hannes alias Raumplaner.
So reihten wir uns wieder ein in die Warteschlange. Es wollte sich sogar ein weiblicher Rumänien-Fan vordrängeln mit der Begründung „Ich will doch nur paar Streifen“, aber die ganze Reihe wartete auch schon. So kam ich erstmal dran. „Ich will Herzchen draufhaben!“ – das stand für mich definitiv fest. So wurden mir links und rechts Herzchen mit Deutschland-Farben gemalt. Hannes wollte links und rechts die deutsche die rumänische Nationalflagge haben. Warum auch nicht, ist ja nur ein Freundschaftsspiel.
Da simmer dabei, dat is prima, Viva Colonia!
Das ganze hat viel länger gedauert, als beabsichtigt. In der Hoffnung, das noch jemand da ist, gings wieder zurück zur Südtribüne an die Gaffelbude. Gott sei Dank waren noch ein paar Leute da. Es wurde noch ein bisschen nett geschwatzt. Viel Zeit blieb allerdings nicht mehr, denn es war bereits schon Viertel nach 8, in 15 Minuten sollte das Spiel anfangen. Es wurde noch schnell ein gemeinsames Foto gemacht, was nach entsprechender Bearbeitung auch ganz gut geworden ist. Im Schlepptau von Hannes alias Raumplaner gings dann direkt zum Eingang, wieder wie üblich abgetatscht worden und der Rucksack schnell durchgeschaut, was diesmal sehr viel schneller ging als beim VfB-Auswärtsspiel in Berlin vor einem Monat.
Die Geräuschkulisse wurde lauter und lauter, es spielte (selbstverständlich) die Musik von „De Höhner“: VIVA COLONIA. Was wahrscheinlich auch der Grund war, warum die Leute vom Fantreffen erst kurz vor Anpfiff das Stadion betraten. Ich war wieder zutiefst beeindruckt vom Stadion. Es war noch lange nicht voll (und sollte es auch nicht werden im Verlauf des Abends) aber in dem Moment war es mir erst richtig bewusst, wo ich gerade bin: Nach einer 6-stündigen und 500 Kilometer weiten Reise war ich nun im Kölner Stadion und erwartete mit großer Spannung das Freundschaftsspiel Deutschland gegen Rumänien. Diesen Weg hätten nur sehr wenige auf sich genommen. Aber ich bereue nichts.
Wo sind eigentlich unsere Plätze? Block S3, Reihe 13, Plätze 19 und 20. Es würde sich noch zeigen, das auch dieses Mal diese Plätze wohl auch kein purer Zufall sind, wie schon in Berlin. Nachdem wir einen Moment im falschen Block waren, fanden wir uns dann auch im richtigen Block S3 in der Südtribüne direkt hinterm Tor ein. Auf dem Platz machten sich die Teams warm und die Kölsche Stimmungsmusik lief pausenlos vom Band. Ich frage mich, wieviele Menschen im Stadion waren, die einen weiteren Weg als 200 Kilometer hinter sich gebracht haben… Von allen Leuten des Fantreffens bin ich übrigens doch nur Platz 2 der am weitesten Gereisten. Sabine überholte mich noch, denn sie kommt sogar extra aus München.
Neben unseren Plätzen fanden wir zusammengerollten, weißen Tonkarton. Das kann nur eines bedeuten: meine erste Choreographie. Ich freute mich natürlich. Auf den rotfarbigen Sitzplätzen klebten kleine Zettel mit den Anweisungen für die Choreographie. Es stand drauf, das unser Kapitän Michael Ballack der deutschen Nationalmannschaft schon seit fast einem halben Jahr fehlt und das man ihn grüßen möchte mit einer eigens für ihn gedachten Choreographie. Die zusammen hochgehaltenen Tonkarton-Blätter entweder in den Farben Schwarz, Rot, Gelb und Weiß sollten dann den Namen „BALLACK“ ergeben. Man hat es nur vage gesehen im Fernsehen und ein Foto davon habe ich leider ebenfalls noch nicht gesehen. Wer so etwas hat: Ich wäre um Zusendung oder Tipps unendlich dankbar!
Lange mussten wir wie gesagt nicht warten… Los ging es gleich nach unserer Ankunft mit der Mannschaftsaufstellung – wie immer voller Inbrunst mitgebrüllt. Was sich auf den Videos rächen tut, wenn ihr versteht. Würde ich im Lotto gewinnen, würde ich mir von einem Gewinn gleich eine neue Stimme kaufen wollen. Als Außenstehender fällt es aber glaube ich nicht ganz so auf. Zumindest hoffe ich das.
Manuel Friedrich in Aktion
Dann liefen auch gleich die Mannschaften ein, also es war Zeit für die angekündigte Choreographie. Begeistert hielt ich mit weißes Blatt Papier in die Kölner Stadionluft. Nach nur wenigen Sekunden fing ich an, eine Seite des Papiers auf dem Kopf zu balancieren, denn die andere Hand ging selbstverständlich zum Fotoapperat, was denn sonst.
Direkt danach folgte die rumänische Nationalhymne, während der ich filmte, wie alle ihre Papiere zerknüllten und von den Rängen nach vorne warfen, eine durchaus amüsante Szenerie, die ich ziemlich eindrucksvoll fand. Aber: wer bin ich schon, das ich zu Beginn meines zweiten Länderspiels von großen Eindrücken sprechen kann, manch anderer würde mich wahrscheinlich auslachen. Wie dem auch sei: ich fands definitiv toll. Einfach nur toll.
Ausgerechnet ein italinisches Schiedsrichtergespann sollte diese Partie leiten – die Reaktion der deutschen Fans klar und die logische Konsequenz: „Wir singen scheiss Italiener, scheiss Italieeener!!!“ – wie rassistisch. Aber der Schmerz des WM-Halbfinals 2006 sitzt noch tief. Das ein Stadionblock von Anfang an aus dem Häuschen ist, habe ich leider so auch noch nie erleben dürfen. Beim ersten Länderspiel in Hamburg gegen die Slowakei war mein Sitzplatz mit guter Sicht auf der Haupttribüne, wo – wie mir schien – fast nur die Neutralen und die Presseleute saßen, denn stimmungstechnisch gabs da bis auf die beiden Tore nicht viel. Und auch hier: die Leute saßen einfach nur auf ihren Plätzen. Warum sitzt man in der Singing Area? Ich verstehs nicht.
TOOOOOR – Das 1:1 von Bernd Schneider!
Und als von der Stimmung her irgendwie nichts anfangen wollte in der Südtribüne kam auch noch der erste Schlag in die Magengrube: der Rumäne Goian erzielte nach nur wenigen Minuten das Tor. Nicht gerade wenige Rumänien-Fans jubelten im Stadion. Das darf doch nicht wahr sein. Aber nach dem Betrachten der Videoaufzeichnung kann ich nur sagen: Sie sind zu Recht in Führung gegangen. Jungens, das war aber eine Schlappwehr. Das könnt ihr doch besser!
Fast die komplette erste Halbzeit war ein einziger deutscher Albtraum. Es fielen keine weiteren Tore, aber da hatten wir mehr Glück als Verstand. Was auf dem Spielfeld abging, erkannte ich nur mit Mühe, hielt natürlich bei jeder kleinen Chance mit der Kamera drauf. Lange Zeit für Vergebens. Ich verfolgte die erste Halbzeit dann fast vollständig durch den 3-Zoll-Monitor meiner Digitalkamera – denn von der Stimmung her ging ja mal gar nichts auf der Südtribüne.
Auch von den anderen Tribünen hörte man kaum etwas. Ich schaute also weiter halb aufs Display, halb zum Spielfeld, in den Augenwinkeln das Geschehen auf der Südtribüne verfolgend. Mhmmm, Marcell Jansen auf Piotr Trochowski, der wiederrum auf Bastian Schweinsteiger, der in den Sechzehner flankt. Und dort wartete bereits der Kapitän des Abends und dienstältester auf dem Platz: Unser Ossi Bernd Schneider, hat das Kicken in Jena gelernt. Ich führte die Kamera schon weiter, aber auf einmal sprangen vor mir alle auf und jubelten. Das konnte nur eins bedeuten: Bernd hat die Pille ins Tor befördert und 5 Minuten vor der Halbzeitpause für den Ausgleich gesorgt.
Mit Köpfchen gemacht: Kopfballungeheuer Bernd Schneider
Und was für ein Tor: ein sensationelles und vielleicht ein wenig unbeabsichtigtes Kopfballtor, dieses Kopfballtor war sein erstes. Danach sagte er, er habe ja schon viel mit Köpfchen gemacht, aber ein Kopfballtor ist ihm noch nie gelungen. Hut ab, Bernd. Das war saustark! Ich konnte mich an diesem Abend nicht nur an meiner ersten Papier-Choreographie erfreuen, sondern auch erstmals am Ausrollen des DFB Riesentrikots, welches bei Heimspielen der Mannschaft mitgenommen wird und auf einer der Tortribünen ausgerollt wird, wenn ein Tor fällt. Gern machte ich dabei mit, erfreute mich an diesem herrlichen Dach über dem Kopf und brüllte aus gesunden Lungen den Namen „Schneider“, als der Stadionsprecher sagte „Das 1:1 in der 40. Minute. Der Torschütze mit der Nummer 19: Bernd…“
Zufrieden verabschiedete man sich in die Halbzeitpause. Ich wurde nämlich schon leicht nervös, vielleicht wieder kein Tor auf meiner eigenen Seite zu erleben. Das ich in diesem, ja durchaus historischen Moment, die Kamera draufgehalten haben, grenzt teils an ein Wunder, teils an die Langeweile und die Stimmungslosigkeit im Stadion. Sogar Pfiffe hatte es gegeben, als Piotr Trochowski nicht gerade wenige Zweikämpfe verlor und etliche Fehlpässe fabrizierte. Er kann das normalerweise auch viel besser, davon bin ich überzeugt. In der Halbzeitpause spielte man mit Boris Becker Golf am Mittelkreis. Wers braucht.
Man nimmt an, das es ganz schön Anschiss in der Kabine gab während der 15-minütigen Pause. Was auch immer unser Bundestrainer Jogi Löw aber zu den Jungs gesagt hat: es hat durchaus geholfen. Denn was wir in der zweiten Halbzeit auf dem Spielfeld gesehen haben, war vielmehr das, was uns die Jungs in den letzten Wochen und Monaten gezeigt haben: wirklich guter Fußball, Spaß, Freude, Spielwitz, Offensivität, gute Abwehr und hohe Konzentration. Es war das, was auch die Stimmung im Stadion wesentlich gehoben hat, denn es war auf einmal viel mehr los auf den Rängen des Kölner Rheinenergie-Stadions.
Wir erlebten einen frischen Fußball, den wir so schätzen und lieben gelernt haben bei unseren Jungs. Aber es stand „erst“ 1:1, da ging eigentlich noch mehr. Bei einem Freundschaftsspiel ist eigentlich gar nichts wichtig – aber ich dachte mir nur: Es wäre doch schade, 500 Kilometer für ein Unentschieden oder sogar für eine Niederlage zu fahren. Im Nachhinein bin ich mir aber eigentlich schon fast sicher, das es sich dennoch gelohnt hätte, denn ich habe supernette neue Leute kennengelernt – und bis zum Mittwoch Mittag kannte ich keinen einzigen von ihnen persönlich.
Es dauerte noch ein wenig. Noch warteten die Spieler auf ihre Chance. Und die Fans warteten auf das Knistern in der Luft, welches nur einen einzigen Funken braut, um das Stadion in ein bombastisches Tollhaus zu verwandeln: einen Funken namens „Tooooor!“. Noch warteten wir, jeder auf seine eigene Art und Weise mehr oder weniger geduldig. Endlich schwappte auch die Laola-Welle auf die nahezu ein Nickerchen haltende Nordkurve des Stadions über. Endlich sind sie aufgewacht, dachten wir uns.
TOOOOOR – Das 2:1 von David Odonkor!
Ich genoss die Stimmung beim Spiel, hielt ab und zu einen kleinen Plausch mit Hannes, der lieber in den Nachbarblock wechseln wollte, wo ein paar junge Männer richtig Stimmung gemacht haben, jedenfalls für Südtribünen-Verhältnisse. Wir starteten einige neue Laola-Wellen, die mit viel Glück auch mal zurück zur Quelle kamen, aber auch nicht immer. Außerdem stimmten wir diverse Sprechchöre an, die teilweise richtig amüsant waren.
Und wenn ich nicht gerade beschäftigt war mit Laola-Wellen machen oder dem Singen war, hielt ich mit der Kamera drauf. Und in der 65. Minute zahlte es sich dann endlich aus. Jogi hatte mittlerweile den blitzschnellen David Odonkor eingewechselt, der seit der WM aber kaum überzeugen konnte und zuletzt in Wales ein übel schlechtes Spiel abgeliefert hat. In unseren Herzen wird er bleiben als derjenige, der die entscheidende, traumhafte Flanke für das Tor Oliver Neuvilles gab, der zum Endstand 1:0 gegen Polen traf, einst an meinem 20. Geburtstag, am WM-geschichtsträchtigen 14. Juni 2006, wo die deutsche Euphorie erst richtig losging – und zwar wie eine Rakete.
TOOOOOR – Das 3:1 von Lu-Lu-Lu-Lukas Podolski!
Wo war ich? Achja, die 65. Minute und David Odonkor. Der erkämpft sich sensationell den Ball an der Mittellinie und hat danach einen fantastischen Antritt in Richtung Sechzehner. Poldi in der Mitte wedelte wild mit seinen Armen „Gib ab! Gib ab!“ schien er zu wollen. Aber „Speedy Odonkor“ wollte diese Sache alleine durchziehen. Wäre das schief gegangen, häts Ärger gegeben. Aber die Pille schlug zum 2:1 ein, wäre aber durchaus haltbar gewesen. Egal, wir freuen uns für David und sein erstes Länderspieltor für im deutschen Nationaldress. Sein Jubel ging zu allererst in Richtung Bundestrainer, wo er sich zunächst bedankte.
Geiler Knaller, Poldi!
Für eine weitere Viertelstunde dachte ich, die Stimmung könne nun nicht mehr besser werden. Wer darüber lacht, den weise ich hier noch einmal ausdrücklich darauf hin, das dies erst mein zweites Länderspiel war. Aber dies sollte noch nicht der Schlusspunkt sein. Die beiden Stürmer Lukas Podolski (Bayern München, Ex-Kölner) und Patrick Helmes (Kölner, zukünftiger Leverkusener) hatten noch nicht getroffen, dabei ist es doch ihr Wohnzimmer! Ein besonderer Augenmerk lag auf Lukas, der zuletzt beim 4:1-Sieg gegen die Slowakei im Herbst letzten Jahres getroffen hatte.
Da freute sich auch Torschütze Odonkor
Wir alle erwarteten bereits den Schlusspfiff, die Rumänen hatten schon keinen Bock mehr. Die haben keinen Widerstand mehr geleistet und ließen sich von unseren Jungs überrennen. Ist dies vielleicht unsere Chance. Nach einer Flanke vom Stuttgarter Roberto Hilbert bekommt der Poldi die Pille auf einmal vor die Füße gelegt. Wohin damit? Schnell weg damit. Ein kräftiges Ausholen mit dem Linken Bein und Poldi befördert den Ball mit einer Wahnsinnswucht zum 3:1-Endstand. Jetzt gab es im Stadion endgültig kein Halten mehr. Das Stadion wurde zum Tollhaus und was sich auf den Rängen abspielte war für mich einfach unglaublich. Innerlich grinsend dachte ich an die Kölnerin Mel, die als Podolski Fan natürlich wie aus dem Häuschen sein musste. Poldi zog sein Trikot aus, sah dafür die gelbe Karte. Aber das hat nun wirklich keinerlei Konsequenzen. Wie auch schon im Spiel um Platz 3 bei der WM 2006 ist dies eine gelbe Karte (damals für Schweini) durchaus eine, die man verkraften kann.
Kurz nach dem 3:1 Schlusspunkt machten Hannes und Ich uns auf zur Bande am Spielfeldrand, wo wir gespannt die Ehrenrunde abwarteten und ich vielleicht mein erstes „Hey! Hey! Hey!“ oder sogar noch ein Ufta-Ufta bekomme. Bis es soweit war und die Jungs ihre Ehrenrunde auf der Haupttribüne begannen und über die Nordtribüne fortsetzten, feierten wir zwei mit wildfremden Menschen unten an der Bande. Mittendrin: Paule, das DFB-Maskottchen. Der Riesenadler ist zwar irgendwie nervig und auch dann erst lustig wenn man genug getrunken hat, und auch wenn ich das nicht hatte, wusste ich schon Tage vorher, ich wolle ein Bild mit Paule haben. Ich hatte ja keine Ahnung, das ich auch wirklich eines bekommen sollte. Hannes kümmerte sich gern darum. Achja: Paule hat einen Riesenschnabel, der mir dauernd gegen den Kopf geschlagen ist, hehe.
Dann kamen auch endlich die Jungs bei uns vorbei, ich jubelte und winkte ihnen zu. Sie klatschten zwar fürs Publikum, aber auf eine derartige Vorstellung der Jungs, das sie dem Publikum unendlich dankbar sind, gab es jedoch nicht. Darauf wartete ich vergebens. Vielleicht beim nächsten Heimsieg, ich hoffe inständig. Nach einer kurzen Ehrenrunde verschwanden die Jungs in der Kabine und für Hannes und mich war es nun an der Zeit, das Stadion zu verlassen. Draußen wollte man sich nochmal an der Gaffelbude treffen.
Poldi traf im “Wohnzimmer”
Draußen angekommen gesellten sich auch schnell einige bekannte Gesichter dazu, darunter die sichtlich angetrunkenden netten Leute Frank und Ruhrpott. Es wurde nochmal richtig gemütlich vor den Toren der Südtribüne, auch wenn ich bereits gefroren habe ohne Ende. Es ist eben doch nicht mehr wie einst im Juni. Ich werde bis zum Rest meines Lebens bereuen, das ich nicht den Sprung ins kalte Wasser gewagt habe und nicht schon in Hamburg beim legendären Tooor-Fantreffen gewesen bin. Kann ich im Nachgang aber sowieso nicht mehr ändern.
Nach und nach verabschiedeten sich die Leute. Sabine ist aus dem Block W1 erst gar nicht zurück zur Gaffelbude gekommen, leider. Ich hatte keine Möglichkeit mehr, mich zu verabschieden. Ich hätte auch dran denken können, mich vom Boss persönlich, dem Gründer des Forums zu verabschieden, der nur vorher beim Fantreffen war, beim Spiel jedoch nicht. Auf einmal waren nur noch Hannes, Mel und Ich übrig. Aber das machte nichts, wir verstanden uns prächtig und hatten unseren Spaß.
Die Minuten verstrichen und Hannes machte mich darauf aufmerksam, ich könne ja mal zur Ausfahrt gehen, damit ich sehe, wie der DFB Bus rausfährt. Der rumänische Mannschaftsbus hatte das Stadion bereits einige Minuten zuvor verlassen. Und so ging ich zunächst alleine zur Ausfahrt und wartete, Mel und Hannes kamen schnell nach. Wir haben uns dann zusammen angesehen, wie der majestetische DFB Mannschaftsbus die Ausfahrt aus der Tiefgarage des Stadions hochfuhr und den Jubelrufen und dem Winken der begeisterten Fans, die extra für die Jungs dageblieben sind in der spätsommerlichen Abendkühle.
Selbstverständlich hielt ich mit der Kamera drauf – jedoch nicht darauf bedacht, das alles, was meinen Mund verlässt, auch später auf dem Video zu hören sein würde. Ich vergaß das für einen kleinen Moment, das Ergebnis sind meinerseits peinliche Audiokommentare auf Video – die Kommentare von Hannes und Mel dafür umso amüsanter, das war es dann wiederum schon wieder alle Peinlichkeiten meiner Stimme wert.
Der Bus fuhr vorbei und ich musste mich schon zusammenreissen, Hannes Kommentar nicht mit lautem Lachen zu beantworten: „Ich könnte natürlich eine Bierflasche auf diesen Bus werfen, dann hättest du ein besseres Bild“, kurz darauf Mels Kommentar „Oder soll ich mich lieber vor den Bus schmeißen und sagen ‘Ihr könnt nicht weiterfahren, ihr Arschlöcher?’ „ Unvergesslich. Mel hat sich nicht vor den Bus geworfen und Hannes hat auch keine Bierflasche geworfen. So fuhr der Bus ungehindert vorbei, zu meiner Freude wenigstens mit eingeschaltenem Licht, so sah man ein paar der Jungs. Mels „Da sitzt der Jogi, nä?“ wird mir in ihrem typisch Kölsche Dialekt in Erinnerung bleiben. Auch Hannes versuchte meinen Antrag „Tut die Aleksch mal winken“ (mein Spitzname im Forum übrigens) mit einem ausdrücklichen „Kommt schon Jungs, winkt doch mal!“ zu unterstützen. Leider vergebens.
Auch ein eher gelangweilt dreinblickender Marcell Jansen hinten am Fenster interessierte sich nicht dafür, das ich mir den Arm fast kaputt gewunken habe. Perfektes Timing bewies ich wieder beim Ausschalten der Kamera. So wurde Mels „Was für ein arrogantes…“ genau abgeschnitten. Auch wenn dieser Ausdruck diesem klasse Spieler selbstverständlich nicht gerecht wird. Ich hätte mich trotzdem sehr gefreut, wenn wenigstens einer von ihnen zurückgewunken hätte. Oder es hat tatsächlich einer gewunken, ich habe es nur nicht richtig gesehen. Das werde ich jetzt ja wohl nie erfahren, denn auf dem verwackelten Video ist bei derartigen Lichtverhältnissen so gut wie gar nichts zu sehen.
Ehrenrunde Teil 1
Das Spiel war zu Ende, das Fantreffen beendet und der DFB Bus auf dem Weg zum Mannschaftshotel. Mel, Hannes und Ich entschlossen, auch unseren tollen Abend an dieser Stelle langsam ausklingen zu lassen. So machten wir uns auf den Weg zur Bahnhaltestelle, wo wir in den Genuss von Mels fantastischen WM-Geschichten gekommen sind. Jene spannende und lustig erzählte Storys im Kölsche Dialekt werden im Gedächtnis bleiben. Zu Ende war das Fantreffen endgültig am Kölnder Rudolfplatz, wo Mel sich von uns verabschiedete. Und Hannes und Ich machten uns auf den Weg zu unserer Übernachtungsstätte.
Ehrenrunde Teil 2
Höchst zufrieden und mit fast vollständig erfüllten Erwartungen war ich sehr begeistert von diesem Abend im Kölner Stadion. Ich freute mich sehr, sooo super nette Leute kennengelernt zu haben, ein (teils) sehr gutes Spiel der Jungs gesehen zu haben mit dem Sieg als Krönung. Der Weg, der länderspieltechnisch noch vor mir liegen wird, wird noch sehr lang sein, und ich bin schon sehr gespannt darauf. Auch werde ich mal weiter fahren als „nur“ 500 Kilometer. Und auch dieser Tag hat wieder einmal gezeigt, das die Reisen im Namen der Fußball-Leidenschaft die Schönsten sind, die ich machen kann.
Der Mannschaftsbus verlässt das Stadion
Weitere Videos:
- Die Überreste der Südtribünen-Choreographie: Unzählige Papierknüllchen
- Steht auf, wenn ihr Deutsche seid!
- Den hatte er…leider.
- Nordkurve! Nordkurve! Nordkurve!
- Schei.ss Italiener!
- Nur knapp verfehlt
- Schweinis Freistoß und seine nervenaufreibenden Folgen
- Hier regiert der DFB!
- Verzweiflungsversuch, Stimmung zu erzeugen.
- Du hast die Haare schön!
- Heimsieg!
Zusammenfassung von dfb.de
33 Jahre, gebürtig aus Leipzig, seit 2010 wohnhaft in Stuttgart – Bad Cannstatt. Dauerkartenbesitzerin, Mitglied, ehemalige (Fast-)Allesfahrerin und Fotografin für vfb-bilder.de. Aus Liebe zum VfB Stuttgart berichte ich hier von meinen Erlebnissen – im Stadion und Abseits davon.
Mehr über mich
Neueste Kommentare